Vom hektischen Unialltag ist am Donnerstagabend auf dem Campus in Griebnitzsee nicht mehr viel zu sehen. Nur noch vereinzelt sitzen Studierende im Innenhof und im Unigebäude. Doch wer den langen dunklen Gang im historischen Haus 1 bis ans Ende läuft, trifft auf eine Ansammlung von Studentinnen und Studenten mit schwarzen Instrumentenkoffern. Der Hörsaal 10 ist holzverkleidet, viel Licht fällt durch die große Fensterfront in den Raum. Der Saal würde eher wie ein Ballsaal wirken, wären nicht Tisch- und Stuhlreihen darin aufgereiht.
Hier treffen sich jede Woche die Potsdamer Instrumentalisten zur Probe. Dirigent Benedikt Bock gründete das Bläser-Ensemble im Dezember 2018. Schon in jungen Jahren lernte der gebürtige Karlsruher das Euphonium sowie später Posaune und spielte in verschiedenen Orchestern. Seine einjährige Dirigenten-Ausbildung absolvierte der 27-Jährige an der Musikakademie des Bundes Deutscher Blasmusikverbände e.V. neben dem Studium und ist derzeit als Masterstudent im Studiengang IT-Systems Engineering an der Digital Engineering Fakultät eingeschrieben. Die 20 Ensemble-Musiker studieren ganz unterschiedliche Fächer an der Universität Potsdam wie Physik, Psychologie oder Lehramt.
„Hauptsächlich soll das Zusammenspiel Spaß machen“, sagt Benedikt Bock. Nach diesem Prinzip werden auch die Stücke, die die Studierenden spielen, ausgewählt. Auf ein bestimmtes Genre wollen sie sich nicht festlegen, entscheidend ist vielmehr das musikalische Niveau. Die Potsdamer Instrumentalisten sind offen für Musikbegeisterte: „Jeder kann mitspielen, aber sollte sein Instrument schon einigermaßen gut beherrschen“, erläutert Bock. Dennoch ist kein Vorspiel notwendig. Seine Aufgabe sieht der junge Dirigent darin, dass das Ensemble ein Stück auf ähnliche Weise interpretiert. Dafür muss Bock die Geschwindigkeit und den Rhythmus angeben. „Eigentlich kann man es so zusammenfassen: Der Dirigent ist der Fels in der Brandung, an dem sich die Musiker orientieren können.“
Die hintere Ecke des Hörsaals bietet ausreichend Platz für die Orchesterbestuhlung. Die fächerartige Aufstellung ergibt sich aus der Lautstärke der Instrumente: Je weniger Klangvolumen ein Instrument besitzt, wie etwa die Querflöte oder die Klarinette, umso näher wird es beim Publikum platziert. In der hinteren Reihe sitzen die Saxophone, Trompeten, Posaunen und Baritonhörner.
Langsam nehmen die Musikerinnen und Musiker Platz, Notenständer haben sie selbst mitgebracht. Dann erklingen die ersten Takte von Michael Jacksons Popballade „Heal The World“. Es herrscht eine entspannte, aber konzentrierte Stimmung. Die Potsdamer Instrumentalisten setzen sich ausschließlich aus Holz- und Blechblasinstrumenten zusammen. Saxophone und Klarinetten zählen zu den Holzblasinstrumenten. Während bei der Klarinette das Gehäuse vollständig aus Holz besteht, ist beim Saxophon das Kork-Mundstück ausschlaggebend.
Die Musiker spielen konzentriert einen ersten Durchlauf. Anschließend werden einzelne Abschnitte, die noch nicht ganz sitzen, wiederholt. „Wer ist an dieser Stelle aus dem Rhythmus?“, fragt der junge Dirigent, woraufhin das Ensemble mit allgemeinem Gemurmel antwortet. Als Benedikt Bock aufmunternd hinzufügt: „Aber von der Gesamtdynamik stimmt es!“, bricht gelöstes Lachen aus. Nach der Besprechung einiger Details bittet Benedikt Bock, das gesamte Stück noch einmal vollständig durchzuspielen „So, jetzt sehen wir mal, was hängen geblieben ist – von vorn!“
Die einzige anwesende Klarinettistin hat es an diesem Abend schwer, sich gegen die Blechbläser durchzusetzen. Die 25-jährige Sarah Isabell Witt musiziert bereits seit dem Kindesalter und freut sich, endlich wieder mehr zu spielen, vor allem mit anderen Musikern gemeinsam. Sie studiert im sechsten Semester Biowissenschaften am Standort Golm. Da liegt die Probe auf dem Heimweg nach Berlin. Die Zeit im Schulorchester hat Witt in guter Erinnerung, ein Grund, weshalb sie sich sofort auf Benedikt Bocks Email-Aufruf bei den Potsdamer Instrumentalisten meldete. Ihre Wahl fiel auf die Klarinette, weil sie so facettenreich ist und einen großen Tonumfang besitzt: „Sehr ruhig, aber auch sehr quirlig spielbar“, findet die Studentin. Die einzige Schwierigkeit besteht darin, dass die Klarinette kein großes Klangvolumen besitzt und sich daher nur in der Mehrzahl gegen anderen Blechbläser durchsetzen kann. Daher freut sich das Ensemble über weitere Klarinettistinnen und Klarinettisten, aber auch Waldhörner- und Tuba-Spieler werden noch gesucht. Mit ihren Sitznachbarn hat sich Witt bereits ausgetauscht, aber sie freut sich schon auf zukünftige Proben-Wochenenden, um auch die anderen Musiker besser kennenzulernen.
Nach ein paar Anläufen und Ermutigungen ist die Klarinette deutlich erkennbar. Als das Ensemble „Heal the World“ durchgespielt hat, hält Benedikt Bock fest: „Je länger das Stück dauert, umso lauter werdet ihr.“ „Der Raum ist so groß!“, ist aus dem Ensemble zu hören. „So weit sind wir noch nicht, dass wir das auf den Raum schieben können“, sagt der junge Dirigent und lächelt.
In den Semesterferien sind intensivere Proben geplant, um das gemeinsame Repertoire auszubauen, mit dem sie dann auch auftreten können. Denn das ist das nächste Ziel der Potsdamer Instrumentalisten: große, volle Räume.
Wer bei den Potsdamer Instrumentalisten mitspielen will oder die Hochschulgruppe finanziell unterstützen möchte, schreibt am besten an: vorstandupotsdamer-instrumentalistenpde. Weitere Informationen unter https://potsdamer-instrumentalisten.de
Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal 2/2019.
Text: Nina-Luisa Seidel
Online gestellt: Jana Scholz
Kontakt zur Online-Redaktion: online.redaktionuuni-potsdampde