Joris Vos erforscht Zwerge. Heiße Unterzwerge, um genau zu sein. Der Astrophysiker aus dem belgischen Leuven ist derzeit als Humboldt-Stipendiat am Institut für Physik und Astronomie. Unterzwerge interessieren ihn besonders, weil sie nicht allein sein, oder besser: nicht allein entstehen können. Sie sind das Ergebnis einer besonders engen Beziehung zweier Sterne, an deren Ende nicht selten einer von beiden vergeht.
Helle Riesen, braune Zwerge – Sterne gibt es zuhauf. Doch Joris Vos interessiert sich vor allem für sogenannte heiße Unterzwerge. Bei diesen handelt es sich um heliumbrennende Sterne, die nur eine sehr dünne Wasserstoffhülle haben. „Unterzwerge befinden sich in einer relativ späten Phase der Sternentwicklung“, erklärt der Astrophysiker. „Sie haben ihre Hülle weitgehend verloren und es entzündet sich das im Kern befindliche Helium. Dadurch sind sie sehr heiß – und vergleichsweise hell.“ Damit entwickeln sich Unterzwerge anders als viele Sterne, die in einem ähnlichen Stadium Helium unter einer massereichen Wasserstoffhülle fusionieren und zu Riesensternen werden. „Schuld“ sind die stellaren Partner der Unterzwerge, denn sie entstehen nur, wenn das Verhältnis zweier interagierender Sterne ins Ungleichgewicht gerät. „Es kommt vor, dass zwei Sterne im System einander beeinflussen, sodass einer seine Hülle verliert. Dann wird er zum heißen Unterzwerg, den wir sehen können. Später vergeht er langsam und wird zum Weißen Zwerg.“ Genau genommen erforscht Joris Vos die Interaktion zwischen Sternen. Doch da diese sich kaum direkt beobachten lässt, studiert er ihre Folgen.
„Wir haben keinen direkten Zugang zu den Dingen, die wir erforschen. Was wir inzwischen wissen, haben wir gelernt, vom Licht zu abstrahieren. Außerdem sind wir im Vergleich zu den Sternen wie Eintagsfliegen. Wir sehen keine Entwicklung, sondern nur verschiedene Etappen – und müssen sie daraus ableiten.“
Wie Joris Vos es mit binären Sternsystemen tut. Viele von ihnen würden im Laufe der Zeit miteinander interagieren. Mitunter bleibt das System stabil, manchmal schließt ein Stern den anderen ein oder sie verschmelzen miteinander, so Vos. Bislang sei das Phänomen aber noch kaum erforscht. „Es gibt vergleichsweise wenige bekannte Systeme und auch über diese wissen wir nicht besonders viel.“ Schon in seiner Dissertation versuchte Vos, das zu ändern. Er entwickelte ein Modell, um zu erklären, warum heiße Unterzwerge sich auf elliptischen Bahnen bewegen. Seitdem haben ihn die Sternenpaare nicht mehr losgelassen.
Dabei war Vos keineswegs schon immer klar, dass er Astrophysiker werden würde. Aber ihn hat seit jeher interessiert, wie natürliche Prozesse ablaufen und sich erklären lassen. Studiert hat er, folgerichtig, Physik in Leuven. „Astronomie hatte ich damals noch nicht auf dem Schirm.“ Doch nach und nach drängte sich die Sternenwelt in den Vordergrund. Nach einem Masterstudium in Kopenhagen kehrte er als Doktorand nach Leuven zurück – zusammen mit seiner Frau, die er in Dänemark kennengelernt hatte. Seine Forschung führte ihn von dort zwar nicht zu den Sternen, aber so nah dran, wie es auf der Erde eben geht: auf die Kanaren-Insel La Palma, wo die Universität Leuven in 2.300 Metern Höhe das Mercator-Teleskop unterhält. Auf dem Roque de los Muchachos befindet sich eines der wichtigsten Observatorien weltweit, zu dem mehre-re Sternwarten gehören. „Jeder Astrophysiker verbringt im Laufe seiner Ausbildung viel Zeit in Observatorien“, erklärt Vos, der sich sehr gern an die langen Nächte seiner „Observing Rounds“ erinnert. „Die Forscher übernachten dort gemeinsam in einem Hotel auf dem Berg. Aber während der Beobachtung ist man meist allein. Ich habe die Ruhe geliebt“, so der Wissenschaftler. „Häufig habe ich sogar noch ein paar Tage drangehängt, um die Nächte richtig genießen zu können.“
Nach einem Postdoc-Projekt im chilenischen Valparaiso ist Vos nun seit April 2019 als Humboldt-Stipendiat zu Gast beim Potsdamer Astrophysiker Prof. Dr. Stephan Geier. Gemeinsam mit seiner Frau und dem einjährigen Sohn wohnt der Wissenschaftler in Potsdam-Eiche, unweit des Golmer Uni-Campus. Hier forscht er, zusammen mit Kollegen im schwedischen Lund, weiter zu den Geheimnissen der Unterzwerge. Mithilfe mathematischer Modelle versucht Vos aus dem kurzen, beobachtbaren Ausschnitt des Sternenlebens zu erklären, was mit ihnen über viele Millionen Jahre hinweg geschieht.
Text: Matthias Zimmermann
Online gestellt: Agnes Bressa
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