„Eigentlich ist Unterricht immer Theater“, sagt Nico. Auch die junge Frau neben ihm sieht Parallelen zwischen Schule und Bühne. An beiden Orten gehe es um das Entdecken neuer Welten, um Wissbegierde, Kommunikation, Körpersprache. Die beiden sind Studierende im Lehramtsstudiengang Grundschulbildung, die Veranstaltung, an der sie gerade teilnehmen, findet im Modul Kunstpädagogik statt. Es ist eine Theaterwerkstatt. Praxis also, neben der Theorie, die dazugehörige Seminare vermitteln. Heute wollen die künftigen Lehrkräfte gemeinsam mit den anderen aus ihrer Gruppe zeigen, was sie bisher gelernt haben. Nicht nur sie sind gespannt, ob die Werkschau gelingt. Ihre Dozentin, Dr. Tania Meyer, ist es auch.
Ein kleiner Seminarraum dient als Probebühne. Seine Dachschrägen sorgen für Wohlfühl-Atmosphäre. Gleich rechts von der Tür befindet sich ein Scheinwerfer, der helles Licht wirft, unmittelbar dahinter die kleine Musikanlage. Alles wirkt etwas provisorisch, auch die zwei Zuschauerreihen, zu denen ein kleines Sofa gehört. Endlich zieht Ruhe ein. Das Spiel beginnt.
Im Raum verteilt stehen hohe Kartons. Immer mehr Studierende betreten die Fläche vor, hinter und zwischen den Kisten. Zunächst ganz leise, dann immer lauter werdend, bilden sie einen Sprechchor. „Wir haben uns gefragt, was Theater ist, und viele Antworten gefunden“, hallt es durch den Raum. Es folgen Szenen, die auf Alltagsbeobachtungen basieren. Auch eine Momentaufnahme aus dem Schulgeschehen ist dabei. Es gibt sogar einen kleinen roten Faden, der die kurzen Stücke verbindet. Manche Darstellende erweisen sich als echte Schauspieltalente. Allen ist der Spaß am Spiel anzusehen.
Der Zuschauer merkt, dass Theater hier auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Im besten Fall profitieren davon später die Grundschülerinnen und Grundschüler – wenn sie auf Lehrkräfte treffen, die mit Kindern Theaterstücke klug vor- und nachbereiten können. Und die sich im Klassenzimmer sicher bewegen! „Mich hat das Modul von vornherein sehr interessiert“, erzählt Student Nico nach der Schau. Er wird später Deutsch und Sachunterricht geben. „Hier kann man lernen, wie sich literarische Texte in künstlerische Prozesse verpacken lassen. Vielleicht ergibt sich für mich sogar die Gelegenheit, später eine Arbeitsgemeinschaft zu leiten, die sich dem Schauspiel widmet.“ Besonders attraktiv sei das Angebot für ihn auch deshalb, weil ein renommierter Partner mit im Boot sitzt: das Berliner GRIPSTheater. Es hat die Studierenden in den vergangenen Monaten mehrfach zu Vorstellungen eingeladen.
Die Stücke wurden vor und nach dem Besuch in entsprechenden Workshops, die das Theater durchführte, aufgearbeitet. „Ich bin jetzt besser auf mögliche Reaktionen von Kindern vorbereitet“, versichert Lucienne, die im Hauptfach Deutsch studiert. „Die Workshops waren toll.“ Überhaupt seien ihre Erwartungen an das Modul schon jetzt übererfüllt. David Vogel, Theaterpädagoge am GRIPSTheater, freut das Lob. Sein Haus versucht seit Langem, über den Tellerrand zu schauen und immer wieder neue Partner zu finden. „Gerade Bildungsstätten, Hochschulen, Universitäten, sind für uns wichtig. Besonders dann, wenn dort zukünftige Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet werden, die später mit Kindern und Jugendlichen arbeiten sollen. Ihnen können wir ganz neue Sichtweisen eröffnen.“ Man sieht Vogel an, dass er seine Leidenschaft zur Profession gemacht hat.
Wie Tania Meyer. Bevor sie an die Universität Potsdam kam, hat sie sich unter anderem in Berlin engagiert – und bereits damals wichtige Kontakte zu kulturellen Einrichtungen der Stadt geknüpft. Die Ideen scheinen ihr nicht auszugehen, gerade hat sie einen Ruf nach Flensburg auf die dortige Professur für Darstellendes Spiel/Theater in Schulen angenommen. Für die Werkstattschau hatte die Wissenschaftlerin die Studierenden gebeten, ihre Umwelt genau zu beobachten und daraus einzelne, aber miteinander verbundene Szenen zu entwerfen. Mit dem Arbeitsprozess ist sie sehr zufrieden. Die Dynamik, die die Gruppe aufbaute, hat sie begeistert, genauso wie die vielen kreativen Ideen, die die jungen Leute einbrachten. „Diesen Enthusiasmus, diese Lust, etwas selbstständig zu entwickeln, das sollen sie mit in die Schule nehmen.“
Text: Petra Görlich
Online gestellt: Agnes Bressa
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