Zehn Fragen* für ein Buch, gestellt an Andreas Antić, Autor von „Digitale Öffentlichkeiten und intelligente Kooperation: Zur Aktualität des demokratischen Experimentalismus von John Dewey“. Universitätsverlag 2018.
Was steht in Ihrem Buch - in drei Sätzen?
Zwischen den gesellschaftlichen Fragen und Problemen vor rund einhundert Jahren und den gegenwärtigen Herausforderungen durch die Digitalisierung gibt es aus philosophischer Sicht erstaunliche Ähnlichkeiten. Letztlich dreht sich alles um die zentrale Frage nach dem Umgang des Menschen mit dem kontinuierlichen technologischen und sozialen Wandel. Eben diesen Wandel hat die Philosophie des demokratischen Experimentalismus von John Dewey (1859–1952) zum Gegenstand, mit der ich mich intensiv auseinandersetze und die ich als Grundlage einer Theorie digitaler Öffentlichkeiten zur Diskussion stelle.
Was bringt uns John Deweys demokratischer Experimentalismus heute?
Die Philosophie des demokratischen Experimentalismus, die grundlegende Überlegungen zu Sozialphilosophie, Erkenntnistheorie und Demokratietheorie in einem umfassenden Ansatz zusammenbringt, stellt einen möglichen Ausgangspunkt dar, um gegenwärtige Phänomene der Digitalisierung zu analysieren. Deweys disziplinenübergreifende und problemorientierte Methode des Denkens hat nichts an Aktualität verloren, auch wenn sich die Welt in den letzten einhundert Jahren rasant weiterentwickelt hat. Meine Rekonstruktion des demokratischen Experimentalismus habe ich zwar auf digitale Öffentlichkeiten zugespitzt, doch der philosophische Ansatz eignet sich gleichermaßen, um sich etwa mit digitaler Bildung, digitaler Ethik oder mit sozialen Medien zu beschäftigen.
Hat Ihr Buch eine Geschichte?
Ich hatte mich bereits in meinem Masterstudium mit den Öffentlichkeitstheorien von Jürgen Habermas und Charles Taylor auseinandergesetzt. Für die Dissertation hatte ich zunächst das Thema Europäische Öffentlichkeit ins Auge gefasst. Als ich auf der Suche nach einem geeigneten theoretischen Ansatz Deweys Buch „Die Öffentlichkeit und ihre Probleme“ von 1927 gelesen hatte, war ich von seiner Aktualität überwältigt und wusste sofort, dass ich dieses Buch ins Zentrum meiner Arbeit stellen würde. Zudem war klar, dass ich heute nicht über Öffentlichkeitstheorie schreiben kann, ohne dass die Digitalisierung eine zentrale Rolle spielt. So war das Thema gefunden, an dem ich dann gute vier Jahre lang gearbeitet habe.
Warum ist Ihr Buch wie kein anderes?
Mir war es wichtig, ein Buch zu schreiben, das nicht nur bestenfalls von Fachkollegen gelesen wird, sondern zugleich auch für interessierte Leser_innen aus anderen Disziplinen zugänglich ist. Auch wer nicht mit dem soziologischen und philosophischen Diskurs zum Begriff der Öffentlichkeit vertraut ist, erhält aus meiner systematischen Rekonstruktion von Deweys Philosophie hoffentlich wertvolle Denkimpulse.
Sie veröffentlichen im Universitätsverlag Potsdam - und damit open access. Warum?
In meiner Arbeit argumentiere ich explizit für das Prinzip des öffentlichen und unentgeltlichen Zugangs zu wissenschaftlicher Literatur. Das steht in einem engen Zusammenhang mit dem partizipatorischen Demokratiemodell des demokratischen Experimentalismus. Daher stand für mich außer Frage, dass eine Veröffentlichung meiner Arbeit nur unter den Bedingungen von open access erfolgen kann. Ich hatte Angebote von verschiedenen Verlag vorliegen und war schnell ernüchtert von den hohen Kosten, die andere Verlage allein für open access zusätzlich aufrufen. Für den Potsdamer Universitätsverlag ist open access eine Selbstverständlichkeit. Deshalb fiel mir die Wahl am Ende nicht schwer.
Wer sollte Ihr Buch lesen?
Das Buch ist sowohl für Student_innen der Philosophie und verwandter Disziplinen geeignet als auch für generell an Philosophie interessierte Leser_innen. Wer sich für die breite und reiche Philosophie von John Dewey als einem der Hauptvertreter des amerikanischen Pragmatismus interessiert, findet hier einen systematischen Zugang. Wer im Bereich der Öffentlichkeitstheorie forscht und sich insbesondere für digitale Öffentlichkeiten interessiert, findet hier einen innovativen theoretischen Vorschlag, der sich von etablierten Öffentlichkeitstheorien unterscheidet. Und wer wissen will, was die Gedanken eines vor 160 Jahren geborenen Philosophen mit Toyota, Design Thinking, freier Software oder Open Government zu tun haben, sollte auch einen Blick in das Buch werfen.
Was lesen Sie selbst?
Während der Promotionsphase habe ich den Großteil meiner Zeit mit Fachliteratur verbracht. Das hat sich deutlich geändert. Ich versuche nun eher mal einen Roman zur Hand zu nehmen. Zuletzt habe ich Eugen Ruges „Cabo de Gata“ gelesen, als nächstes liegt der Klassiker „Solaris“ von Stanisław Lem bereit.
Wie lesen Sie bevorzugt - am Bildschirm oder auf Papier (und warum)?
Bücher ganz klar auf Papier. Weil die Materialität eines Buches für mich einfach ein unverzichtbarer Bestandteil ist - sein Geruch, sein Gewicht, die Qualität des Papiers und des Einbands. Wenn es sich um ein gebrauchtes Buch handelt, kommen vielleicht noch unterstrichene Passagen oder Notizen hinzu, die eine eigene Geschichte erzählen. Das würde mir bei einem digitalen Buch fehlen.
Was hat Spaß gemacht beim "Buchmachen" - und was eher nicht?
Das Buchmachen kannte ich bereits von der anderen Seite – während des Studiums habe ich u.a. Textsatz für wissenschaftliche Publikationen gemacht. Aber wenn es um den eigenen Text geht, ist das doch etwas anderes. Die Korrekturschleifen am Ende und insbesondere das Sachregister waren schon sehr herausfordernd. Doch wenn ich nun das Ergebnis in den Händen halte, weiß ich, dass sich die Ausdauer und die Mühe gelohnt haben.
Und nun noch 3 Sätze zu Ihnen ...
Ich komme aus Berlin und habe an der Freien Universität Philosophie, Religionswissenschaft und Indische Philologie studiert. Bereits während des Studiums habe ich Veranstaltungen an der Universität Potsdam besucht und mich dann entschieden, bei Prof. Hans-Peter Krüger über John Dewey und digitale Öffentlichkeiten zu promovieren. Seit dem Abschluss der Dissertation arbeite ich, thematisch naheliegend, als Berater zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung.
„Zehn Fragen für ein Buch“ öffnet die Tür zum Potsdamer Universitätsverlag und stellt regelmäßig Neuerscheinungen vor. „Digitale Öffentlichkeiten und intelligente Kooperation: Zur Aktualität des demokratischen Experimentalismus von John Dewey“ ist hier online verfügbar – oder hier als Buch zu bestellen. Weitere Neuerscheinungen aus dem Universitätsverlag hier .
* Den Autorinnen und Autoren steht es frei, welche der zehn gestellten Fragen sie beantworten wollen. Deshalb kann es passieren, dass letztlich nicht zehn Fragen und Antworten veröffentlicht werden.
Text: Matthias Zimmermann
Online gestellt: Alina Grünky
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuuni-potsdampde