Sie sind die Keimzellen für neues Wissen und neue Ideen. An den Hochschulen versammeln sich die klügsten Köpfe. Doch obwohl das Potenzial für neue Geschäftsmodelle und Innovationen groß ist, wagen nur wenige Akademiker den Sprung aus der Hochschule in die Selbstständigkeit. An der Universität Potsdam ist die Zahl der aus der Hochschule heraus gegründeten Unternehmen im bundesweiten Vergleich jedoch relativ hoch. Wohl auch, weil die Unterstützung für neue Gründer groß ist.
Dass er ein Unternehmer ist, wusste Jonas Enderlein schon als Schüler. Mit 18 gründete er gemeinsam mit einem Freund sein erstes Software-Start-up – als Abiturient. Die Selbstständigkeit hat ihn seitdem nicht mehr losgelassen. Nach dem ersten Start-up folgten eine App für kostenloses Radiohören im Internet, ein Online-Shop für Babyprodukte und weitere kleinere Unternehmen. Neben dem Studium Erfahrungen sammeln und ein wenig Geld verdienen – das waren damals die Ziele des jungen Unternehmers.
Zum Gründen gehören auch Fehler, weiß Enderlein aus eigener Erfahrung. Als Berater an der Universität Potsdam unterstützte er in den vergangenen Jahren zahlreiche junge Wissenschaftler und Absolventen, die wie er den Schritt in die Selbstständigkeit wagten. Denn inzwischen ist bei dem ehemaligen Studenten alles ein bisschen professioneller und die Ziele sind etwas größer geworden. Der 29-Jährige ist heute Geschäftsführer bei der Solutiance Systems GmbH in Potsdam. Das Unternehmen bietet softwaregestützte Instandhaltungsdienstleistungen für die Dächer von Supermärkten oder Lagerhallen an. Die Grundlagenfür das System entwickelte Enderlein schon in seiner eigenen Firma, der ConcluTec GmbH, die er nach seinem Studium am Hasso-Plattner-Institut gemeinsam mit seinem Kommilitonen Robin Jörke gründete. Der Vorstand der Solutiance AG war von seinen Ideen und Produkten so überzeugt, dass er diese als neuen Technologiezweig einbrachte und den jungen Absolventen in sein Unternehmen holte.
Die Uni als Unternehmensschmiede
An Hochschulen sind Unternehmerpersönlichkeiten wie Jonas Enderlein, die früh und zielsicher den Weg in die Selbstständigkeit einschlagen, eher die Ausnahme. Doch auch in vielen Wissenschaftlern und Studierenden schlummert eine Unternehmerin oder ein Unternehmer, weiß Robert Klimpke. Er leitet den Gründungsservice von Potsdam Transfer, der zentralen wissenschaftlichen Einrichtung für Gründung, Innovation, Wissens- und Technologietransfer der Universität Potsdam. Hier gibt er gemeinsam mit seinen Mitarbeitern die Starthilfe, die so manche gute Idee benötigt, um zu einem erfolgreichen Produkt auf dem Markt zu werden.
„In der Regel hat das Thema Gründung bei Wissenschaftlern nicht die oberste Priorität“, sagt Klimpke. Gezielt sucht er deshalb mit seinen Gründungsberatern nach wissenschaftlichem Knowhow, das auch das Potenzial für eine Existenzgründung birgt. Auf ihren Streifzügen durch Labore und Büros entdecken sie neue Ideen, die nicht nur wissenschaftlich überzeugen, sondern auch wirtschaftlich lukrativ sein können.
Dass sie dabei sehr erfolgreich sind, zeigen die Zahlen: Jedes Jahr suchen rund 150 bis 200 Gründungsinteressierte bei Robert Klimpke und seinen Kollegen Rat und Unterstützung. Einige haben bereits ein fertiges Geschäftsmodell im Kopf, andere haben lediglich vage Vorstellungen und freunden sich gerade erst mit dem Gedanken an ein eigenes Unternehmen an. In einem Erstgespräch sortieren und strukturieren die Berater die Geschäftsideen und planen die weiteren Schritte. Es folgen Beratungsstunden, Businesspläne, die Analyse der Erfolgsaussichten und Intensivseminare – das künftige Unternehmen wird bereits im Vorfeld auf Herz und Nieren geprüft. Rund 30 bis 40 Unternehmerinnen und Unternehmer wagen schließlich den Schritt in die Selbstständigkeit.
Aus Fehlern lernen
Stehen alle Signale auf Grün, kann es losgehen. Der Gründungsservice vermittelt Kontakte zu Fördermitteloder Kapitalgebern, stellt Büroräume zur Verfügung oder verbindet das Start-up mit potenziellen Kunden. Beim individuellen Coaching werden Stärken und Schwächen ausgelotet. Die größten Unsicherheiten haben die Gründerinnen und Gründer in rechtlichen und steuerlichen Fragen, erklärt Klimpke. „Vielen fehlt hier die Orientierung“, bestätigt Jonas Enderlein. Er selbst hat auch schon falsche Entscheidungen getroffen und dafür viel Lehrgeld gezahlt. „Aus steuerlicher Sicht Murks und mit viel zu vielen buchhalterischen Pflichten“, lautet sein schlichtes Urteil zur Gründung seines ersten Unternehmens als Kapitalgesellschaft. „Oft habe ich Dinge auch einfach unterschätzt“, sagt Enderlein. Im Endeffekt kostete ihn das viel Zeit.
Bevor er als Gründungsberater bei Potsdam Transfer einstieg, ließ sich Jonas Enderlein selbst beraten. Eine Gründungsidee führte ihn 2012 zum Gründungsservice der Uni Potsdam. Damals wurde aus der Gründung nichts – weil sich in einem Workshop herausstellte, dass die Marktanalyse fehlerhaft und die Konkurrenz auf dem Markt zu groß war. Diese Erfahrung ist für Enderlein ein weiteres Puzzleteil in seiner Unternehmer-Biografie, das auch für spätere Projekte wichtig war. Erhalten blieb ihm ein Kontakt, der später tatsächlich zu einer eigenen Gründung führen sollte.
Mit seiner Expertise unterstützte Enderlein schließlich kurze Zeit später als Gründungsberater bei Potsdam Transfer selbst angehende Unternehmer, denen er praxisnahe Ratschläge geben konnte. Denn schließlich hatte er selbst alle möglichen Stationen durchlaufen. Die eigenen Fehler zu analysieren und intensiv zu durchdenken, ist aus seiner Sicht besonders wichtig. „Aus dem eigenen Scheitern muss man lernen, dann kann es weitergehen.“ Gerade am Anfang sollte man zudem möglichst viel selbst machen und wenig auslagern, rät Enderlein. Ein Unternehmen vom eigenen Küchentisch aus zu starten, ist also nicht die schlechteste Idee.
Beratung erhöht die Erfolgschancen
Häufig suchen Gründer nicht nur jemanden, der sie sicher durch den Gründungsdschungel führt, sondern auch weitere Mitstreiter. Der Chemiker sucht noch einen Betriebswirt, die Informatikerin noch eine Produktdesignerin, um das Gründungsteam komplett zu machen. Auch hier hilft Potsdam Transfer: Auf dem Gründer-Speedmatching treffen Start-ups und Gründungswillige aufeinander und können im Gespräch sondieren, ob sie zueinander passen. Auch die monatliche Start-up Story Night, auf der ehemalige Gründer über ihre Gründungsideen und -erfahrungen, über Höhen und Tiefen auf ihrem Weg zum eigenen Unternehmen berichten, bietet Chancen für den Erfahrungsaustausch. Davon profitieren nicht nur diejenigen, die ganz am Anfang der Prozesskette stehen, sondern auch jene, die bereits mittendrin stecken.
„Wir versuchen, ein Gründerökosystem zu etablieren und unternehmerisches Denken und Handeln zu fördern“, beschreibt Robert Klimpke seine Mission. „Gründungen, die über Partner wie den Potsdam Transfer laufen, haben eine deutlich höhere Überlebenswahrscheinlichkeit als andere“, betont er. Er kann auf eine ganze Reihe von Unternehmen zurückblicken, die er bei den schwierigen Anfängen begleitet hat und die heute gut aufgestellt sind. Etwa die Firma diamond inventics, die Trinkwasserschnelltests entwickelt oder das Unternehmen EntoNative, das Hundesnacks auf Mehlwurmbasis verkauft.
Jonas Enderlein jedenfalls hat seinen Schritt in die Firmengründung nie bereut: „Vermutlich würde mich eine Anstellung nicht erfüllen. Bei null anzufangen und etwas aufzubauen, das ist genau das, was ich möchte."
Die Wissenschaftler
Robert Klimpke studierte Wirtschaftsingenieurwesen in Cottbus. Seit 2016 leitet er den Gründungsservice von Potsdam Transfer. Angehende Unternehmensgründer aus dem Umfeld der brandenburgischen Hochschulen werden hier bei der Entwicklung, Finanzierung und Umsetzung ihrer Geschäftsideen individuell beraten.
robert.klimpkeuuni-potsdampde
Jonas Enderlein studierte IT-Systems-Engineering am Hasso-Plattner-Institut und war von 2013 bis 2015 externer Berater für Gründungen mit IT-Fokus bei Potsdam Transfer. Heute ist er Geschäftsführer und Vorstandsmitglied der Solutiance Systems GmbH.
jonas.enderleinusolutiancepcom
Potsdam Transfer ist die zentrale Institution für den Wissens- und Technologietransfer an der Universität Potsdam. In den Bereichen Transferservice, Gründungsservice, InnovationLab und bei der Koordinierungsstelle für Weiterbildungsangebote unterstützen die Mitarbeiter Gründer von der ersten Idee ihres Unternehmens bis zur Marktreife ihrer Produkte.
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Text: Heike Kampe
Online gestellt: Marieke Bäumer
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuuni-potsdampde