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„Mit Lego kannst du mehr“ - Wie kommen Plastikbausteine in ein Uni-Praktikum?

Apl. Prof. Dr. Martin Trauth (links) mit den Studierenden im Lego-Praktikum. Foto: Karla Fritze.
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Apl. Prof. Dr. Martin Trauth (links) mit den Studierenden im Lego-Praktikum. Foto: Karla Fritze.

Das Praktikum von Martin Trauth ist vollgestopft mit Hightech: Infrarot-und Ultraschall-Sensoren, Gyroskopen, Magnetometern, Multispektralkameras – und Lego-Steinen. Gemeinsam mit den Studierenden entwickelt, baut und programmiert Trauth damit geowissenschaftliche Messanordnungen im Maßstab eines Labortisches nach, die eigentlich im Gelände eingesetzt werden. Der Erfolg gibt ihm recht: Der Kurs ist voll, alle sind begeistert. Auch Martin Trauth – von den Möglichkeiten und nicht zuletzt von den Studierenden.

Angefangen hat alles mit einem Kurs zur Analyse von Daten in den Geowissenschaften, den der Professor für Paläoklimadynamik jedes Jahr durchführt. „Ich dachte mir, anstatt den Leuten immer fertig gemessene Daten vorzusetzen, wäre es besser, sie selbst messen zu lassen. Und zwar am besten direkt auf dem Tisch im Seminarraum“, sagt Trauth. Das Problem: Die dafür nötigen Messinstrumente sind – im Originalformat – teuer und für den Einsatz in einem Praktikum zu unhandlich. Anders Lego, das mitnichten nur in Kinderzimmern zu Hause ist. Mit Lego Mindstorms hat der Bausteinriese aus Dänemark eine ganze Produktreihe entwickelt, die mit Pneumatikteilen, Zahnrädern, Elektromotoren, Sensoren und sogar einem programmierbaren Herzstück namens Lego Mindstorms EV3 Brick aufwarten kann und längst auch als Lehrmittel eingesetzt wird. Als Trauth, der schon seit den frühen 1990er-Jahren mit der in den Geowissenschaften verbreiteten Programmiersprache MATLAB arbeitet und sogar eines der erfolgreichsten Lehrbücher dafür geschrieben hat, erfuhr, dass es eine Schnittstelle zwischen MATLAB und Lego Mindstorms gibt, war der Schritt nicht mehr weit.
Dank der Firma MathWorks, die hinter MATLAB steckt und die Idee von Martin Trauth unterstützte, standen bald Kisten mit Lego-Steinen und unterschiedlichen Sensoren im Wert von 6.000 Euro auf dessen Schreibtisch – und kurz darauf vor den Studierenden. Seitdem wird im Kurs für Datenanalyse gebaut, programmiert und gemessen. „Die Studierenden haben viel Spaß beim Praktikum“, sagt Trauth nicht ohne Stolz, „weil hier jedes Mal was Schräges ausprobiert wird.“ Zum Auftakt sollen die Teilnehmer ein Auto konstruieren, das geradeaus fährt, 30 Zentimeter vor einem Hindernis anhält, piept und zurückfährt. Wie, dafür sollen sie selbst Ideen entwickeln. Trauth und sein Team helfen, wenn nötig. „Sie machen dabei, was wir in der Wissenschaft ständig machen: anwenden, was wir kennen, um Neues zu entwickeln. Und wenn etwas schief geht, neu anfangen.“
Auf einfache Aufgaben folgen komplexere: etwa mithilfe eines Ultraschallsensors dreidimensionale Objekte vermessen. „Das Tolle: Je komplizierter die Übungen werden, desto weniger Hilfe brauchen sie“, sagt der Geowissenschaftler. Der 90-minütige Kurs dauere auch schon mal drei Stunden, meint der Forscher. Früher gehen wolle trotzdem niemand. „Die Leute sind begeistert bei der Sache, vor allem auch wegen des Einsatzes von Lego. Jeder kennt und liebt Lego. Der Spieltrieb ist geweckt, es wird viel gelacht während des Kurses.“
Trauth ist selbst im Lego-Fieber, nicht erst seitdem er mit seinem vierjährigen Sohn – wieder – Lego-Autos baut. Zugleich verliert er das Ziel des Praktikums nie aus den Augen: „Mit dem Spielerischen habe ich die Leute zum Programmieren gebracht. Sie bauen ihre Anordnungen selbst, lernen, Probleme zu lösen und Fehler zu finden.“ Und Trauths Idee macht Schule, das Praktikum wächst. Mehr und mehr Kollegen des Instituts wollen auf den Zug aufspringen. Während einer mithilfe eines Magnetsensors das Modell einer römischen Villa aufspüren lässt, planen andere, mit Seismografen Erschütterungen im kleinen Maßstab zu messen. Selbst Ramanspektrometer sollen in absehbarer Zeit in den Kurs Einzug halten. Im neuen Masterstudiengang „Remote Sensing, geoInformation and Visualization“ hat sich das Praktikum zum Pflichtmodul gemausert. 
Es scheint fast, als hätten die Lego-Macher schon 1975 einen Blick in das Lego-Praktikum von Martin Trauth geworfen, denn damals prägten sie den Slogan, mit dem der Forscher seine Studierenden begrüßen könnte: „Mit Lego kannst du mehr.“

Martin Trauths Blog über das Lego-Praktikum mit zahlreichen Beispielen und Videos gibt’s hier: http://mres.uni-potsdam.de/index.php/category/Lego/

Text: Matthias Zimmermann
Online gestellt: Alina Grünky
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuni-potsdamde