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Verwurzelt – Prof. Dr. Sascha Oswald visualisiert die Wasserversorgung von Pflanzen

Aus jedem Maiskorn entsteht etwas Individuelles. Foto: Dr.
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Aus jedem Maiskorn entsteht etwas Individuelles. Foto: Dr.

Unsere Vegetation ist nicht nur ein ganz wesentlicher Teil der Umwelt, sondern soll auch mit ihren Erträgen die jetzige und zukünftige Weltbevölkerung ernähren, regenerative Energiequellen befeuern und Fahrzeuge antreiben. Gerade in der Landwirtschaft gilt, dass nicht zuletzt eine ausreichende Wasserversorgung nötig ist, wenn Pflanzen gut gedeihen sollen. Dass sie das Wasser über ihre Wurzeln aufnehmen, ist kein Geheimnis. Viele Fragen dazu bleiben aber aufgrund von methodischen Schwierigkeiten offen: Wo genau nehmen die Pflanzen das Wasser auf? Können sie den Prozess der Aufnahme aktiv steuern? Können über bestimmte Wurzelsekrete sogar die Eigenschaften des Bodens verändert werden, um einen besseren Zugang zum gespeicherten Wasser zu haben? Klar ist, dass die Rhizosphäre, der Boden, der sich in unmittelbarer Umgebung der Wurzeln befindet, die Schnittstelle ist, durch die alles Wasser hindurch muss, um zu den Wurzeln zu gelangen. Inzwischen ist bekannt, dass die Wurzeln den Boden in der Rhizosphäre nicht nur mechanisch, sondern auch in seinen chemischen und biologischen Eigenschaften verändern. Doch trifft dies auch auf seine hydraulischen Eigenschaften zu, die für die Wasserbewegung im Boden verantwortlich sind? Der Einsatz neuartiger Bildgebungsmethoden hilft hier weiter. Denn sie können räumlich und zeitlich hochaufgelöste Daten produzieren, die es ermöglichen, Wurzelstruktur und Bodenwasserverteilung unmittelbar vor Ort zerstörungsfrei zu untersuchen. Mit der Visualisierung dieser Prozesse beschäftigt sich Prof. Dr. Sascha Oswald.

Blick unter die Erde dank MRT

Um zu neuen Erkenntnissen bei der Visualisierung von „Wurzelwasseraufnahmeprozessen“ zu gelangen, betreten Sascha Oswald und seine Mitarbeiter Neuland. So kombinieren sie sogar zwei Bildgebungsmethoden: die Magnetresonanztomographie (MRT), bekannt in erster Linie durch medizinische Anwendungen, und die sogenannte Neutronentomografie (NT). Sascha Oswald ist Umweltphysiker und interessiert sich für Bodenhydrologie, Bodenschutz und auch Grundwasser. Seit Längerem arbeitet er mit dem Paul Scherrer Institut, dem größten Forschungsinstitut für Natur- und Ingenieurwissenschaften in der Schweiz, und dem Helmholtz-Zentrum Berlin zusammen. Dort wird Spitzenforschung in den Bereichen Materie und Material, Mensch und Gesundheit sowie Energie und Umwelt betrieben. In diesen Großforschungseinrichtungen gibt es verschiedene Messtechniken, die externe Forscherinnen und Forscher nutzen können. Dazu gehört auch ein – dem Röntgen vergleichbares – Verfahren, bei dem mithilfe von Neutronen Bilder hergestellt werden. Doch Neutronen reagieren sehr empfindlich auf Wasserstoff, machen somit Wasser „sichtbar“. Und genau daran sind Umweltwissenschaftler, Geohydrologen oder Bodenphysiker sehr interessiert.

Sascha Oswald und sein Team begannen ihre Untersuchungen mit Lupinen, die zur gleichen Pflanzenfamilie gehören wie beispielsweise Erbsen und Kichererbsen. Lupinen werden in der Landwirtschaft vor allem als Futterpflanzen genutzt. Für die Erforschung der Wasserversorgung der Pflanzen verwendet der Wissenschaftler besondere Behälter, in denen die Pflanzenwurzeln in natürlichem Boden wachsen können. Das Material der Behälter ist entscheidend für den Versuchsaufbau: Sollen nachfolgende Experimente nur Informationen über Wurzelstruktur und Wasserverteilung liefern, bestehen die Behälter aus Aluminium, denn Aluminium ist für Neutronen quasi „durchsichtig“. Würde man beispielsweise Plexiglas verwenden, das für Neutronen intransparent ist, wäre das Bild schwarz. Inzwischen kommen auch Behälter aus speziellem Glas zum Einsatz, das sowohl für die Neutronentomografie als auch für andere Methoden wie MRT funktioniert. So kann die MRT, wenn beide Verfahren zusammen eingesetzt werden, zusätzlich Informationen über die Porenstruktur und die Art, wie das Wasser gebunden ist, beisteuern.

Das Wasser macht die Wurzeln sichtbar

„Die Wurzeln werden mit unserer Methode deutlich sichtbar, weil sie aus mindestens 80 Prozent Wasser bestehen“, sagt Sascha Oswald. Lässt man die Pflanzen wachsen und dann den Boden austrocknen, so sind Haupt- und Nebenwurzeln auf den Bildern in guter räumlicher Auflösung erkennbar. Die Ab- und Zunahme von Wasser im Boden und seine genaue räumliche Verteilung werden über einen Zeitraum von mehreren Tagen verfolgt. Dort, wo es um die Wurzeln herum trockener wird, haben sie Wasser aufgenommen. Dabei wachsen die Wurzeln weiter und die Wasseraufnahme verlagert sich. „Den Bildern ist zu entnehmen, wie und wo die Wurzeln wachsen, wie sich das Wasser bewegt, ohne das System zu stören“, so der Wissenschaftler. Auch die „Individualität“ der Pflanzen ist in den Bildern sichtbar. So zeigen sie, wie unterschiedlich sich die Wurzelstrukturen einzelner Pflanzen ausbilden und die Wasserverteilung beeinflussen. Junge und alte, dicke und dünne Wurzeln nehmen jedoch nicht die gleiche Menge an Wasser auf, und sie leiten es schlechter oder besser weiter zu den oberirdischen Teilen der Pflanze. „Das haben wir in verschiedenen Varianten vor allem mit landwirtschaftlich interessanten Pflanzen, wie Mais Lupine, Kichererbse, Ackerbohne, Tomate, untersucht.“ Diese Pflanzen wurden auch deshalb ausgewählt, weil ihre dicken Wurzeln und klaren Strukturen sich bei dieser Art von Experiment als vorteilhaft erweisen. Ist das Wurzelsystem zu feingliedrig, gehen die Strukturen ineinander über und erschweren die Auswertung der Bilddaten.

Inzwischen gibt es immer bessere Möglichkeiten der dreidimensionalen Visualisierung von Wurzelwasseraufnahmen. Bei der Neutronentomografie steht das Objekt auf einem Drehtisch und wird in kleinen Schritten über einen Bereich von mindestens 180 Grad gedreht. Bei jedem Winkelschritt wird eine Aufnahme gemacht und aus der resultierenden Bildserie können am Computer das dreidimensionale Wurzelsystem und die genaue Verteilung des Wassers im Boden rekonstruiert werden.

Pflanzen verändern den Boden um sich herum

Aus solchen 3D-Aufnahmen lässt sich schlussfolgern, dass die Wurzeln ihre direkte Umgebung verändern können. Dadurch sind sie in der Lage, besser mit einem Dilemma umzugehen, dem sie ausgesetzt sind: Die Wasseraufnahme trocknet den Boden in der Nähe immer mehr aus. Doch je trockener der Boden, umso weniger lässt er eine weitere Wasserbewegung zu und umso schwerer ist  es für das Wasser, zur Wurzel zu gelangen. Das heißt, die Pflanze verstärkt ihre eigene Wasserknappheit so lange, bis es regnet oder sie bewässert wird. Die Wissenschaftler stellten bei ihren Messungen jedoch fest, dass sich dies in der Rhizosphäre umkehren kann. Dann fungiert diese Zone als eine Art Puffer, der das Wasser länger hält und dann nach Bewässerung langsamer wieder aufnimmt. Der Pflanze hilft dies, eine kritische Trockenheit besser zu überstehen. „Wir denken, dass die Pflanzen eine Art Schleimgel produzieren oder über Mikroben produzieren lassen und so diese günstige Eigenschaft der Rhizosphäre erzeugen“, erklärt Sascha Oswald. Die Wissenschaftler stellen es sich wie eine Babywindel vor, bei der Gel sehr viel Wasser bindet. „Es könnte ein substantieller Effekt sein und die Pflanze an trockene Bedingungen anpassen.“ Objektiv ist natürlich keine umfangreichere Wassermenge vorhanden, aber der Zugang zum Wasser wird in größerer Umgebung aufrechterhalten. Sascha Oswald schätzt, dass sich diese Pflanzen dadurch einen halben Tag Zeit „erkaufen“. Manchmal ist dies gerade genug, um die Pflanze vor dem Verwelken zu bewahren, bis wieder Regen einsetzt.

Aber auch zu viel Wasser ist problematisch, denn es schneidet die Wurzeln von der Sauerstoffnachlieferung ab, die die Wurzelzellen für ihre Atmung benötigen. Auch das lässt sich beobachten, und zwar über eine fluoreszenzbasierte Methode, die eine Mitarbeiterin von Sascha Oswald entwickelt hat. Die Methode ermöglicht es, sowohl die Sauerstoff-Konzentration als auch die pHWert-Verteilung zweidimensional sichtbar zu machen. Diesen modifiziert die Pflanze über Wurzelsekrete in eine für sie vorteilhafte Richtung, um die Aufnahme von Nährstoffen zu verbessern. Zudem verändert der Wandel des pH-Werts wiederum die Funktionsweise des Schleimgels.

So zeigt sich immer mehr, dass die Pflanze biochemische und hydraulische Parameter an der Schnittstelle von Wurzel zu Boden sehr aktiv beeinflusst und zeitlich dynamische Reaktionen auf die Umgebungsbedingungen entstehen. Diese in der nur wenige Millimeter starken Rhizosphäre zu kartieren, die sich um das wachsende Wurzelsystem ausbildet, wird auch weiter eine anspruchsvolle Aufgabe für die Forscher sein.

Das Projekt

Visualisierung von Wurzelwasseraufnahmeprozessen mittels der neuartigen Kombination von „Magnetic Resonance Imaging“ und Neutronentomografie 
Beteiligt: Prof. Dr. Sascha Oswald (Universität Potsdam), Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Forschungszentrum Jülich GmbH
Laufzeit: 2014–2017

Der Wissenschaftler

Prof. Dr. Sascha Oswald studierte Physik an den Universitäten Freiburg und Heidelberg, promovierte dann in Umweltwissenschaften an der ETH Zürich. Seit 2009 ist er Professor für Wasser- und Stofftransport in Landschaften an der Universität Potsdam.

Kontakt

Universität Potsdam
Institut für Erd- und Umweltwissenschaften
Karl-Liebknecht-Str. 24–25, 14476 Potsdam
Email: sascha.oswalduni-potsdamde

Text: Dr. Barbara Eckardt 
Online gestellt: Agnetha Lang
Kontakt zur Online-Redakion: onlineredaktionuni-potsdamde