Im Zuge eines durch Studiumplus geförderten Projekts haben Studierende der Universität Potsdam eine Ausstellung mit dem Namen „unRECHT§ELITE“ konzipiert, die sich mit dem Umgang der NS-Justiz von 1945 bis in die Gegenwart beschäftigt. Die Ausstellung ist vom 20. Juni bis 4. Juli auf dem Campus Griebnitzsee im Haus 6 zu sehen. Eröffnet wird sie am 20. Juni um 12 Uhr von dem Historiker Prof. Dr. Görtemaker sowie dem Dekan der Juristischen Fakultät, Prof. Dr. Schulze.
Inwieweit existieren noch heute Gesetze, deren Ursprünge in der NS-Zeit zu verorten sind? Und warum konnten belastete Mitarbeiter, wie NS-Juristen, auch nach 1949 als Juristen im Staatsdienst arbeiten? Fragen wie diesen widmen sich die Studierenden in dem Studiumplus-Kurs „NS-Aufarbeitung im Justizministerium“ unter der Leitung von Naghme Zare-Hamedani, selbst Studentin der Geschichtswissenschaften und des öffentlichen Rechts. Schirmherr des Projekts ist Prof. Dr. Manfred Görtemaker, Professor für Neuere Geschichte an der Universität Potsdam und Leitendes Mitglied der Unabhängigen Wissenschaftlichen Kommission beim Bundesministerium der Justiz zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. Auch der zweite Kommissionsleiter, Prof. Dr. Christoph Safferling, Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht, Internationales Recht und Völkerrecht an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, unterstützte die Arbeit der Studierenden.
Mit einem bewusst interdisziplinären Ansatz haben sich die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer einem dunklen Kapitel in der deutschen Geschichte gewidmet. Angeregt durch einen Besuch im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV), entstand die Vision einer öffentlichen Präsentation der Kursergebnisse. Inspiration erhielten die Studierenden von Reinhardt Streckers schon 1959 entstandener Wanderausstellung „Ungesühnte Nazijustiz“, in der unrechtmäßige Urteile aus der nationalsozialistischen Zeit zusammengetragen sowie die Namen der verantwortlichen Juristen publik gemacht wurden. Was damals noch stark tabuisiert wurde, ist heutzutage möglich – und doch nicht weniger wichtig. Gemeinsam erarbeiteten die Studierenden, die aus unterschiedlichsten Fachbereichen wie Geschichte, Germanistik, Soziologie oder Latinistik stammen, innerhalb weniger Wochen eine ganze Ausstellung, die „Licht ins Dunkle bringen“ soll, wie sie selbst sagen. Unter dem Titel „unRECHT§ELITE“ dokumentieren die Studierenden, wie es ehemaligen Elite-NS-Juristen gelang, nach 1945 in der Bundesrepublik Karriere zu machen.
Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit
Ein großer Teil der Ausstellung befasst sich mit der Arbeit der Unabhängigen Wissenschaftlichen Kommission beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. So erhalten die Besucher einen Einblick in den Umgang des Ministeriums mit der eigenen NS-Vergangenheit. Dazu zählen unter anderem Karrierewege der Juristen, die vor 1945 NS-Recht gesprochen hatten und nach Kriegsende ihre Karrieren in Deutschland, insbesondere im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, ungehindert fortsetzen konnten. Daneben spielt der Wissensstand angehender Juristen eine große Rolle. Dafür haben die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer im Rahmen des Projekts in den juristischen Vorlesungen an der Universität Potsdam selbst entwickelte Befragungen durchgeführt. „Die Ergebnisse sind alarmierend“, so Zare-Hamedani. „Jurastudierende wissen ziemlich wenig über die juristische Zeitgeschichte. In vielen Vorlesungen wird zwar die Perversion des Rechts durch Hitler angesprochen, doch was nach 1945 geschehen ist, weiß eigentlich niemand. Dabei ist es gerade für das Ethos eines Juristen essenziell, sich mit der eigenen Berufsgeschichte vertraut zu machen.“ An diesem Punkt setzt die Ausstellung „unRECHT§ELITE“ an, denn das Ziel der Studierenden ist einfach und nachvollziehbar – sie möchten ihre juristischen Kommilitoninnen und Kommilitonen für das Thema sensibilisieren.
Die Ausstellung umfasst diverse Roll-Ups, auf denen sowohl Informationen zu der Arbeit der Unabhängigen Wissenschaftlichen Kommission als auch die Ergebnisse der Befragung in Form von Texten, Diagrammen und Grafiken präsentiert werden. An der Ausstellungseröffnung am 20. Juni wird neben dem Dekan der Juristischen Fakultät, Prof. Dr. Götz Schulze, und dem Leiter der Unabhängigen Wissenschaftlichen Kommission, Prof. Dr. Manfred Görtemaker, auch der Initiator der studentischen Ausstellung „Ungesühnte Nazijustiz“ Reinhardt Strecker teilnehmen und von seinen Erfahrungen berichten.
Das Projekt
Die Ausstellung wurde im Rahmen von Studiumplus erarbeitet und realisiert. Neben Vorlesungen, Seminaren und Übungen zählen studentische Projekte zu anerkannten akademischen Lehrveranstaltungen, in den die Studierenden relevante Schlüsselkompetenzen, wie Selbstorganisation, Zeitmanagement, Förderung der Eigeninitiative oder Kreativität, für ihren späteren beruflichen Werdegang erlangen können. Die studentischen Projekte werden durch Hochschullehrende betreut und wissenschaftlich unterstützt. Die erbrachten Studienleistungen innerhalb der Projekte werden mit entsprechenden Leistungspunkten vergütet.
Kontakt
Prof. Dr. Manfred Görtemaker
Professor für Neuere Geschichte I (19./20. Jahrhundert)
Tel.: 0331 / 977 1323
E-Mail: goerteuuni-potsdampde
Prof. Dr. Christoph Safferling
Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht, Internationales Strafrecht und Völkerrecht
Tel.: +49 9131 / 85 22250
E-Mail: str1ufaupde
Naghme Zare-Hamedani
Studentin der Geschichtswissenschaften und des öffentlichen Rechts, Kurs- und Ausstellungsleiterin„unRECHT§ELITE“
E-Mail: zarehameuuni-potsdampde
Text: Agnetha Lang
Online gestellt: Daniela Großmann
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuuni-potsdampde