Noch ist es nur eine Vision: Bis 2016 sollen die Gebäude der Türkisch-Deutschen Universität im Istanbuler Stadtteil Beykoz, hier eine Animation, fertig sein. Geplant ist der Vollbetrieb mit zunächst 5.000 Studierenden an fünf Fakultäten (Rechtswissenschaften, Naturwissenschaften, Ingenieurwissenschaften, Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften, Kultur- und Sozialwissenschaften). Unterrichtssprachen sind neben Deutsch auch Türkisch und Englisch.
Bereits seit 2010 engagiert sich die Universität Potsdam bei der Errichtung der Türkisch-Deutschen Universität (TDU) in Istanbul. In einem Konsortium mehrerer deutscher Hochschulen beteiligt sie sich federführend am Aufbau der Naturwissenschaftlichen Fakultät, aktiv unterstützt vom Forschungsnetzwerk pearls – Potsdam Research Network. Über das Prestigeprojekt beider Regierungen sprach Portalredakteurin Petra Görlich mit dem Vizepräsidenten für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs der Universität Potsdam, Prof. Dr. Robert Seckler.
Herr Prof. Seckler, derzeit scheint der Aufbau der TDU an Fahrt zu gewinnen. Trügt der Eindruck?
Nein, das ist in der Tat der Fall. Im Herbst 2013 sind die ersten drei Bachelor- und zwei Masterstudiengänge eröffnet worden. Zuvor hatte die TDU schon gemeinsam mit der Universität Dortmund in Deutschland den Master of Science in Manufacturing Technology angeboten. Wir haben gegenwärtig etwa 130 Studierende allein in den Bachelorstudiengängen, also beim BA Rechtswissenschaften, dem BA Technik Mechatronischer Systeme und beim BA Betriebswirtschaftslehre. Ihre Ausbildung beginnt allerdings zunächst damit, einjährige Deutschkurse und vorbereitende Seminare und Workshops zu absolvieren.
Zwischenzeitlich stockte es. Lag es daran, dass zwei Bildungskulturen aufeinanderprallten?
Weniger. Das hatte zum einen mit Personalien und langen bürokratischen Prozeduren zu tun, teilweise aber auch mit unterschiedlichen Vorstellungen davon, welche Ausrichtung die Universität haben soll. Inzwischen ist das jedoch weitgehend behoben und es gibt wieder eine ganze Menge Schwung für das Projekt.
Welche verschiedenen Positionen trafen denn aufeinander?
Im Fokus der Türkei standen vor allem praxisnah ausgebildete Absolventen, die den Aufbau der türkischen Wirtschaft voranbringen sollen. Die deutsche Seite hingegen hatte von Beginn an eine Universität im Blick, bei der die Verzahnung von Forschung und Lehre eine große Rolle spielt. Das musste in Übereinstimmung gebracht werden. Es wird nun Studiengänge geben, die beide Vorstellungen integrieren. Einerseits wollen wir die Studierenden fit machen für den Arbeitsmarkt und andererseits wollen wir sie zur Forschung befähigen.
Wie schätzen Sie die Zusammenarbeit mit Ihren türkischen Partnern ein?
Ich selbst bin erst seit einigen Monaten im Projekt engagiert. Mein Eindruck ist es aber, dass die Vertreter beider Seiten Pragmatiker sind. Da ist es nicht schwierig, sich zu verständigen.
Noch befinden sich keine naturwissenschaftlichen Studiengänge im Lehrangebot. Wie weit sind die Vorbereitungen gediehen?
Demnächst wird bei der zuständigen zentralen Behörde in der Türkei die Zulassung der Bachelorstudiengänge, auf die wir uns geeinigt haben, beantragt. Das betrifft die Fächer Molekulare Biotechnologie, Materialwissenschaft und Energiewissenschaft. Wir erwarten noch im Frühjahr die Genehmigung. Unmittelbar danach werden wir gemeinsam die Curricula entwickeln. Mindestens zwei der Studiengänge sollen 2016 starten. Dann sind auch die dafür erforderlichen neuen Gebäude fertig. Noch in diesem Frühjahr ist Baubeginn.
Warum engagieren sich die Universität Potsdam und einige ihrer außeruniversitären Partner so stark für das Projekt?
Zum einen wollen wir bestehende Kooperationsprojekte zwischen Potsdamer Instituten und türkischen Partnern ausbauen und neue aufbauen – gerade jetzt im Deutsch-Türkischen Wissenschaftsjahr 2014. Zum anderen ist es für uns attraktiv, Zugang zu sehr guten Absolventen zu erhalten. Wir wollen sie motivieren, über zukünftige internationale Masterstudiengänge nach Potsdam zu kommen oder auch hier zu promovieren. Deshalb wollen wir an der TDU unbedingt attraktive Studiengänge anbieten und sind optimistisch, dafür auch sehr gute Studierende zu bekommen. In der Türkei gibt es generell eine sehr große Nachfrage nach Studienmöglichkeiten.
Das dürfte sich auch beim geplanten Masterstudiengang mit dem Arbeitstitel „Gefahrenmanagement“ bemerkbar machen …
Wir diskutieren so einen Studiengang, konkret geplant wird er im Moment aber noch nicht. Die Türkei hat aufgrund ihrer geografischen Lage Bedarf an Experten, die sowohl einschätzen können, welche Naturgefahren der Türkei drohen, als auch an Fachleuten, die das nötige technologische Verständnis mitbringen, um dem entgegenzuwirken. Es könnte also ein Studiengang sein, der zwischen den Ingenieur- und Naturwissenschaften angesiedelt ist.
Text: Petra Görlich, Bearbeitung: Julia Schwaibold