Wie lange hallt eine Kirche nach? Verschluckt sie die Obertöne? Bündelt oder streut sie Klänge? Hier offenbart sich ein blinder Fleck in den Kultur- und Religionswissenschaften, die überwiegend die architektonischen Besonderheiten von Kathedralen und Moscheen beschrieben haben, aber für ihre auditorischen Atmosphären taub waren. Ein Beitrag der Tagung wird sich diesem Versäumnis zuwenden. Ein anderer beschäftigt sich mit kulturhistorisch orientierter Musikwissenschaft, die das Hörverhalten und die Hörnormen im Wandel der Zeiten untersucht. So bildete sich im Zusammenspiel von bürgerlichem Kunstbegriff, musikalischer Werkidee und neuen Konzerträumen im 19. Jahrhundert eine strenge Verhaltensnorm für Musikaufführungen heraus. Im andächtigen, hingebungsvollen, konzentrierten Zuhören leben Rezeptionsformen weiter, die aus religiösen Praxen übernommen werden oder diesen zum Verwechseln ähnlich sind.
Eine ganz andere Form des nicht-intentionalen Hörens ermöglicht Musik, wenn sie andere rhetorische oder mediale Handlungen begleitet. Klangteppiche werden in Filmen oder bei Predigten unterlegt, um Stimmungen zu verstärken. Dazu werden vor allem schwebende Harmonien oder auch Naturgeräusche verwendet. Manche religiösen Traditionen lehnen das als Emotionalisierung ab und betonen Nüchternheit. Andere setzen diese Form der gemeinsamen Selbstmanipulation gezielt ein. Spekulative Richtungen greifen auf verborgene Bedeutungen von bestimmten Schwingungsverhältnissen zurück: Tonintervalle werden mit Planetenabständen, Farbfrequenzen und Körperproportionen in Beziehung gesetzt. Sie führen damit Denkschulen des „Harmonikalen“ weiter, die seit der Antike Töne als Ausdrucks des Kosmos sehen. Der Beitrag „400 Jahre nach Kepler. Die Verwirklichung der Sphärenmusik“ wird auf der Tagung den neuesten Stand der kosmischen Musikforschung präsentieren.
Im Nachgang der Tagung lädt das „Forum Religionen im Kontext“ zu einer Konzertreihe auf dem Campus Griebnitzsee ein, die am 11. November 2021 mit „Stille: Nach.Hören im Buddhismus“ beginnt und am 2. Dezember 2021 mit „Gospel. Nach.Hören im Christentum“ endet. Auch die Musik des Judentums und des Islams wird in der Reihe zu hören sein.
Das „Forum Religionen im Kontext“ (FRK) dient der Vernetzung und Vertiefung der religionsbezogenen interdisziplinären Forschung und Lehre und deren Austausch mit anderen wissenschaftlichen Disziplinen an der Universität Potsdam im Kontext gesellschaftlicher, kultureller und religiöser Heterogenität. Es ist eine Schnittstelle für die fakultäts‐ und disziplinübergreifende Wissenschaft, die mit religiösen Fragestellungen im weitesten Sinn befasst ist. Neben der Zusammenarbeit in Forschung und Lehre übernimmt das FRK noch eine weitere, wichtige Aufgabe: Die Förderung des interreligiösen Dialogs und religionsbezogenen gesellschaftlichen Diskurses außerhalb der Universität. Es will als Bindeglied zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaft fungieren und damit einen Beitrag zum Verständnis von Religionen und dem friedlichen Zusammenleben von Menschen verschiedener Religionen und Weltanschauungen leisten.
Das Programm online:
https://www.uni-potsdam.de/de/forum-religionen-im-kontext/ueberhoeren/terminuebersicht
Tagung:
Zeit: 4. Juni 2021, 18 bis 21 Uhr und 5. Juni 2021, 10 bis 16 Uhr
Für die Tagung wird um Anmeldung per Email gebeten: forum-religionen-kontextuuni-potsdampde
Kontakt:
Prof. Dr. Johann Ev. Hafner
Universität Potsdam, Institut für Jüdische Studien und Religionswissenschaft
E-Mail: johann.hafneruuni-potsdampde
Tel.: 0331 977-1506
Sekretariat: 0331 977-4253
Medieninformation 31-05-2021 / Nr. 041