Zum ersten Mal ist es gelungen, eine Quelle galaktischer kosmischer Strahlung mit Petaelektronvolt-Energie zu identifizieren: das supermassive Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße. Seit mehr als zehn Jahren kartografieren die H.E.S.S.-Teleskope in Namibia dieses Zentrum in höchstenergetischer Gammastrahlung. Das Gammalicht wird von sogenannter kosmischer Strahlung im innersten Bereich der Galaxie erzeugt. Ein Wissenschaftlerteam, darunter Astrophysiker der Universität Potsdam, veröffentlichte jetzt die Ergebnisse seiner detaillierten Analyse der neuesten H.E.S.S. (High Energy Stereoscopic System)-Daten im internationalen Fachjournal Nature.
Unsere Erde ist dem ständigen Bombardement hochenergetischer Teilchen aus dem Weltall ausgesetzt. Dabei handelt es sich um Protonen, Elektronen und Atomkerne, die als „kosmische Strahlung“ bezeichnet werden. Die Frage, welche astrophysikalischen Quellen die kosmische Strahlung produzieren, treibt die Wissenschaftler schon seit mehr als einem Jahrhundert um. Das Problem: Die Teilchen sind elektrisch geladen, weshalb sie in interstellaren Magnetfeldern von ihrer geraden Bahn abgelenkt werden. Aus diesem Grund weist ihre Ankunftsrichtung nicht auf ihren Produktionsort zurück. Die Teilchen der kosmischen Strahlung treten jedoch in der Nähe ihrer Quellen häufig mit interstellarem Gas oder Photonen in Wechselwirkung. Dabei wird hochenergetische Gammastrahlung produziert, die die Erde auf geradem Weg erreicht. Die Forscher können diese Gammastrahlung ausnutzen, um die Quellen der kosmischen Strahlung am Himmel sichtbar zu machen.
Wenn Gammastrahlung auf die Erdatmosphäre trifft, produziert sie kurze Lichtblitze, die von großen Spiegelteleskopen mit schnellen Lichtsensoren erfasst werden können. Mit dieser Technik wurden in den letzten Jahrzehnten mehr als 100 Quellen hochenergetischer Gammastrahlung am Himmel entdeckt. H.E.S.S. wird in Namibia von Wissenschaftlern aus zwölf Nationen betrieben und ist das zurzeit empfindlichste Instrument für ihren Nachweis. Deutschland ist führend auf dem Gebiet der bodengebundenen Gammaastronomie. Zu den 42 Instituten, die an H.E.S.S. beteiligt sind, gehören neben der Universität Potsdam das Max-Planck-Institut für Kernphysik (Heidelberg), das DESY (Standort Zeuthen), die Universitäten Bochum, Erlangen, Hamburg, Heidelberg, Tübingen und die Humboldt-Universität zu Berlin.
Die Suche nach den Beschleunigern der höchstenergetischen galaktischen kosmischen Strahlung blieb bislang erfolglos. Detaillierte Beobachtungen des Zentrums der Milchstraße, die mit den H.E.S.S.-Teleskopen während der letzten zehn Jahre durchgeführt wurden, liefern jetzt erste Antworten. Schon während der ersten Beobachtungsjahre hatte H.E.S.S. eine starke kompakte Quelle sowie ein ausgedehntes Band diffuser höchstenergetischer Gammastrahlung im Galaktischen Zentrum nachgewiesen. Die diffuse Strahlung erstreckt sie sich über eine Region von etwa 500 Lichtjahren Durchmesser, die dichte Molekülwolken enthält. Jene Gammastrahlung entsteht, wenn kosmische Strahlung mit dem Material der Wolken in Wechselwirkung tritt. Der Nachweis dieser diffusen Strahlung ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass sich eine Quelle kosmischer Strahlung in dieser Region befinden muss. Die Quelle selbst konnten die Forscher jedoch lange nicht eindeutig identifizieren.
Die Analyse weiterer H.E.S.S.-Beobachtungen wirft neues Licht auf die Beschleunigungsprozesse im Galaktischen Zentrum. Mit den bisher beispiellosen Messungen sind die Forscher zum ersten Mal in der Lage, auch den Ursprung dieser Teilchen zu bestimmen. „Im Zentrum der Milchstraße befindet sich ein sogenanntes PeVatron, ein astrophysikalischer Beschleuniger, der Protonen auf Energien von bis zu einem Petaelektronvolt beschleunigt hat, und das kontinuierlich über einen Zeitraum von mindestens 1.000 Jahren”, folgert Prof. Dr. Christian Stegmann von der Universität Potsdam. „Der Zentralbereich unserer Milchstraße beherbergt viele Objekte, die kosmische Strahlung großer Energie erzeugen können. Aber das supermassive Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße ist der plausibelste Ursprung der PeV-Protonen”, sagt Dr. Kathrin Egberts, Leiterin der H.E.S.S.-Gruppe an der Universität Potsdam.
Kontakt: Dr. Kathrin Egberts, Institut für Physik und Astronomie
Telefon: 0331 977-5083
E-Mail: kathrin.egbertsuuni-potsdampde
Foto: Christian Föhr/H.E.S.S.Kollaboration
H.E.S.S.-Teleskope im Khomas Hochland in Namibia
Originalveröffentlichung:
Acceleration of Petaelectronvolt protons in the Galactic Centre, H.E.S.S. collaboration,
corresponding authors: F. Aharonian, S. Gabici, E. Moulin et A. Viana, Nature, DOI 10.1038/nature17147
Medieninformation 01-04-2016 / Nr. 036
Dr. Barbara Eckardt
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