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Anpassung und Radikalisierung. Dynamiken der Populärkultur(en) im östlichen Europa vor dem Krieg

Leibniz-Kooperative Exzellenz

2023–2027

Leitung: Dr. Matthias Schwartz (PI, ZfL Berlin), Prof. Dr. Magdalena Marszałek (Co-PI, UP), Prof. Dr. Juliana Fürst (Co-PI, ZZF), Dr. Stefan Krause (Co-PI, GWZO)

Team: Dr. Nina Weller (ZfL), Dr. Aleksandra Szczepan (UP), Daria Ganzenko (ZZF), Indira Anna Hajnács (GWZO)

Überblick

Das Verbundprojekt untersucht Entwicklungsdynamiken in den Populärkulturen in Belarus, Polen, Russland, Ukraine und Ungarn seit den 1980er Jahren bis zur Zäsur des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine aus interdisziplinärer und vergleichender Perspektive.

In den Ländern Ost- und Ostmitteleuropas erfüllt die Populärkultur seit den 1980er Jahren spezifische Funktionen: Sie dient der Vermittlung westlicher Trends, Bilder und Erzählungen ebenso wie der Neudefinition nationaler, religiöser oder auch staatssozialistischer Symboliken und Narrative. Im Hinblick auf Gesellschafts-, Geschichts-, Familien-, Heimat- und andere Identitätsmodelle kann sie Vorstellungen von Modernität, Zeitgeist und materiellem Wohlstand mit sowohl progressiven als auch konservativen Werten verknüpfen. Sie kann zur subkulturellen, oppositionellen bzw. dissidentischen Radikalisierung, aber auch zu eher unkritischem Konsumverhalten und zur Normalisierung von nationalistischen Diskursen beitragen. So erweist sich Populärkultur als Vehikel kollektiver Wünsche und Träume, latenter Frustrationen und Ängste. Aus kulturwissenschaftlicher Perspektive ist dabei vor allem interessant, welche ästhetischen und medialen Mittel populärkulturelle Produkte und Praktiken nutzen und wie sie politisch wirkmächtig werden und in der Folge gesellschaftliche Debatten prägen. Um einer einseitigen Betrachtung von Populärkultur als einer Form von Gegenkultur und ›Widerstand‹ gegen kulturelle Hierarchien und Machtstrukturen zu entgehen, müssen dabei stets auch ihre problematischen Potenziale in den Blick genommen werden. Diese sind nicht nur in der Kommerzialisierung zu suchen, sondern auch in der populistischen Radikalisierung und diskursiven Anpassung an politische Machtverhältnisse. Denn als Indikator und Booster gesellschaftlicher Stimmungen kommt der Populärkultur eine Schlüsselrolle beim Verständnis gesellschaftspolitischer Prozesse zu.

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Teilprojekte am Lehrstuhl für Slavische Literatur- und Kulturwissenschaft (Schwerpunkt Polonistik) an der Universität Potsdam

Du wirst nie allein gehen? Zivile und militärische Bildsprache in der polnischen Populärkultur seit den 1980er Jahren

Dr. Aleksandra Szczepan

Zur Projektbeschreibung

Populäre Kultur und (Rechts-)Populismus

Prof. Dr. Magdalena Marszałek

Das Teilprojekt beleuchtet punktuell die Räume des Zusammenspiels von populistischen Politiken und populärkulturellen Entwicklungen in Osteuropa mit besonderem Fokus auf Polen. Etymologisch haben der Populismus und das Populäre die gleichen Wurzeln (lat. populus, ›Volk‹; popularis, populär‹); sowohl der politische Populismus als auch die populäre Kultur suggerieren ‒ nicht zuletzt durch die Ablehnung des Elitären ‒ eine besondere ›Volksnähe‹. Ist die zunehmende ›Medialisierung‹ der Politik, insbesondere in Zeiten von Social Media, ein umfassendes Phänomen, so lässt sich doch nach spezifischen Verflechtungen populistischer und populärkultureller Performanzen fragen: Welche Allianzen gibt es zwischen Populärkultur und politischem Populismus? Welche Resonanzräume bietet die Populärkultur populistischen Politiken, wann und wo leistet sie Widerstand?

Die Rechtspopulisten artikulieren i.d.R. klare kulturpolitische Ziele und interessieren sich dabei auch für breite Bereiche der Populärkultur, die sie ‒ sobald sie an die Macht kommen (wie in Polen in den Jahren 2005-2007 und 2015-2023) ‒ finanziell zu kontrollieren und für eigene politische Zwecke zu vereinnahmen versuchen: sei es Musikfestivals, sei es die Reenactment-Bewegung oder aber populäre Fernsehformate. Das Teilprojekt fragt deshalb nach Momenten der gegenseitigen Verstärkung populärkultureller Ausdrucksweisen und populistischer Machtstrategien wie auch nach möglichen Widersprüchen und Rissen in den Praktiken und Diskursen der rechtskonservativen und nationalistischen Liaison von populärer Kultur und Populismus.

Nicht zuletzt geht es auch um die Frage, wie Cultural Studies und die Populismusforschung voneinander profitieren können: In der Populismusforschung wird seit einiger Zeit immer wieder postuliert, neben den ›harten‹ Kriterien wie Ökonomie oder Demografie auch kulturelle Aspekte bei der Untersuchung und Erklärung des gegenwärtigen Aufstiegs des Populismus zu berücksichtigen; und umgekehrt kann der Blick auf die populärkulturellen und populistischen Allianzen die bisher von den Cultural Studies wenig beachtete Seite der Politisierungsprozesse in der populären Kultur beleuchten und somit neue Anregungen für die Diskussion um den Hauptgegenstand der Cultural Studies liefern.