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Dr. Christoph Senft

HR Coordinator

für Hochschulkooperationen bei Nexperia

Wo arbeiten Sie?

Ich bin in der Personalabteilung des relativ großen Unternehmens Nexperia angestellt. Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz in Holland. Ich bin an der Hamburger Produktionsstätte angesiedelt. Die Personalabteilung, in der ich bin, ist vor allem für diese deutsche Produktionsstätte zuständig. Weltweit besitzt die Firma auch andere Produktionsstandorte. Ich bin in einem Bereich tätig, der alle möglichen Themen auffängt.

Ihre Berufsbezeichnung verrät, dass Sie im Bereich HR koordinierend tätig sind. Was bedeutet das genau?

Grundlegend gibt bei uns die Personalabteilung, in der das Personal betreut wird. Das nennt sich bei uns Operations. Hier werden administrative Aufgaben rund um Verträge, Elternzeit und allem, was die Mitarbeitenden betrifft, übernommen. Zusätzlich gibt es noch ein Recruiting Team, das die Bewerbungsverfahren leitet. Daneben hat das Unternehmen noch weitere Teams, die häufig ein wenig kleiner sind. Ich bin in dem Team Communications, People Development and Corporate Health und nehme dort eine untypische Schnittstellenfunktion ein, die es nicht in jedem Unternehmen gibt. Somit befinde ich mich in dem Unternehmen mit meinem Fokus auf Nachwuchskräfte an der Schnittstelle zwischen Personalmarketing und Personalbetreuung. Diese Selle wurde erst geschaffen, als ich anfing in dem Unternehmen zu arbeiten. Damals wurde entschieden, dass ich nach innen kommuniziere und sowohl Ansprechpartner für Führungskräfte als auch für Nachwuchskräfte im Unternehmen sein soll. Nach außen fungiere ich als Kontaktperson und bin mit meiner Rolle gut in dem Mischteam aufgehoben.

 

"Ich bin unter anderem dafür verantwortlich, dass neue Mitarbeitende bei uns bleiben wollen und dass beide Seiten zufrieden sind."

 

Wie kann man sich Ihren Aufgabenbereich vorstellen? Arbeiten Sie allein oder im Team?

Ich arbeite alleine. Aber ich habe eine Teamleiterin, die für den Themenkomplex verantwortlich ist. Meine Aufgabe ist das Arbeitgebermarketing. Das heißt, ich suche Antworten auf die Fragen: Wie werden wir bekannter? Wie machen wir klarer, was man bei uns alles machen kann? Wie sprechen wir die notwendige Zielgruppe an? Wie muss unsere Webseite gestaltet sein? Wie erreichen wir junge Menschen und führen Sie an das Unternehmen heran? Wenn sie dann bei uns landen, dann bin unter anderem ich dafür verantwortlich, dass sie auch bei uns bleiben wollen und dass beide Seiten zufrieden sind. Ich bin wie eine Koordinationstelle und dabei mit ganz vielen Seiten in Kontakt.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Einen typischen Arbeitstag gibt es bei uns in diesem Sinne nicht, da die Tätigkeiten sehr abwechslungsreich sind. Grundlegend handelt es sich um einen Bürojob, den man vielleicht unter 9-to-5 verbuchen könnte. Bei uns im Unternehmen ist es so, dass die Arbeit immer flexibler gestaltet werden kann. Praktisch bedeutet dies, dass man zwischen 6 und 22 Uhr arbeiten und davon bis zu drei Tage die Woche im Homeoffice verbringen kann. Davon sollte man zwei Tage die Woche mindestens vor Ort arbeiten. Momentan verbringe ich zwei sehr lange Tage in Hamburg. Die anderen Tage arbeite ich im Homeoffice und versuche kürzere Arbeitszeiten einzubauen, um beispielsweise meinen Sohn von der Kita abzuholen. Je nachdem, was bei der Arbeit anfällt, kann es auch sein, dass ich mich nochmal abends hinsetzen muss.

Arbeiten Sie hauptsächlich am Schreibtisch und in Online-Konferenzen oder sind Sie auch viel unterwegs?

Eine typische Arbeitswoche von mir ist durch den Wechsel von Präsenz und Online-Arbeit gekennzeichnet. Zusätzlich nehme ich auch viele externe Termine war, wie beispielsweise Hochschul- oder Veranstaltungsbesuche, bei denen wir auch Kontakte zu Professor*innen knüpfen. Auch gibt es interne Veranstaltungen. Dazu zählt, dass zum Beispiel eine studentische Gruppe bei uns zu Besuch kommt und sich unsere Produktionsstätte anguckt.

Grundlegend beteilige ich mich an der Organisation jeglicher Betriebsbesuche, indem ich das Programm gestalte, die Räume buche und Personen suche, die die technische Seite der Arbeit erklären können. Es ist wichtig, sich mit vielen Personen abstimmen und zwischen vielen Meetings wechseln zu können.

Was haben Sie studiert und wie kam es dazu, dass Sie promoviert haben, bevor es in die Praxis ging?

Ich habe im Magister Anglistik im Hauptfach sowie Germanistik und Geschichte im Nebenfach studiert. Zudem habe ich Politikwissenschaft im Hauptfach als Zusatzstudium studiert. Meine Magisterarbeit habe ich in Anglistik geschrieben und während des Studiums diverse Praktika- und Auslandserfahrungen gesammelt. Einer dieser Auslandsaufenthalte hat mich nach Indien geführt, wo ich eine Abschlussarbeit zu englischsprachigen Literaturen in Indien geschrieben habe. Dies hat mich im Anschluss nach Potsdam gebracht, da mich ein damaliger Professor aus Tübingen gefragt hat, ob ich ihm als wissenschaftlicher Mitarbeiter dorthin begleiten möchte. Er bot mir an, aufbauend auf meiner Masterarbeit eine Doktorarbeit zu schreiben. Das war Zufall, da ich nicht fest vorgehabt hatte, eine Promotion zu machen. Somit habe ich teilweise als Mitarbeiter für die Uni Potsdam, teilweise in einem EU-Projekt, auf das ich mich beworben hatte, zum Thema Global History geforscht, von 2009 bis 2014 an meiner Doktorarbeit gearbeitet, zusätzlich gelehrt und zeitweise auch im Ausland in dem EU-Forschungsprojekt gearbeitet.

„Zusammen mit einer Freundin habe ich während meiner Auslandaufenthalte
festgestellt, dass es für internationale Studierende nicht einfach ist, in Deutschland
einen Job zu finden. Deswegen dachten wir uns, dass wir etwas in diesem
Bereich unternehmen müssten.“

 

Sie haben auch ein Unternehmen gegründet. Wann wussten Sie, dass es Zeit für eine Unternehmensgründung ist und wie sind Sie diese angegangen?

Zusammen mit einer Freundin habe ich während meiner Auslandaufenthalte festgestellt, dass es für internationale Studierende nicht einfach ist, in Deutschland einen Job zu finden und eine Diskrepanz zwischen vielen internationalen Studierenden an den Universitäten und Jobchancen auf dem Arbeitsmarkt bestand. Deswegen dachten wir uns, dass wir etwas in diesem Bereich unternehmen müssten. Als ich 2014 mit der Doktorarbeit fertig war, bewarb ich mich auf eine Stelle beim DAAD, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst, von dem ich als Büroleiter nach Indien geschickt wurde. Dort habe ich drei Jahre Büros in Indien geleitet, und den Studien- und Forschungsstandortstandort Deutschland vertreten. In diesem Zusammenhang habe ich mich mit dem Thema Übergang in den Arbeitsmarkt befasst. Nach diesen drei Jahren bin ich zurück nach Deutschland gekommen und hatte den Plan, dass ich mich mit dieser Schnittstellenarbeit gemeinsam mit der Freundin selbstständig machen möchte. Das haben wir getan und ein kleines Unternehmen gegründet. Zur finanziellen Stabilisierung habe ich zusätzlich auf einer halben Stelle im Studierendenmarketing an der FU Berlin mitgearbeitet. Irgendwann lief es mit unserem Unternehmen gut genug, dass wir uns ein Gehalt bezahlen konnten. Dann habe ich den Job an der Uni aufgegeben und mich Vollzeit um unser Unternehmen gekümmert.

Wie kam es dazu, dass Sie dann in den HR-Bereich gewechselt sind?

Während der Corona-Pandemie wurde innerhalb weniger Monate klar, dass dieses Unternehmen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr funktioniert, sodass ich mir wieder einen Job suchen musste. Ich bin dann bei einem unserer ehemaligen Kunden der Deutschen Bahn im Personalbereich mit klassischer Personalarbeit gelandet. Hier habe ich verschiedene Bereiche des Personalwesens kennengelernt und mich ausgehend davon auf die Stelle beworben, bei der ich jetzt bin. So bin ich jetzt in der Personalabteilung, arbeite jedoch zu Themen, die ich bereits in meiner Selbstständigkeit bearbeitet hatte.

Durch die Arbeit in der Wissenschaft, in der Gründung eines eigenen Unternehmens und Ihrer jetzigen Stelle im Personalbereich haben Sie vielfältige berufliche Welten kennengelernt. Wie hat es Sie von der Wissenschaft in die Praxis gezogen?

Während der Doktorarbeit habe ich die Freiheit und Flexibilität des wissenschaftlichen Arbeitens sehr genossen. Ich weiß jedoch nicht, ob ich die Doktorarbeit ohne Finanzierung geschrieben hätte. Anders als andere Wissenschaftler in meinem Umfeld hatte ich nicht den Impuls, den andere Wissenschaftler*innen vielleicht haben, zu sagen Forschung: „That's my life! Ich kann mir das für den Rest meines Lebens vorstellen“. Das hatte sich im Rahmen der Doktorarbeit auch so bestätigt. Lehre hat mir viel Spaß gemacht. Das habe ich auch in anderer Form in der Selbstständigkeit wieder gemacht. Klassischerweise macht man in der Wissenschaft weiter, ohne eine Garantie zu haben, dass man auch irgendwann mal irgendwo landet. Das war mir zu unsicher und dafür habe ich das wissenschaftliche Arbeiten nicht genug geliebt. Zusätzlich habe ich im Laufe meiner Karriere viel gewechselt, weil ich einfach Lust hatte, etwas Neues kennenzulernen. Ich glaube, viele Studierende und Promovierende, die ich kenne, können sich sehr mit der Unsicherheit und dem Gefühl von: Lohnt sich das alles noch, verbinden. Ich würde jedoch sagen, dass ich es unter der Voraussetzung dieser Rahmenbedingungen wieder so machen würde.

 

„Für mich bestand der Mehrwert der Elternzeit darin, dass ich mich auch einfach alleine um mein Kind kümmern kann.“

 

Sie haben für längere Zeit Elternzeit genommen. Was bedeutet das für Sie und Ihren beruflichen Werdegang?

Als ich beschlossen habe, dass ich so lange Elternzeit nehmen wollte, hatte ich Jobangebote vorliegen, bei denen ich kommunizierte, dass ich die Stelle nur annehmen könnte, wenn man auf mich wartet und im Anschluss in einem flexiblen Rahmen anstellt. Das hat nicht geklappt. In jeder Statistik kann man nachlesen, das Care-Arbeit hauptsächlich von Frauen gemacht wird. Nach wie vor. Natürlich ist es auch für Arbeitgeber schwierig, wenn sie jemanden einkalkulieren sollen, der erst in einem Jahr wiederkommt oder nach ein bis drei Jahre aussteigt und in Elternzeit geht.

Es gibt ja über die bezahlte Elternzeit hinaus die Möglichkeit, Elternzeit zu nehmen und den Anspruch auf die Stelle wieder zu haben, wenn man zurückkommt. Das ist gesetzlich geregelt und wird aber nicht so gerne vorgenommen, weil es kompliziert und anstrengend ist. Gleichzeitig glaube ich jedoch, dass man diese Anstrengung auf sich nehmen muss, wenn man im Hinblick auf Gleichberechtigung in der Care-Arbeit etwas ändern möchte, egal, ob es um Kinder oder um ältere Menschen geht. Das gilt sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer*innen. Auch als Familie muss man sich bewusstmachen, dass es Geld kostet, sich dafür zu entscheiden. Für mich bestand aber der Mehrwert darin, dass ich mich auch einfach alleine um mein Kind kümmern kann.

 

„Ich habe nichts mit Elektrotechnik zu tun, und kannte die Branche
in der ich jetzt arbeite, nicht. Was ich aber am Personalwesen spannend finde, ist,
dass es diese Tätigkeit in so vielen Bereichen gibt, nämlich überall wo sich
Menschen in einem Arbeitskontext befinden.“

 

Was begeistert Sie an Ihrem Beruf?

Ich bin sehr stark von dem Wunsch getrieben etwas Neues zu lernen und bin ein großer Fan von dem Konzept des lebenslangen Lernens. Mein derzeitiger Job bietet mir sehr viele Möglichkeiten dies umzusetzen und immer wieder etwas Neues zu machen. Beispielsweise habe ich selbst einen geisteswissenschaftlichen Studienhintergrund. Im Moment habe ich jedoch primär mit Naturwissenschaftlern und Ingenieuren zu tun. Ich habe nichts mit Elektrotechnik zu tun, und kannte die Branche in der ich jetzt arbeite nicht. Was ich aber am Personalwesen spannend finde, ist, dass es diese Tätigkeit in so vielen Bereichen gibt, nämlich überall wo sich Menschen in einem Arbeitskontext befinden.

Was empfinden Sie als besonders herausfordernd?

Passend zu der vorherigen Antwort kann ich sagen, dass es natürlich leichter ist, wenn man mehr spezifisches Fachwissen und viele Connections besitzt. Das, was ich positiv hervorgehoben habe, führt im Umkehrschluss auch dazu, dass manchmal Grenzen da sind, bei denen man mit mehr Vorwissen, mehr bewegen könnte. Sich irgendwo neu einzuarbeiten hat auch den Nachteil, dass man erstmal verstehen muss, was da passiert. Das ist schon eine Herausforderung und man muss manchmal viel Geduld mitbringen. Zusätzlich sollte man anschließend trotz Repetitionen konzentriert bleiben können und nicht aufhören in die Tiefe zu gehen. Wenn man grundsätzlich eher oberflächlich gestrickt ist, funktioniert das nicht immer. Dies würde ich als individuelle Herausforderung für mich beschreiben, da ich mich manchmal zwingen muss, Sachen tiefergehend anzuschauen. 

Was sind Ihre Tipps für Berufseinsteiger*innen?

Ich glaube, ein Tipp wäre, dass man auf jeden Fall die Dinge machen sollte, die einem Spaß machen und auf die man Lust hat. Nur dann ist man auch gut drin und es ergeben sich Anschlussmöglichkeiten. Das klingt jetzt ein bisschen pathetisch, aber, wenn man seinem Herzen folgt, dann gibt es nicht diese Entscheidungen, die falsch sind, sondern es ergeben sich immer Möglichkeiten. Ich kann auf jeden Fall jedem und jeder nur raten: Lasst euch nicht hineinreden!

Mein nächster Punkt ist: Gerade, wenn man sehr viele Möglichkeiten hat, sollte man trotz unzähliger Optionen einfach mal in das kalte Wasser springen und sagen: „Ich mache das jetzt! Wenn mir das gefällt, ist das super. Und  vielleicht ergibt sich was Weiteres daraus. Wenn es mir nicht gefällt, dann mache ich was anderes.“

Ich glaube auch, dass es gut ist, sich für bestimmte Sachen zu committen. Vor allem beim Berufseinstiegskontext ist das schwierig. Alle wollen immer berufserfahrene Leute haben. Aber woher soll man die Berufserfahrung als Absolvent kriegen? Da kann ich nur den Tipp geben, etwas zu versuchen, selbst wenn es in einem Bereich ist, der nicht hundertprozentig dem Idealbild oder den Vorstellungen entspricht. Einfach versuchen irgendwo erst einmal unterzukommen, macht es tendenziell später einfacher, weil man mehr gesehen hat und dadurch besser feststellen kann ob es einem gefallen hat oder eben nicht. Aber auch die Arbeitgeberseite kann besser ablesen, was man bereits getan hat.

Mein letzter Punkt ist, dass ich eine Lanze für geistes- und sozialwissenschaftliche Studiengänge brechen möchte.  Ich finde nach wie vor, dass diese Studiengänge viele Dinge herausbilden und fördern, die man super gebrauchen kann. So ist es beispielsweise extrem nützlich, dass man sich in neue Themenfelder einarbeiten, komplexe Zusammenhänge herunterbrechen und gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge verstehen kann. Es wäre wirklich sehr schade, wenn alle nur noch die einschlägigen Studiengänge, die vermeintlich für berufliche Zwecke und die Karriere wichtig sind, studieren würden.

Das Interview wurde im März 2024 durchgeführt.

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