Warum braucht es eine Befragung zur Gesundheit von Studierenden?
Seiffert: Wir wollen so einen besseren Überblick über die Gesundheit der Studierenden der Universität Potsdam generell erhalten und gleichzeitig genug Daten sammeln, um die konkreten Herausforderungen in einzelnen Studiengängen herauslesen zu können. Eine Studie der Techniker Krankenkasse hat herausgefunden, dass sich die Zahl der Studierenden, die massiv erschöpft – also burnoutgefährdet – sind, zwischen 2015 und 2023 verdoppelt hat. Ob das auch an der Uni Potsdam zutrifft, können wir daraus nicht ableiten. Wir haben 2023 schon einmal eine kleine eintägige Umfrage im Zuge des Gesundheitstags durchgeführt. Gut ein Viertel der Teilnehmenden sagten, dass sie sich den „billigen Döner“ in Golm zurückwünschen. Den wünschen wir uns manchmal auch, aber wir brauchen, um etwas in Sachen Gesundheit verändern zu können, aussagekräftigere Ergebnisse. Diese erhoffen wir uns von „HAY! How are you?“.
Tschorn: Wir haben zudem eine Vorbefragung an der Uni Potsdam gemacht, bei der 36 Prozent erhöhte Depressionswerte hatten, das sind mehr als ein Drittel. Das war allerdings nur eine Stichprobe mit rund 180 Teilnehmenden. Zudem kann man bei einer Studie zum Thema psychische Gesundheit von einem gewissen Bias ausgehen: Das bedeutet, dass viele Menschen teilnehmen, die sich aus eigener Betroffenheit mit dem Thema psychische Gesundheit auseinandergesetzt haben. Man sieht auch in der Literatur, dass Depressivität bei Studierenden häufiger ist als in der Gesamtbevölkerung. Aber wir haben noch zu wenig Daten zur Uni Potsdam im Speziellen, die ein paar Besonderheiten hat. Zum Beispiel, dass die Hälfte der Studierenden in einer anderen Stadt wohnt, nämlich in Berlin.
Seiffert: Hinzu kommen Themen, die gar nicht auf den ersten Blick Gesundheitsthemen sind, wie die Finanzierung des Studiums oder – in Potsdam und Berlin gleichermaßen – das Thema Wohnraum. Und ich glaube, wir können alle gut nachfühlen, dass Corona eine Art Zeitenwende war und seither eine Krise auf die nächste folgt. Wir fragen, mit welchen ganz eigenen Herausforderungen Studierende es zu tun haben und welche Ressourcen sie benötigen, um Belastungen besser zu überstehen. Wir möchten zeigen, dass solche Themen keine reine Privatsache sind und dass darüber gesprochen werden muss.
Erwarten Sie große Unterschiede zwischen den einzelnen Fakultäten?
Tschorn: Genau diese Frage wollen wir mit dieser Umfrage angehen. Die Stichproben bisheriger Befragungen waren zu klein, um diese nach Fakultäten untersuchen zu können. Wir wissen aber, dass sich die Populationen der Fakultäten deutlich unterscheiden. Das fängt beim Geschlecht an und geht bis hin zu den finanziellen Ressourcen.
Seiffert: Wir wollen auch mehr über das Stresserleben und das Gesundheitsverhalten an den einzelnen Fakultäten herausfinden, um dann gezielt mit ihnen zusammenzuarbeiten und Maßnahmen zu entwickeln, wo sie gebraucht werden. Wir wissen von den Kollegen an der Freien Universität Berlin, dass die Unterschiede zwischen den verschiedenen Studiengängen riesengroß sind. Die Curricula der Fächer sind auch sehr verschieden, was zu einem unterschiedlichen Stresserleben im Studium führt.
Wie sollen die Ergebnisse der Studie implementiert werden?
Seiffert: Die Befragung ist die erste von drei Phasen. Mit diesem Mix-Methods-Ansatz haben wir die Möglichkeit, unsere Forschungsfrage aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. In der zweiten Phase wollen wir Expert*innen-Interviews mit Menschen führen, die Studierende und Lehrende beraten, um dann in der dritten Etappe Fokusgruppen mit Studierenden zu bilden und konkret zu fragen: Was brauchen diejenigen, die von den genannten Problemen betroffen sind?
Tschorn: Unsere Vision ist ein Stakeholder-Gremium, in dem vor allem Studierende sitzen, in das aber auch die Universitätsleitung und Akteure aus der Hochschulpolitik einbezogen werden. Gemeinsam mit Expert*innen für den Transfer von Forschungswissen in Politik und Verwaltung wollen wir dann die Befunde analysieren und Handlungsempfehlungen erarbeiten.
Seiffert: Mein großes Ziel ist es, das Thema Gesundheit im Grundstudium oder in „Studiumplus“, also bei den Schlüsselqualifikationen zu verankern. So wie man Seminare zum wissenschaftlichen Arbeiten absolvieren muss, hätten wir dann zum Beispiel einen Kurs zu den Themen Resilienz, mentale Gesundheit, Umgang mit Stress und ganz allgemein der Organisation des Studiums. Studieren kann stressig sein, das wird sich auch nicht ändern. Aber wie man damit umgeht, das ist etwas, wo die Studierenden noch mehr an die Hand genommen werden sollten.
Die Befragung läuft vom 15. April bis zum 15. Juni 2025. Weitere Informationen und Teilnahme unter: