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Der Geowissenschaftler Prof. Dr. Martin Trauth antwortet auf die Frage: Was hat Klimawandel mit den Pyramiden in Ägypten zu tun?

Illustration zum Thema "Was hat Klimawandel mit den Pyramiden in Ägypten zu tun?"
Quelle : Andreas Töpfer
Vor ungefähr 15.000 bis 5.000 Jahren vor unserer Zeit lebten Menschen entlang von Flussläufen und Seen in einer grünen Sahara.

Wir kennen alle Bilder von den drei großen Pyramiden von Gizeh oder waren sogar schon mal da, beeindruckt von der Größe der Bauwerke. Und natürlich auch davon, dass diese vor mehr als 4.500 Jahren aus tonnenschweren Blöcken von Kalkstein und Granit gebaut wurden. Die Natursteine kamen vor allem aus einem Steinbruch direkt neben den Pyramiden, andere aber wurden über den Nil zur Baustelle transportiert.

Heute liegt der Fluss ein Stück entfernt. Wie ein grünes Band, gesäumt von Feldern, schlängelt er sich vom Äthiopischen Plateau bis zum breiten Delta im Norden durch die nordöstliche Sahara. Wir wissen aber, dass er während der Bauzeit der Pyramiden von Gizeh weiter westlich verlief und die Baustelle über Kanäle und einen Hafen mit dem Fluss verbunden waren.

Die Geschichte des alten Ägyptens beginnt aber eigentlich viel früher, als die Sahara noch keine Wüste war. Vor ungefähr 15.000 bis 5.000 Jahren vor unserer Zeit lebten Menschen entlang von Flussläufen und Seen in einer grünen Sahara – Grund war das deutlich feuchtere Klima in dieser Epoche. Das Niltal wiederum dürfte damals weniger populär gewesen sein, denn es war eine recht sumpfige Gegend und man lief Gefahr, von Krokodilen gefressen oder zumindest von durstigen Moskitos heimgesucht zu werden.

Seit vielen Jahren schon beschäftigt sich die Forschung mit der Frage, wie lange die Menschen Zeit hatten, die zunehmend gelbe Sahara in Richtung Nil (und später auch weiter nach Süden) zu verlassen. Veränderte sich das Klima abrupt innerhalb weniger Jahrzehnte oder eher langsam, etwa über ein Jahrtausend hinweg? Auch fragte man sich, ob das Austrocknen der Sahara überall gleichzeitig geschah oder von Westen nach Osten, von Norden nach Süden.

Mit einem Bohrprojekt in einem ausgetrockneten See in der Nähe der Quellen des Nils im Äthiopischen Plateau sind wir dieser Frage (und vielen weiteren) nachgegangen. Die gute Nachricht: Die Menschen hatten mehr als 1.000 Jahre Zeit, der See verschwand nicht über Nacht. Die schlechte Nachricht: Während dieser Zeit spielte das Klima regelrecht verrückt, es „flackerte“, wie wir sagen, schwankte wild zwischen extremer Dürre und extremer Feuchtigkeit hin und her, bis es sich auf dem heutigen trockenen Niveau einpendelte.

Weiter nördlich drängten sich mehr und mehr Klimaflüchtlinge aus der Sahara im schmalen, grünen Band des Nils. Man kann sich gut ausmalen, was dieses Klimaflackern für die Menschen bedeutete, die gerade damit begannen, sesshaft zu werden und frühe Äcker anzulegen. Eben noch stand ausreichend Wasser für den Ackerbau zur Verfügung, doch nur wenige Jahre später wurden die Felder überflutet – oder trockneten aus.

Aber, der Klimastress provozierte möglicherweise auch die notwendige Innovationskraft für die Entstehung einer der erstaunlichsten Kulturen der Menschheitsgeschichte, die bereits 1.000 Jahre nach dem Ende der grünen Sahara den Bau der drei großen Pyramiden von Gizeh schaffte.

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Zwei 2024 „Europa“ (PDF).