Obwohl bereits seit langem als Auslöser für zahlreiche Erkrankungen wie Diabetes, Herzinfarkt oder gar Krebs bekannt, ist Adipositas erst seit 2020 in Deutschland als eigenständige Krankheit offiziell anerkannt. Mit rund 16 Millionen Menschen allein in Deutschland und mehr als einer Milliarde Menschen weltweit ist krankhaftes Übergewicht von der Weltgesundheitsorganisation bereits als Epidemie bezeichnet worden. Von Adipositas spricht man bei einem Body-Mass-Index von über 30. Mangelnde Bewegung und ungesunde Ernährung gelten häufig als Ursache für die chronische Erkrankung. Die Mechanismen im Körper, die zu Adipositas führen und bei der Krankheit auftreten, sind allerdings vielschichtiger.
Die Insulinempfindlichkeit des Gehirns steht im Zusammenhang mit langfristiger Gewichtszunahme und ungesunder Körperfettverteilung. Welche Prozesse spielen sich dabei im Gehirn genau ab und welche Auswirkungen hat die Insulinwirkung im Gehirn auf normalgewichtige Menschen? Dieser Frage gingen Prof. Dr. Stephanie Kullmann aus der Tübinger Universitätsklinik für Diabetologie, Endokrinologie, Nephrologie und ihr Team in ihrer Studie auf den Grund. „Unsere Ergebnisse zeigen erstmalig, dass bereits eine kurzzeitige Einnahme von hochverarbeiteten, ungesunden Lebensmitteln (z.B. Schokoriegel und Chips) zu einer gravierenden Veränderung im Gehirn von gesunden Menschen führt und dies als Ausgangpunkt von Adipositas und Typ-2-Diabetes gelten kann“, erläutert Studienleiterin Prof. Kullmann. Im gesunden Zustand hat Insulin im Gehirn eine appetitzügelnde Wirkung. Insbesondere bei Menschen mit Adipositas reguliert das Insulin das Essverhalten allerdings nicht mehr richtig, eine Insulinresistenz entsteht. „Interessanterweise zeigt das Gehirn bei unseren gesunden Studienteilnehmern eine ähnliche Abnahme der Empfindlichkeit gegenüber Insulin nach kurzzeitiger hoher Kalorienzufuhr wie bei Menschen mit krankhaftem Übergewicht“, stellt Stephanie Kullmann fest. „Dieser Effekt ist sogar eine Woche nach Rückkehr zu einer ausgewogenen Ernährung zu beobachten.“
An der Studie nahmen 29 männliche Freiwillige mit Normalgewicht teil, die in zwei Gruppen eingeteilt wurden. Die erste Gruppe musste an fünf aufeinanderfolgenden Tagen zu ihrer normalen Ernährung zusätzlich 1500 kcal in Form von hochverarbeiteten, kalorienreichen Snacks zu sich nehmen. Die Kontrollgruppe verzichtete auf die zusätzlichen Kalorien. Nach einer Eingangsuntersuchung wurden beide Gruppen an zwei unterschiedlichen Zeitpunkten untersucht. Eine Untersuchung erfolgte direkt nach der fünftägigen Phase und eine zweite nachdem die erste Gruppe sieben Tage lang wieder zu ihrer normalen Ernährung zurückgekehrt war. Mittels Magnetresonanztherapie (MRT) untersuchten die Forschenden die Insulinempfindlichkeit im Gehirn sowie den Fettgehalt der Leber. Nicht nur stieg dieser bei der ersten Gruppe nach fünftägiger erhöhter Kalorienzufuhr signifikant an. Erstaunlicherweise hielt auch die deutlich geringere Insulinempfindlichkeit im Gehirn im Vergleich zur Kontrollgruppe eine Woche nach Rückkehr zur normalen Ernährung an. Dieser Effekt war bislang nur bei krankhaft übergewichtigen Menschen zu beobachten.
Link zur Publikation: Kullmann, S., Wagner, L., Hauffe, R. et al. A short-term, high-caloric diet has prolonged effects on brain insulin action in men. Nat Metab (2025). https://doi.org/10.1038/s42255-025-01226-9
Link zur Pressemeldung Universitätsklinikum Tübingen: https://www.medizin.uni-tuebingen.de/de/das-klinikum/pressemeldungen/meldung/699
Kontakt:
Dr. Robert Hauffe
Institut für Ernährungswissenschaft, Universität Potsdam
E-Mail: rhauffeuuni-potsdampde
Tel.: 033200/88-5231