Auf den ersten Blick fällt die schwarze Tinte auf, die sich in fremden und bekannten Schriftzeichen über das weiße Papier der Kunstwerke zieht. Eine schwarz-weiße Ansammlung, in der sich dennoch einige farbige Motive erkennen lassen. Jedes birgt vertraute Elemente, vermischt mit Unbekanntem, was zum Nachdenken anregt. Was war am Ende die Intention? Was wollten die Studierenden ausdrücken? Manches wird erklärt, anderes bleibt offen.
Die Ausführung der Arbeiten ist sehr unterschiedlich, da das gestellte Thema viel Raum für Kreativität und individuelle Interpretationen ließ. Collagen, Zeichnungen, Schriftdesign und sogar räumliche Objekte finden sich in der Sammlung. Trotz der großen Vielfalt bleibt die „Schrift“ als Kernthema immer präsent.
Eine Reihe von simplen Zeichnungen mit scheinbar nicht zusammenhängenden Begriffen sticht hervor, zum Beispiel ist ein gemaltes Vorhängeschloss kombiniert mit dem Wort „Roboter“ oder ein Handy mit dem Wort „Pflaster“. Welche Verbindung besteht zwischen Wort und Bild? Ein Gedankenspiel verpackt als Kunstwerk.
Auch die Collage wird als Medium genutzt, um den Zusammenhang von Schrift und Bild zu zeigen. Viele verschiedene Papiere und Materialien wie Plastik, Folie oder Karton bilden die Grundlage der Kunstwerke und ermöglichen einen sehr freien und intuitiven Zugang. Die verwendete Schrift wirkt oft speziell – eine Mischung aus Handschrift und kryptischen Linien.
Daneben kann auch ein Objekt bestaunt werden: eine aus Papier gefertigte Regenwolke, deren Tropfen Buchstaben eines Gedichts enthalten, das sich denen offenbart, die genau hinschauen und lesen. Eine Zeichnung an der Wand zeigt als Teil des Kunstwerks das ostasiatische Symbol für die Ame Onna.
Ame Onna, auf Japanisch „Regenfrau“, setzt sich aus den Kanji für „Regen“(雨) und „Frau“(女) zusammen. Dieser japanische Yōkai (mythologisches Wesen) lässt sich in beiden Arbeiten erkennen. Während die Regenwolke die Regenfrau gewissermaßen symbolisiert, ist das Zeichen ein weiteres Schriftexperiment, bei dem beide Kanji kombiniert werden, um ein „Neues“ zu bilden.
Auch in anderen Arbeiten und besonders in den Ausführungen des Dozenten Dirk Lange ließ sich ein starkes Interesse am ostasiatischen Schriftsystem erkennen. Lange ist freiberuflicher Künstler und Kenner des chinesischen Schulsystems. Bei der Vernissage zur Ausstellung betonte er die Bedeutung von Kalligraphie und Schrift in der ostasiatischen Kultur und beklagte, dass diese Kunst in Europa kaum mehr eine Rolle spielt. Eine gute Handschrift sei selbst in Zeiten der Digitalisierung äußerst wichtig und sollte auch in Zukunft weiter gelehrt werden, ist er überzeugt.
Die Handschrift in der Kunst und weitere interessante Themen wie das Zerschneiden und Zusammenfügen von Wörtern oder die Transparenz und Vorahnung schriftsprachlicher Elemente werden kreativ aufgefasst und in der Ausstellung präsentiert – teils hängend in einer Installation, teils liegend in zwei Vitrinen. Zu sehen ist das Ganze noch bis zum 7. März im Foyer des IKMZ auf dem Campus Golm.
Erik Frey, Schülerpraktikant vom Einstein-Gymnasium Potsdam