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Brücken bauen in Europa – 30 Jahre Deutsch-Französischer Studiengang Rechtswissenschaften

Justizia hält die Waagschale.
Foto : AdobeStock/Axel Bückert
Den Deutsch-Französischen Studiengang Rechtswissenschaften haben die Universitäten Potsdam und Paris Nanterre 1994 gemeinsam initiiert – vor mittlerweile 30 Jahren.

Recht ist Recht, oder? Aber wie Sprache und Kultur sind auch Gesetze und deren juristische Umsetzung von Land zu Land verschieden. Selbst zwischen Nachbarländern wie Deutschland und Frankreich gibt es Unterschiede, die zu Missverständnissen und Problemen führen können – und Übersetzer brauchen, die sich in beiden Welten auskennen und Lösungen finden, die hier wie dort Bestand haben. Solche Brückenbauer bildet der Deutsch-Französische Studiengang Rechtswissenschaften aus, den die Universitäten Potsdam und Paris Nanterre 1994 gemeinsam initiiert haben – vor mittlerweile 30 Jahren.

„Seit seiner Gründung haben fast 3.000 Juristinnen und Juristen den Studiengang absolviert“, sagt Prof. Dr. Michael Sonnentag, der das Programm verantwortet. Manche von ihnen wählten diesen Weg, weil sie aus deutsch-französischen Familien kämen und schon länderübergreifende Schulabschlüsse gemacht hätten, so der Jurist. Andere sind kulturell interessiert – wie Valentin Poirot. „Ich wollte mehr als nur Jura studieren und hatte eine besondere Affinität zu Deutschland und seiner Kultur“, sagt der Franzose. „Das Studium bereitet uns auf alle juristischen Berufe vor und bietet uns eine fantastische Weltoffenheit.“ Tatsächlich seien viele der Absolventinnen und Absolventen inzwischen in länderübergreifenden Institutionen und Einrichtungen tätig, so Michael Sonnentag. „Sie tragen so zum Gelingen des deutsch-französischen Rechtsverkehrs und sicher auch dem Zusammenwachsen Europas bei.“

Ungewöhnlich offen

Das Einzigartige dieser deutsch-französischen Koproduktion: Die Studierenden lernen parallel beide Rechtssysteme kennen, und zwar gleich mehrfach. So werden die ersten beiden Jahre in Potsdam absolviert, das dritte in Nanterre, wobei an beiden Hochschulen auch Lehrende aus dem jeweils anderen Land tätig sind. Eine Besonderheit, die bei den Studierenden ankommt, wie Camille Morel hervorhebt, die 2022 ihren Bachelor gemacht hat. „Ein solcher Studiengang bietet die Möglichkeit, ein anderes Land intensiv kennenzulernen“, sagt sie. „Kulturelle Besonderheiten können manchmal zu Missverständnissen führen, die mit der Kenntnis beider Rechtssysteme erfolgreich überwunden werden können.“

Wer immer wieder vergleichend arbeite, entwickle eine große Offenheit für beide Rechtssysteme, betont auch Michael Sonnentag: „Dadurch erkennen die Studierenden sehr früh, dass dasselbe Problem in verschiedenen Rechtsordnungen rechtlich auf sehr unterschiedliche Art und Weise gelöst werden kann, ohne dass die eine oder andere Lösung richtig oder falsch wäre, sie ist letztlich einfach nur anders.“

Diese Offenheit sei ungewöhnlich in den Rechtswissenschaften, findet Camille Morel. Aber wichtig, „da sie einem erlaubt, über konventionelle Wege hinauszudenken. Durch seine interkulturelle Perspektive fördert der Studiengang das gegenseitige Verständnis – und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit in internationalen Teams.“

Schon das Studium selbst biete einen ungewöhnlich familiären Rahmen, sagt Michael Sonnentag. „Die Studierenden eines jeweiligen Jahrgangs sind eine relativ kleine Gruppe, in der sich untereinander alle sehr gut kennen und vernetzt sind.“ Diese Verbindungen halten nicht selten weit über das Studium hinaus, betont auch Camille Morel: „Ich stehe noch in Kontakt mit mehreren ehemaligen Kommilitonen, und diese Freundschaften werden sicher noch viele Jahre bestehen bleiben.“

Botschafter bleiben

Der Ruf, Türen in beiden Ländern und auf europäischer Bühne zu öffnen, eilt dem Studiengang ebenso voraus wie das Siegel ausgezeichneter Qualität. Die Berufswege der Absolventinnen und Absolventen sind vielfältig, wie Michael Sonnentag darlegt. „Etliche arbeiten in deutsch-französischen Kanzleien, andere in internationalen Unternehmen beziehungsweise ganz allgemein mit Bezügen zum deutsch-französischen Rechtsverkehr. Es gibt auch welche, die Übersetzer beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg werden oder bei der Europäischen Kommission in Brüssel oder in anderen internationalen Organisationen arbeiten. Karrierefördernd ist der Deutsch-Französische Studiengang in jedem Fall.“

Und manche kehren auch nach Potsdam zurück – wie Camille Morel, die für ihren sehr guten Bachelorabschluss 2023 mit dem Wolf-Rüdiger-Bub-Preis ausgezeichnet wurde. Nach einem Masterprogramm hat sie einen Master in Internationalem Privatrecht und Handelsrecht an der Universität Paris Panthéon-Assas absolviert und will ab dem Wintersemester 2024/2025 an der Universität Potsdam promovieren, voraussichtlich im Cotutelle-Verfahren.

Aber egal, wo sie ihr Weg auch hinführt: Mit ihrer grenzüberschreitenden Expertise und ihren Erfahrungen aus Potsdam und Nanterre sind Valentin Poirot, Camille Morel und all die anderen zu Botschafterinnen und Botschaftern für europäisches Recht geworden. Und für die Idee hinter dem Staatenbund gleichermaßen. Auch Valentin Poirot beschreibt sein deutsch-französisches Jurastudium als ein Kind und zugleich Förderer des europäischen Gedankens: „Diese Studiengänge sind von entscheidender Bedeutung, da sie die Dynamik des europäischen Projekts und die Idee einer gemeinsamen Kultur widerspiegeln.“

Das wiederum wirke auch auf die Universität zurück, sagt Michael Sonnentag. „Unser Studiengang ist ein bedeutsames Aushängeschild und wichtig für die internationale Ausrichtung der Universität Potsdam. Ohne ihn wäre EDUC, die Digital European UniverCity, nicht entstanden.“


Michael Sonnentag ist Professor für Bürgerliches Recht und Internationales Privatrecht an der Universität Potsdam.

Camille Morel studierte den Deutsch-Französischen Studiengang Rechtswissenschaften und wird ab dem Wintersemester 2024/25 an der Universität Potsdam promovieren.

Valentin Poirot studierte den Deutsch-Französischen Studiengang Rechtswissenschaften.


­Deutsch-Französischer Studiengang Rechtswissenschaften: https://jura-potsdam-paris.de/

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Zwei 2024 „Europa“ (PDF).