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Zug um Zug – Para-Schwimmerin Verena Schott zwischen Weltspitze und Lehramtsstudium

Verena Schott beim Schwimmen.
Foto : Signe Ungermand
Bei den Paralympischen Spielen 2024 ging Verena Schott über fünf Strecken an den Start.

Eintauchen, im Becken Bahnen ziehen, allein gegen die Uhr oder im Wettkampf gegen andere. Schwimmen gehört für Verena Schott dazu, eigentlich schon immer. Mit acht Jahren begann die gebürtige Greifswalderin mit dem Vereinssport und biss sich fest. Seit einem Verkehrsunfall mit 13 Jahren ist sie inkomplett querschnittsgelähmt – und blieb dem Wasser dennoch treu. Diese Leidenschaft und Beharrlichkeit führten sie nur wenige Jahre später auf die ganz große Bühne des Schwimmsports: Bei den Weltmeisterschaften 2010 wurde Verena Schott über 200 Meter Lagen und 100 Meter Brust jeweils Zweite. Zwei Jahre später gewann sie bei den Paralympischen Sommerspielen 2012 in London eine Silbermedaille – wofür sie mit dem Silbernen Lorbeerblatt, der höchsten sportlichen Auszeichnung in Deutschland, geehrt wurde. 2021 in Tokio holte sie gleich dreimal Bronze.

Insgesamt 35 Medaillen bei Großereignissen: Erfolge, die ihr nicht zufliegen. Ohne tägliches Training geht nichts. Vormittags von halb neun bis zwölf Uhr, danach Physiotherapie, an manchen Tagen gibt es nachmittags eine zweite Runde. An Wochenenden stehen häufig Wettkämpfe an – oder noch mehr Training. Eine Bürde? „Nein, ich schwimme gern“, sagt sie. „Natürlich gibt es Tage, an denen es mehr Spaß macht als an anderen. Aber das gehört dazu.“

Leistungssport und Familie

Die 35-Jährige lebt in Berlin, trainiert aber am Para-Bundesstützpunkt in Potsdam und startet für den Brandenburgischen Präventions- und Rehabilitationssportverein. Ihr Trainer Maik Zeh ist zugleich ihr Lebensgefährte, mit dem sie zwei Kinder hat. Nicht selten verabschieden sie sich morgens am Frühstückstisch und sehen sich später in der Halle wieder. Während er noch Pausenbrote schmiert, ist sie schon im Becken – oder umgekehrt. Leistungssport und Familie: Das klappt nur, wenn alles passt. Ihre beiden Söhne hat die Leistungsschwimmerin einfach „angesteckt“. Der Ältere geht bereits auf eine Sportschule. Kaum vorzustellen, dass der zweite nicht folgt.

Doch Verena Schott will noch mehr: Sie studiert an der Uni Potsdam Biologie und Chemie auf Lehramt. Wie das geht? „Gar nicht“, sagt sie. „Irgendwas bleibt immer auf der Strecke.“ Und trotzdem zieht sie es durch. Dabei hilft ihr auch, dass sich die Uni als Partnerhochschule des Spitzensports versteht und duale Karrieren von Sportler*innen unterstützt: „Sonst könnte ich nicht studieren.“ Vor allem der Ausbau der digitalen Lehre sei ein Segen: „Die meisten Veranstaltungen finden während der Trainingszeiten statt. Die könnte ich gar nicht besuchen.“ Aber dank der aufgezeichneten Vorlesungen, digitalen Arbeitsmaterialien und Online-Veranstaltungs- und Prüfungsformate könne sie Trainings- und Studienphasen so planen, dass es passt. Außerdem hätten viele Dozierende Verständnis für ihre besondere Situation, suchten mit ihr nach Lösungen abseits üblicher Studienwege. „Ich habe an der Uni Potsdam viel Hilfe bekommen, was toll ist, denn sonst würde ich das nicht schaffen.“ Gleichzeitig gebe es durchaus noch Luft nach oben, findet die Para-Schwimmerin. „Manchmal stellt sich jemand quer und will mir nicht entgegenkommen. Oder ich erlebe, wenn ich vor Ort bin, dass eben doch vieles nicht barrierefrei ist.“ Trotzdem hat sie ihr Ziel, Lehrerin zu werden, weiter fest im Blick – und freut sich darauf, eines Tages zu unterrichten.

Schwimmen in der Weltspitze

Noch aber ist das Becken der Ort für die besonderen Momente. Wie bei den Olympischen Spielen. „Das Flair, das Umfeld und die vielen Sportler*innen der anderen Disziplinen – das alles macht die Spiele zu etwas Besonderem“, sagt sie. Auch wenn sie als Schwimmerin oft nicht viel davon hautnah erleben kann, da nahezu täglich Wettkämpfe anstehen. Bei den Paralympischen Spielen in Paris im Sommer 2024 ging sie über fünf Strecken an den Start. Der Sommer hatte für Verena Schott furios begonnen: Bei den Europameisterschaften auf Madeira (Portugal) im Mai gewann sie gleich fünf Medaillen: zweimal Gold, einmal Silber und zweimal Bronze. Entsprechend hoch waren die Hoffnungen für Paris. Doch die Para-Schwimmerin ging gehandicapt an den Start: Ein hartnäckiger Infekt hatte ihr die finale Vorbereitung erschwert. Am Ende reichte es zwar nicht fürs Treppchen, aber es stand ein 5. Platz über 100 Meter Brust als bestes Ergebnis zu Buche. Für Verena Schott kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. „Die Leistungen in der Weltspitze sind so dicht beieinander. Da kann es nicht immer klappen“, sagt sie. Immerhin hat sie einmal mehr gezeigt, dass sie ganz vorn mitschwimmt – bei fünf Starts drei Finals erreicht – und sich auch von Hindernissen nicht aus der Bahn werfen lässt.

Verena Schott liebt die Herausforderung, den Wettkampf. Aber fair muss er sein. Gerade im Parasport durchaus eine knifflige Aufgabe. Wie sind die Sportler*innen und ihre Leistungen vergleichbar? „Das System ist noch nicht ausgereift und könnte deutlich besser werden“, findet die Schwimmerin. Es gebe zu viele verschiedene Arten von Beeinträchtigungen, die in ein relativ kleines System von Klassifizierungen passen müssen. „Da wird auch gemogelt. Ein passender Arztbericht und schon landet man in einer günstigeren Startklasse.“ Ziel müsse es sein, das zu verhindern. „Wir wollen nicht nur sauberen Sport in Sachen Doping, sondern auch fair gegeneinander antreten.“


Verena Schott studiert an der Universität Potsdam Biologie und Chemie auf Lehramt und ist Leistungssportlerin.

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Zwei 2024 „Europa“ (PDF).