Mehr als ein Lernort
An lodernden Sonnenblumenfeldern, stillen Dörfern, frischen Wiesen vorbei führt der Weg in den kleinen Ort, in dem rund 300 Menschen leben. Ein märkisches Dorf zwischen Nuthe und Baruther Urstromtal. Mittendrin – hellgrün gestrichen – die Grundschule, die viel mehr sein will als ein Lernort. Ein Hort für die Kinder, ein Entdeckungsraum, Spielplatz, ein sicheres Dach, unter dem sich alle frei entfalten sollen. Ein Haus, aus dem man hinauswandern kann in die Wälder, an Seen, auf die Weide, um Tiere und Pflanzen zu beobachten. Und in das man zurückkehren kann, um all das Mitgebrachte zu sortieren, einzuordnen und verstehen zu lernen. So hat es Lucia selbst erfahren, so will sie es weitergeben an „ihre“ Kinder.
Und das sind ab diesem Schuljahr die Mädchen und Jungen der vierten Klasse. Die Verantwortung scheut die junge Lehrerin nicht. Schon im vergangenen Schuljahr, ihrem ersten als fertig ausgebildete Lehrkraft, hat sie eine sechste Klasse von einer erkrankten Kollegin übernehmen müssen. „Das Wasser wird nicht wärmer, wenn man später springt“, sagt sie, hebt die Hände und lacht. Sie führte Elterngespräche, schrieb Gutachten, organisierte den Übergang in die weiterführenden Schulen und unterrichtete die volle Stundenzahl! „Nichts für schwache Nerven. Man muss in kurzer Zeit so viele Entscheidungen treffen, immerzu interagieren. Das braucht Energie und eine kräftige Stimme.“ Und die hat sie. Nicht nur in der Sporthalle, sondern auch im Englischunterricht, wenn sie als „Miss Stone“ am Smart Board neue Vokabeln erklärt. Sie sprüht. Ihre Augen blitzen. Die Funken springen über. So schafft sie es, in Beziehung zu treten. Zu den Kindern. Und zu den Eltern, die sie, wie auch andere Menschen aus dem nahen Umfeld, viel stärker in das Lernen einbeziehen möchte.
Modern und digitalisiert
Nicht wenige Ideen dafür hat sie aus dem Begleitprogramm zum Landlehrerstipendium mitgenommen, das die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) organisiert und darin Seminare zur Elternarbeit, zur Theater- oder Waldpädagogik, aber auch zu Achtsamkeit im Lehrberuf anbietet. Noch immer profitiert die 26-Jährige vom Netzwerk, das die ehemaligen und die derzeitigen Stipendiatinnen und Stipendiaten geknüpft haben, um ihre Erfahrungen auszutauschen.
Inzwischen wirbt Lucia Steinmeyer als Videobotschafterin für die Arbeit an den Landschulen, die so dringend auf gut qualifizierte Lehrkräfte warten. In einer Pressekonferenz saß sie neben dem Bildungsminister und argumentierte: Längst seien die Schulen so modern und digitalisiert wie andernorts, trotz ihrer überschaubaren Größe, die wiederum ein Vorteil sei, weil man sich untereinander besser kenne. Lucia lobt den Gemeinschaftssinn, die Nähe zur Natur und die kurzen Wege, ob zum Fußballverein oder zur Freiwilligen Feuerwehr. „Wenn die Kinder in der Schule ihren Fahrradführerschein machen, kommt die Polizei vorbei, um die Prüfung abzunehmen und schaut gleich, ob die Räder in Ordnung sind.“ Auch viele außerschulische Lernorte lägen quasi vor der Tür: „Das Grüne Klassenzimmer der Landesgartenschau in Beelitz zum Beispiel oder das Wildgehege im Glauer Tal“, zählt sie auf. Und dann gibt es ja auch noch die Mühle in Luckenwalde, zu der Lucia Steinmeyer immer einen Schlüssel hat.
Das Brandenburg-Stipendium für Landlehrerinnen und Landlehrer beträgt monatlich 600 Euro und wird bis zum Ende der verbleibenden Regelstudienzeit gezahlt. Die Studierenden verpflichten sich zu einer Lehrtätigkeit an einer zugeordneten Programmschule für mindestens die Dauer, die sie gefördert wurden. Das Stipendium soll ihnen ein fokussiertes Studium ermöglichen. Zusätzlich erhalten sie ein umfangreiches Begleitprogramm, das pädagogische Seminare umfasst, bei der Vernetzung vor Ort und im zukünftigen Landkreis unterstützt, Treffen mit den anderen Stipendiatinnen und Stipendiaten organisiert und bei konkreten Anliegen hilft.
Weitere Informationen:
https://mbjs.brandenburg.de/
Lucia Steinmeyer studierte Sport und Englisch an der Universität Potsdam und unterrichtet heute an der Grundschule in Zülichendorf.
Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Zwei 2024 „Europa“ (PDF).