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Fachlich kompetent, für den Beruf qualifiziert – Wie die Universität Potsdam dringend benötigte Lehrkräfte ausbildet

Physikdidaktiker Andreas Borowski
Foto : Thomas Roese
Physikdidaktiker Andreas Borowski

Überall fehlen Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen. Um dem großen Bedarf gerecht zu werden, hat die Universität Potsdam, gefördert vom Land Brandenburg, ihre Lehrkräftebildung stark ausgebaut. Zu den vorhandenen 650 Studienplätzen wurden 350 zusätzliche geschaffen und 20 neue Professuren besetzt. Ein Mammutprojekt, das ohne das Zentrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung (ZeLB) nicht zu bewältigen gewesen wäre. Dessen Direktor, der Physikdidaktiker Prof. Dr. Andreas Borowski, erklärt, worauf es jetzt ankommt.

Herr Borowski, Sie betonen stets, wie wichtig die fachliche Ausbildung der Lehramtsstudierenden ist. Warum?

Weil wir Fachlehrkräfte ausbilden, die ihr eigenes Fach verstanden haben müssen, um dies im Sinne des Rahmenlehrplans vermitteln zu können. Das wiederum lernen sie in der Fachdidaktik, die wir in den Studienordnungen deutlicher an der Praxis ausgerichtet haben. Beim Anteil der Fachdidaktik liegen wir übrigens bundesweit im oberen Bereich!

Stichwort Praxisbezug. Wie können die Studierenden frühzeitig Lehrerfahrungen sammeln?

Das Lehramtsstudium an der Uni Potsdam beinhaltet insgesamt fünf Schulpraktika, die von Hospitationen im ersten Studienjahr bis zum Praxissemester am Studienende reichen. Sie bauen aufeinander auf, sind mit den Lehrveranstaltungen verzahnt und werden gründlich vor- und nachbereitet. Ganz wichtige Partner dabei sind qualifizierte Mentorinnen und Mentoren an den Praktikumsschulen. Es gibt darüber hinaus ein Netz von Campusschulen.

Worum geht es dabei?

Das sind Schulen, mit denen wir zusammen mit Studierenden an konkreten Bildungsthemen forschen. Wir haben den Anspruch, das Lehramtsstudium nicht nur berufsorientiert, sondern auch forschungsbasiert zu gestalten, also eng mit den Bildungswissenschaften zu verknüpfen.

Warum ist es für die Lehramtsstudierenden wichtig, selbst zu forschen?

Sie begreifen dabei eine Forschungsmethodik, die sie später, insbesondere in der gymnasialen Oberstufe, ihren Schülerinnen und Schülern vermitteln müssen, um sie auf das akademische Arbeiten an einer Hochschule vorzubereiten. Außerdem sollen sie in der Lage sein, neueste bildungswissenschaftliche Erkenntnisse zu verstehen und in der Praxis umzusetzen. Möglichst ihr ganzes Berufsleben lang.

Welche Rolle kann dabei die für Potsdam geplante Universitätsschule spielen?

Sie wird für den Wissenstransfer extrem wichtig sein. Von der Inklusionspädagogik über digitale Bildung bis zur Lernförderung können hier neue Methoden erprobt werden, um sie dann auf andere Schulen zu übertragen. Es wird ein Leuchtturm für die Verbindung von Theorie und Praxis. Und definitiv kein Eliteprojekt! Vielmehr ein bestes Beispiel für schulisches Zusammenleben, das alle integriert.

Auch ein Ort für die Fortbildung?

Sicher, aber nicht der einzige. Gemeinsam mit dem brandenburgischen Landesinstitut für Schule und Lehrkräftebildung wollen wir für die Fortbildung ganz neue Strukturen aufbauen. Es reicht nicht aus, einmal im Jahr eine Veranstaltung zu besuchen. Vielmehr braucht es Zyklen mit mehreren Terminen, damit Lehrkräfte das neu Erworbene auch ausprobieren und darüber reflektieren können. Mit ihrem Qualifizierungsprogramm für geflüchtete Lehrkräfte hat die Universität Potsdam bundesweit Maßstäbe gesetzt.

Wie geht es hier weiter?

Wir werden diese wertvollen Erfahrungen nutzen und versuchen, daraus ein International Teachers Program zu entwickeln, um generell mehr Lehrkräfte aus dem Ausland für das deutsche Schulsystem zu qualifizieren. Vor dem Hintergrund zunehmender Migration wird es auch für die deutschen Studierenden immer wichtiger, interkulturelle und sprachliche Kompetenzen zu erwerben.

Wie zum Beispiel?

Im internationalen Studierendenaustauch oder innerhalb unserer europäischen Hochschulallianz EDUC. Eine Besonderheit aber ist, dass Potsdamer Lehramtsstudierende ihr Praxissemester im Ausland absolvieren können. Wir kooperieren dafür weltweit mit 16 Partnerschulen, von Indonesien über Ghana bis nach Kolumbien. Ziel hierbei ist es auch, ein Verständnis für globale Entwicklungen zu gewinnen.

Seit diesem Semester bildet die Universität Lehrkräfte für Berufsschulen aus. Warum?

Um zu helfen, den extrem hohen Bedarf im Land zu decken. Der Masterstudiengang qualifiziert Lehrkräfte für die Berufsfelder Technik und Wirtschaft. Interessant ist, dass hierfür kein lehramtsbezogenes Bachelorstudium erforderlich ist. Bei entsprechenden fachlichen Voraussetzungen ist der Studiengang damit offen für Studierende mit einem fachwissenschaftlichen Bachelor, zum Beispiel in den Ingenieurswissenschaften, im Maschinenbau und in der Elektrotechnik oder in den Wirtschaftswissenschaften.

Neu ist auch ein Master in „Digitaler Bildung“ …

An der Universität wird schon seit vielen Jahren daran geforscht, wie digitale Medien strukturiert in den Schulunterricht integriert werden können. Das fließt natürlich in die Lehrkräftebildung ein. Mit dem von Potsdam aus geleiteten Verbundprojekt „lernen:digital“ hat diese Entwicklung noch einmal einen Schub bekommen. Der neue Masterstudiengang soll Expertinnen und Experten hervorbringen, die für die digitale Transformation in der Bildung dringend benötigt werden.


Andreas Borowski ist Professor für Didaktik der Physik und Direktor des Zentrums für Lehrerbildung und Bildungsforschung an der Universität Potsdam.

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Zwei 2024 „Europa“ (PDF).