Im Juni 2024 haben zwei Studierende der Universität Potsdam das Teehaus im Park Sanssouci „vermessen“. Was haben Sie dort gemacht?
Sie haben mithilfe eines Laserscanners, einem rotierenden Laser, der auch als LiDAR bezeichnet wird, ein virtuelles 3D-Modell erstellt. Diese werden in verschiedenen Disziplinen eingesetzt und erlauben eine maßstabgetreue Umsetzung der realen Welt. Dabei werden z.B. Gebäude und Umgebung genau vermessen und in allen Dimensionen – inklusive der RGB Farben – erfasst. Als Anwendung mit einem terrestrischen Laserscanner haben wir das Chinesische Teehaus im Schlosspark Sanssouci gewählt.
Wie kam es dazu?
Das Projekt ist Teil des Moduls „Terrestrial and Airborne Lidar and Photogrammetry Systems“ im Masterstudiengang „Remote Sensing, geoInformation, and Visualization“. Auf diese Weise haben in den letzten Jahren UP-Studierende bereits mehrere Gebäude in Potsdam und Berlin in virtuelle 3D-Welten „verwandelt“, z.B. die Frauenkirche in Potsdam, das Belvedere im Charlottenburger Schloss in Berlin und den Flatowturm in Babelsberg. Die Studierenden lernen so ganz praktisch den Umgang mit 3D-Punktwolken und Netzen (meshes) und, wie man diese für Berechnungen verwenden kann. In den Erd- und Umweltwissenschaften gibt es viele Anwendungen von Lidardaten, z.B. zur Messung von Vegetationshöhen, zum Erstellen von Digitalen Geländemodellen bei denen die Vegetation herausgerechnet ist, oder bei der Volumen- und Biomassenberechnung für den CO2-Haushalt oder auch um das Waldbrandpotential zu bestimmen.
Was wurde – technisch-methodisch – genau gemacht?
Das Modul fokussiert sich auf den Umgang mit Punktwolken und anderen Darstellungen von räumlichen Daten, z.B. Voxel und Netzwerke (meshes). Dabei werden zwei Methoden eingesetzt, mit denen sich 3D-Punktwolken erzeugen lassen: Laserscanner und Photogrammetrie. 3D-Informationen, die mit einem Laserscanner generiert worden sind, sind häufig genauer und erlauben auch, Objekte zu erkennen, die sich hinter der Vegetation befinden, da die sehr kleinen Laserstrahlen zwischen Blättern hindurch die versteckten Bereiche ausleuchten können. Es handelt sich also um eine Methode, die vor allem eingesetzt werden, wenn die Ergebnisse sehr genau sein sollen oder eine dichte Vegetationsdecke den Einsatz alternativer Technologien erschwert. Eine andere Methode – die Photogrammetrie – basiert darauf, mehrere Fotos aus verschiedenen Blickrichtungen aufzunehmen. Mit ihrer Hilfe kann man Entfernungsmessungen vornehmen und sie zu 3D-Informationen zusammensetzen. Der Vorteil dieser Methode ist, dass sie auch mit handelsüblichen Kameras und Smartphones durchgeführt werden kann. Allerdings ist dafür eine Kamerakalibration notwendig und genaue Ergebnisse sind nur durch aufwendiges Prozessieren möglich.
Einige der 3D-Modelle der verschiedenen Gebäude wurden, wie beim Flatowturm, mit Drohnenflügen erstellt. Dabei fliegt eine Drohne – von einer Software gesteuert – im vorgegebenen Abstand um das Objekt und macht regelmäßige, einander überlappende Fotoaufnahmen, mit denen sich die 3D-Informationen errechnen lassen.
Welche Vorteile haben diese Technologien?
Der Vorteil der Photogrammetrie ist, dass die Hardware häufig kostengünstiger ist. Lasertechnologie ist dagegen teurer und aufwendiger, erzeugt aber genauere Ergebnisse, insbesondere bei Vegetationsbedeckung. Der Laserscanner sendet einen kurzen Laserimpuls und misst die Zeit, die der Laser vom Scanner zum Objekt und zurück verbraucht. Dadurch lässt dich die genaue Distanz ermitteln. Neue Technologien, die im Schlosspark Sanssouci auch zum Einsatz gekommen sind, erlauben die Distanzmessung mit bis zu 0.1 Millimeter Genauigkeit bei Entfernungen bis zu 50 Metern.
Wo werden solche Verfahren aktuell schon eingesetzt?
Hilfreich und bereits üblich sind solche Modelle in der Architektur und Archäologie, aber auch bei der Erfassung von Naturkatastrophen, Ausgrabungen von Fossilien oder dem Erstellen von virtuellen Geländeaufschlüssen. Moderne Lidarscanner werden sogar bei der Rekonstruktion von Unfällen eingesetzt. Häufig werden die 3D-Modelle mithilfe von einem 3D-Drucker ausgedruckt und skaliert.
An der Universität Potsdam arbeiten verschiedene Arbeitsgruppen in den Erd- und Umweltwissenschaften mit Laserscans und dem Erstellen von 3D-Informationen. So werden damit kriechende Bergstürze beobachtet und vermessen, Vegetationsveränderungen nach Waldbränden erfasst, Vegetationshöhen und Biomassen bestimmt, Bäume in Wald- und urbanen Gebieten gezählt, Versätze bei Erdbeben gemessen und – durch jährlich wiederholte Aufnahmen – Gletscherveränderungen berechnet.
Was ist damit künftig möglich?
Punktwolken, die 3D-Informationen enthalten, sind eine Zukunftstechnologie. Im Gegensatz zu 2D-Bildern enthält eine Punktwolke Farbinformationen, aber auch genaue Raumkoordinaten. Ein Bereich der Forschung fokussiert sich auf die Klassifizierung von Punktwolken – z.B. der Unterscheidung von Boden-, Vegetations- und Gebäudepunkten. Dafür kommen verschiedene räumlich-statistische Verfahren zum Einsatz und es wird auch maschinelles Lernen angewendet, um spezielle Objekte sicher zu identifizieren. Die wichtigste Anwendung liegt aber vermutlich im autonomen Fahren – denn die Entfernungsmessung eines selbstfahrenden Autos erfolgt durch mehrere verbaute Lidarsensoren. Hier ist die schnelle Punktklassifizierung wichtig, z.B. um Fahrradfahrer von der Fahrbahn zu unterscheiden.
Was haben die anderen Studierenden des Moduls vermessen?
Dieses Jahr haben Studierende unter anderem das neue Informatikgebäude in Golm vermessen, die Siegessäule in Berlin aufgenommen und ein altes Flugzeug auf dem Tempelhofer Feld erfasst. Wir haben aber auch andere Objekte, z.B. geologische Aufschlüsse oder Minerale, von denen sich die Strukturen erfassen lassen, in 3D-Modelle verwandelt.
Warum ist es wichtig, dass die Studierenden die Methoden selbst ausprobieren?
Es ist wichtig, dass sie ein Verständnis für 3D-Daten entwickeln – und dabei etwa erkennen, welche Kamerapositionen wichtig sind, um einen Gegenstand mit 3D-Raumkoordinaten zu versehen – und auch die Grenzen der Verfahren erkennen. Das geschieht mit eigenen Aufnahmen am besten.
Was machen Sie mit den Ergebnissen?
Die Ergebnisse sind nicht verifiziert und würden zur professionellen Verwendung noch unabhängige Referenzmessungen benötigen. Wir haben aber eine Webseite, auf der verschiedene Punktwolken der letzten Jahre – auch luftgestützte Aufnahmen – zu sehen sind.
Punktwolkenmodelle online:
Das Teehaus als Punktwolke: https://up-rs-esp.uni-potsdam.de/Potree_1.6/pointclouds/teehaus/chinteehaus_5mm.html
Der Campus Golm als Punktwolke: https://up-rs-esp.uni-potsdam.de/Potree_1.6/html/odm_golm.html
Das Gebäude des Instituts für Informatik und Computational Science in Golm als Puntkwolke: https://up-rs-esp.uni-potsdam.de/Potree_1.6/potree_files/Haus70/Haus70.html
Die Französische Kirche in Potsdam als Punktwolke: https://up-rs-esp.uni-potsdam.de/Potree_1.6/html/Potsdam_French_Church.html
Mit einem Flugzeug erstelle Lidarpunktwolke des Santa Cruz Insel in Südkalifornien als Puntkwolke: https://up-rs-esp.uni-potsdam.de/Potree_1.6/html/Pozo_USGS_UTM11_NAD83_all_color_cl.html
Mehr zum Masterstudiengang „Remote Sensing, geoInformation and Visualization“: https://www.uni-potsdam.de/de/studium/studienangebot/masterstudium/master-a-z/remote-sensing