Dafür erhalten sie eine Reisekostenpauschale und ein Tagegeld für Aufenthalte bis zu einer Woche. Einzige Voraussetzung: Sie müssen gegenwärtig im Ausland leben und wissenschaftlich forschen sowie einen Forschungsaufenthalt an der UP von mindestens drei Monaten absolviert haben. Bereits im ersten Jahr haben zwölf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Angebot genutzt.
Vom Sankt-Lorenz-Strom bis an die Havel
Ob Neuseeland, Ghana oder Brasilien – von überall besuchten Alumni aus Fachgebieten wie Physik, Geowissenschaften oder Linguistik die Uni Potsdam. Unter der wachsenden Zahl an Forschenden auf Stippvisite ist auch Iain Macdonald, Professor für Philosophie an der Université de Montréal.
Der heute 57-Jährige war im Sommer 2008 für mehrere Monate als Gastwissenschaftler am Institut für Philosophie, damals als Gast von Christoph Menke, der als Professor mit Schwerpunkt Ethik und Ästhetik unter anderem die Theorien der Frankfurter Schule, insbesondere von Theodor W. Adorno (1903–1969), verstärkt aufgriff.
Dessen einstiger Schüler und Mitarbeiter leitet heute den Lehrstuhl für Philosophische Anthropologie und Philosophie des Geistes: Prof. Dr. Thomas Khurana. „Ich war damals während meines Sabbaticals als Gast von Christoph Menke nach Potsdam gekommen und habe Thomas Khurana kennengelernt“, erinnert sich Iain Macdonald. „Jetzt ist er es, der mich erneut hierher eingeladen hat. Für künftige Kooperationsprojekte ist es wichtig, dass es ein solches Förderprogramm gibt.“
Wenige Fördertöpfe für den Alumni-Austausch
Denn anders als für den internationalen Austausch von Studierenden sind Zuschüsse für Kurzaufenthalte von Alumni in der akademischen Landschaft eher die Ausnahme. In Deutschland fördert der Deutsche Akademische Austauschdienst die Wiedereinladung von Forschenden, zielt jedoch vorrangig auf ehemalige DAAD-Stipendiat*innen ab.
Obwohl die Universität Montréal im Vergleich zur Potsdamer Alma Mater mehr als doppelt so viele Studierende hat und eine der größten Forschungsuniversitäten des Landes ist, gibt es zwar Fellowships für Gastprofessuren, jedoch kein vergleichbares Programm für Kurzaufenthalte von Alumni-Forschenden.
Auch sonst ist die nordamerikanische Hochschullandschaft etwas anders. „Im Unterschied zu Deutschland gibt es bei uns keine direkte Entsprechung für den Mittelbau der wissenschaftlichen Mitarbeitenden“, sagt Iain Macdonald. „Es gibt Lehrkräfte und Forschende, aber wenig dazwischen. Das macht es für Studierende aber auch einfacher, einen direkten Draht zu ihren Professor*innen herzustellen.“
Mobilität: ein Kernkapital im Wissenschaftsbetrieb
Dass diese Verbindung auch zwischen Professuren verschiedener Länder und Universitäten unschätzbar ist, weiß die wissenschaftliche Gemeinschaft spätestens seit Aufhebung der Kontakt- und Reisebeschränkungen der Pandemie-Jahre wieder zu schätzen. Auch und gerade in der Philosophie.
„Für Philosophen hatten und haben deutsche Universitäten seit jeher eine enorme Anziehungskraft“, sagt Macdonald. „Besonders in meinem Feld der Kritischen Theorie sind hier einige der wichtigsten Köpfe und Foren zu finden.“ Mag Immanuel Kant auch über die Grenzen von Königsberg nie hinausgelangt sein, im post-kantischen Wissenschaftsbetrieb von heute spielt Mobilität eine wichtige Rolle.
So schlummern noch immer nicht digitalisierte (oder für digitalen Zugriff eingeschränkte) Quellen in Archiven, die nur vor Ort recherchiert werden können. Briefe, Aufzeichnungen, Tagebücher – um die Entstehung philosophischer Theorien zu rekonstruieren, ist bisweilen textuell-philologische Fleißarbeit erforderlich.
Adorno-Experte zu Besuch in deutschen Archiven
Eine Mühe, die sich lohnt, denn Adorno und die Kritische Theorie haben uns auch nach mehr als einem halben Jahrhundert noch viel zu sagen, ist Iain Macdonald überzeugt. „Adorno war sehr daran interessiert, wie sich Beschränkungen unserer Freiheit auf systemischer Ebene perpetuieren“, so der Professor. „Auch seine Ideen zum Totalitarismus und zu gesellschaftlicher Veränderung sind heute wie damals aktuell.“
Für den Kanadier ist der Aufenthalt an der UP ideal, um seine Forschungen zur Rezeptionsgeschichte von Hegels Philosophie voranzubringen, mit der sich Adorno seinerzeit intensiv auseinandergesetzt hat. „Ich kann in Berlin das Adorno Archiv besuchen und mich nicht zuletzt auch persönlich intensiv mit anderen Spezialisten für Adorno und die Kritische Theorie austauschen.“
Ein internationales Philosophen-Netzwerk
Schließlich ist auch das Zentrum für Post-Kantische Philosophie an der UP beheimatet: ein internationales Netzwerk philosophischer Institute, das sich im Rahmen von Tagungen, Workshops und Vorträgen über kritische Perspektiven auf das post-kantische Denken, die Frage, was wir überhaupt wissen können, und die großen Herausforderungen der Gegenwart austauscht.
Ein Netzwerk, dessen Mitglieder sich von Potsdam bis Chicago, von Oxford bis Tel Aviv über die Weltkarte verteilen. Und das – dank UP Reconnect – vielleicht auch bald in Kanada auf verstärktes Interesse stößt. „Ich bin dazu bereits mit Thomas Khurana im Gespräch“, sagt Iain Macdonald. „Eine Konferenz bei uns in Montréal – das wäre toll!“
Weitere Informationen zum Programm: https://www.uni-potsdam.de/de/alumni/forscher-alumni/up-reconnect
Zum Center for Post-Kantian Philosophy: https://cpkp.net/