Der höchste Berg ist gerade einmal 1214 Meter hoch. Damit kann das kleine Erzgebirge zwar nicht mit den mächtigsten Bergmassiven dieser Welt mithalten, punktet dafür aber mit ganz anderen Trümpfen, die sich auch im Namen widerspiegeln. Denn die Gebirgsformation ist mehrere Hundert Millionen Jahre alt und gilt als Kinderstube zahlreicher Bodenschätze wie Silber, Zinn, Wolfram oder Eisen. Auf vergleichsweise kleinem Raum können hier wichtige geologische Prozesse studiert werden, aus denen zahlreiche bedeutende Lagerstätten für verschiedene Erze entstanden sind.
Ein Blick in die Erdgeschichte
Das Gebirge ist damit ein regelrechtes Freilandlabor, das für Geowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus Deutschland quasi direkt vor der Haustür liegt. Im Sommer 2021 nutzten rund 30 Forschende und Promovierende die Gelegenheit, um in fünf Tagen gemeinsam zu erkunden, was hier unter und über der Erde zu finden ist. Die meisten von ihnen hatten gerade Forschungsprojekte im groß angelegten Forschungsprogramm „Dynamics of Ore Metals Enrichment“ (DOME) begonnen. Die Exkursion war ein Auftakt und ein Kennenlernen mit Verspätung: Denn geplant war sie eigentlich bereits ein Jahr früher, musste wegen der Corona-Pandemie jedoch verschoben werden.
„Im Erzgebirge kann man innerhalb eines Tages vom Zentrum der ehemaligen Magmakammer bis nach oben zur einstigen Erdoberfläche wandern“, erklärt der Koordinator des Schwerpunktprogramms, der Geowissenschaftler Dr. Maximilian Korges. Dort, wo die Magmakammer auf das Umgebungsgestein trifft, gibt es die geologisch interessantesten Stellen: Hier bildeten sich über Jahrmillionen viele unterschiedliche Erzminerale. Die Gesteinsstrukturen und -formationen mit den eigenen Augen zu sehen, ist gerade für diejenigen, die sonst eher im Labor und am Schreibtisch arbeiten, sehr aufschlussreich. „Es ist vor allem für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler wertvoll, über den eigenen Tellerrand zu blicken und Kompetenzen außerhalb des eigenen Arbeitsfeldes zu erlangen“, betont Maximilian Korges. 2020 startete DOME mit 26 Forschungsprojekten, an denen Institute aus ganz Deutschland beteiligt sind. „Es geht erst einmal darum zu verstehen, wie sich Erze bilden“, erklärt DOME-Sprecher Max Wilke, Professor für Mineralogie. „Das hat es in dieser Form in Deutschland und auch anderswo sehr lange nicht gegeben.“ Die Grundlagenforschung liefert aber auch wichtige Erkenntnisse für die spätere Anwendung – also das Erschließen neuer Erzvorkommen und ihren Abbau. „Dann weiß man, wo man gucken muss, oder welche Daten man benötigt, um neue Lagerstätten zu finden“, bringt es Max Wilke auf den Punkt.
Der Forscher blickt positiv auf die vergangenen drei Jahre zurück: „Es gibt bereits 50 Publikationen aus unseren Projekten – obwohl viele von ihnen noch gar nicht abgeschlossen sind – und eine erfolgreiche nationale und internationale Vernetzung der Forschenden.“ Um den wissenschaftlichen Nachwuchs gut auszubilden und zu fördern, werden im DOME-Forschungsverbund nicht nur Exkursionen ins Gelände angeboten, sondern auch Workshops zu experimentellen Methoden und mathematischer Modellierung, Seminare zu Präsentationstechniken oder dem Schreiben einer wissenschaftlichen Publikation.
„Alle deutschen Hochschulen und Forschungsinstitute unseres Fachgebietes sind mit Projekten in DO- ME vertreten“, freut sich Max Wilke. Die Forschungsvorhaben zeigen dabei eine enorme Vielfalt und erstrecken sich über die ganze Welt: von Deutschland über Portugal, China, Polen, Griechenland, Finnland, die USA, Namibia, Brasilien, Kanada bis hin zu den Weltmeeren. So vielfältig wie die Forschungsorte sind auch die Methoden, die von Laborexperimenten über Feldversuche und -expeditionen bis zur Computermodellierung reichen.
Neue Projekte für die zweite Förderphase
In Potsdam etwa wird mit Laborexperimenten untersucht, wie sich Molybdänminerale in heißen wässrigen Lösungen verhalten. Bei welchem Druck und welcher Temperatur löst sich wie viel Molybdän, das vor allem für die Stahlproduktion gebraucht wird? In welcher Form ist es in der Lösung vorhanden und welche Parameter beeinflussen das alles? Mit den Versuchen wollen die Forschenden besser verstehen, unter welchen Bedingungen diese Minerale gebildet werden. Damit können weltweit Bereiche mit ähnlichen Eigenschaften, in denen mögliche Molybdänlagerstätten vorkommen, leichter identifiziert werden. Außerdem verraten die chemischen Experimente, wie man das Material besser auflösen und einzelne Metalle des Erzgemisches voneinander trennen kann. Die Erkenntnisse können künftig auch dabei helfen, Erze besser aufzubereiten oder auch die Metalle durch späteres Recycling wieder nutzbar zu machen.
Ein anderer Doktorand aus Erlangen nahm an einer zweimonatigen Forschungsschifffahrt teil und analysierte Proben von Unterwasservulkanen, um Mineralisierungsprozesse an heißen Quellen am Meeresboden zu untersuchen, an denen kochende Flüssigkeiten, magmatische Gase und kaltes Meerwasser aufeinandertreffen. Im Erzgebirge wiederum werden Feldversuche durchgeführt, um die Entstehung von Zinnerzen zu verstehen. Numerische Simulationen helfen dabei, die Prozesse, die währenddessen in der Magmakammer und der Umgebung über Jahrmillionen ablaufen, zu modellieren und zu nachzuvollziehen. „Wir sehen zwar das Endprodukt in Form von Erzen, aber wir wissen nicht, was zuvor passiert ist. Computersimulationen können uns dabei helfen, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen“, erklärt Maximilian Korges.
Inzwischen ist das DOME-Projekt in die zweite Förderphase bis 2026 gestartet – mit 26 neuen Projekten und neuen Forschungsteams. Die beiden Potsdamer Projektleiter sind sich einig, dass das Forschungsfeld in den kommenden Jahrzehnten immer wichtiger werden dürfte. Denn der weltweite Bedarf an vielen wertvollen Elementen, die in Erzen zu finden sind – wie etwa Germanium, Lithium, Kupfer oder Kobalt – wird steigen. Schließlich sind sie für Schlüsseltechnologien der Energiewende und der Digitalisierung unverzichtbar. Zeitgleich verschärfen geopolitische Krisen die Lieferunsicherheiten. Um so wichtiger sei es deshalb, in den kommenden Jahren die Forschung auf diesem Gebiet zu stärken, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu schulen und die Community besser zu vernetzen.
Molybdän
Das Übergangsmetall Molybdän kommt in verschiedenen Erzen wie Molybdändisulfid (Molybdänglanz), Wulfenit (Gelbbleierz) oder Powellit (Calciummolyb- dat) vor. In aufwendigen chemischen Verfahren wird das Molybdän von den Begleitmineralien getrennt, anschließend bei hohen Temperaturen von mehreren Hundert Grad Celsius geröstet, von weiteren Verunreinigungen befreit und mithilfe von Wasserstoff in zweit weiteren Verarbeitungsstufen zu Molybdänpulver reduziert. 2020 wurden weltweit 240 000 Tonnen Molybdän produziert, das vor allem für Metalllegierungen und in der Stahlherstellung verwendet wird.
Die Forschenden
Prof. Dr. Max Wilke leitet seit 2015 die Arbeitsgruppe Mineralogie am Institut für Geowissenschaften der Universität Potsdam.
E-Mail: max.wilkeuuni-potsdampde
Dr. Maximilian Korges forscht seit 2020 als Postdoc in der Arbeitsgruppe Mineralogie am Institut für Geowissenschaften der Universität Potsdam.
E-Mail: maximilian.korgesuuni-potsdampde
Das Projekt
Im Schwerpunktprogramm „Dynamics of Ore Metals Enrichment“ (DOME) (SPP2238) fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) Forschungsprojekte zur Entstehung von Erzen. Mithilfe von empirischen Feldstudien, experimentellen Arbeiten und numerischen Modellen schaffen die Forschenden neue Grundlagen für die Lagerstättenerkundung in tiefen Erdschichten.
Laufzeit: 2020–2026
Beteiligt: Universität Potsdam, Universität Bayreuth, Universität Bremen, Leibniz Universität Hannover, Universität Mainz, GeoZentrum Nordbayern, Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, TU Bergakademie Freiberg, GEOMAR Kiel, Goethe Universität Frankfurt (M), Universität Freiburg, RWTH Aachen, Universität Tübingen, Deutsches GeoForschungsZentrum Potsdam GFZ, Universität Köln, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Karlsruher Institut für Technologie, Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie.
Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Link zum Projekt: https://www.uni-potsdam.de/en/spp2238
Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal Wissen - Eins 2024 „Bildung:digital“ (PDF).