Seither herrschte gegenseitiger Argwohn zwischen kirchlichen und naturwissenschaftlichen Weltbildern. Die Physik machte rasante Fortschritte. So rasant, dass Astrophysiker heute weder „Die Sonne bewegt sich um die Erde“ noch „Die Erde bewegt sich um die Sonne“ sagen würden. Das Universum hat keinen Mittelpunkt mehr bzw. der Mittelpunkt ist überall, wo der Beobachter sitzt.
Diese Dezentrierung wurde 1929 anschaulich, als Edwin Hubble beobachtete, dass alle Galaxien sich von uns wegbewegen, die ferneren schneller, die näheren langsamer. Dieselbe Beobachtung würde man machen, wenn man im Andromeda-Nebel säße.
Zwei Jahre zuvor hatte der katholische Priester Georges Lemaitre, aus Einsteins Feldgleichungen errechnet, dass das Universum expandiere. Wenn man zurückrechne, müsse es sich aus einem winzigen Anfangspunkt entfaltet haben, den er „Uratom“ nannte. Den heute gebräuchlichen Begriff „Urknall“ (Big Bang) hat übrigens ein Physiker geprägt, der das Konzept vom Uratom verballhornen wollte. Auch Einstein hat das Konzept zunächst belächelt, musste sich aber später korrigieren. Papst Pius XII. war begeistert und assoziierte 1951 die Urknalltheorie mit dem Schöpfungsakt „Es werde Licht“ (Genesis 1,3). Das war für den Astrophysiker Lemaitre etwas zu steil. Er bat um eine Audienz und – leider gibt es von dieser Unterredung keine Akten – ermahnte ihn wahrscheinlich, dass man nicht ohne Weiteres von physikalischen auf theologische Aussagen schließen könne. Tatsächlich hat der Papst ein Jahr später bei einem ähnlichen Anlass nur darauf hingewiesen, dass der Mensch wohl nie die Geheimnisse der Natur ganz ergründen könne.
Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Eins 2024 „Welt retten“ (PDF).