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So forsche ich – Von kleinen und großen Wildtierkorridoren

Wildkatze im Wald
Jakob Drews
Reh auf dem Campus Golm
Foto : AdobeStock/Mariska
„Eine dieser sogenannten Schirmarten für den Biotopverbund „Waldarten mit großem Raumanspruch“ ist felis sylvestris, die Wildkatze.“
Foto : privat
Der Autor Jakob Drews studiert Geoökologie an der Universität Potsdam.
Foto : Jakob Drews
Reh auf dem Campus Golm

Der Verbund der Lebensräume von Wildtieren ist heutzutage so stark von Zerschneidung und Beeinträchtigung der Landschaft gestört wie nie zuvor. Zu den Ursachen zählen Urbanisierung und Zersiedlung, Straßenausbau, Monokulturen und die Mechanisierung in einer Land- und Forstwirtschaft, in der sich immer weniger Menschen um immer größere Gebiete kümmern – um nur einige Gründe zu nennen. Doch ein widerstandsfähiges Ökosystem basiert auf der Bewegung von Tieren, Pflanzen und Pilzen und damit auf dem Austausch von Ressourcen und Informationen, nicht zuletzt auch genetischer Art. Wenn wir weiterhin auf einem gesunden Planeten leben wollen, müssen wir dafür sorgen, dass es parallel zum Lebensraumnetzwerk der Menschen ein großräumig ungestörtes Netzwerk für Tiere und Pflanzen gibt. Dabei muss eine Nutzung durch den Menschen in den Kernzonen für Wildtiere ausgeschlossen werden. Bisherige Bemühungen für den Naturschutz fokussieren sich jedoch hauptsächlich auf einzelne Arten oder einzelne Flächen, die zu „Inseln“ werden.

Erst seit wenigen Jahrzehnten befassen sich Forschende mit dem Thema Biotopverbund. Sie stellten fest, dass einzelne Schutzmaßnahmen deutlich effizienter sind, wenn die Kernlebensräume durch Flächen miteinander verbunden sind. Dies können Korridore sein, die die Tiere nur zum Wandern benutzen können, oder sogenannte Trittsteinbiotope, in denen Tiere auch Nahrung und Rast finden, die aber für sie keinen dauerhaften Lebensraum zur Fortpflanzung darstellen. Dabei hat jede Tierart unterschiedliche Bedürfnisse. Einige Laufkäfer und Spinnenarten hindert schon ein Forstweg, auf dem kaum Pflanzen wachsen, daran, von einem Waldgebiet zum nächsten zu gelangen. Wölfe haben sich inzwischen gut an unsere teils brache Kulturlandschaft angepasst, wohingegen Luchs und Wildkatze störungsarme Laubwälder bevorzugen und keine größeren Strecken über Äcker laufen würden.

Ich selbst bin auf das Thema Biotopverbund aufmerksam geworden, als in unserem Wald auf dem Universitäts-Campus Golm etwa 60 Bäume gefällt wurden, um ein Wohnheim des Studentenwerks Potsdam zu bauen. Auf den Plänen ist erkennbar, dass das neue Gebäude sehr nah an den angrenzenden Militärzaun gebaut werden soll, wodurch ein Engpass für Wildtiere entsteht, die den Campus als Trittsteinbiotop zwischen den Waldgebieten „Wildpark“ und „Katharinenholz“ nutzen. Mithilfe der Satelliten-Software „QGIS“ habe ich mir das Habitatnetzwerk der Umgebung angeschaut, wobei mir ein weiterer Engpass aufgefallen ist: Das Katharinenholz wird nach dem Bauprojekt „Golm 2040“ fast komplett von Siedlungsfläche umgeben sein. Dies hatte der Ortsbeirat Golm bereits aus klimatischen Gesichtspunkten kritisiert und forderte, eine Kaltluftschneise von 100 Metern Abstand zum Waldgebiet einzuplanen, was von der Stadtverordnetenversammlung zunächst abgelehnt wurde. Um die Forderung des Ortsbeirats zu bestärken, habe ich in einer Präsentation die naturschutzfachlichen Bedenken vorgestellt, insbesondere die eingeschränkte Wildtierbewegung und eine damit einhergehende Verarmung der Artenvielfalt. Daraufhin wurde eine Kompromisslösung mit etwa 80 Metern Abstand der Siedlung zum Waldgebiet ausgearbeitet.

Um die Verbindungsfläche auf dem Universitäts-Campus zu erhalten, musste ich zuerst beweisen können, dass diese von Tieren genutzt wird. Also installierte ich zwei Wildtierkameras und mit deren Hilfe wurde klar, dass sich hier jeden Tag eine Rehfamilie aufhält, trotz lärmender Baustelle. Außerdem leben dort Füchse, Steinmarder, Waschbären, Waldkäuze und viele andere Vogel- und Insektenarten. Diese Ergebnisse stellte ich in der Umweltkommission vor, mit dem Vorschlag, ein besonderes Schutzkonzept für den Wald in das neue Biodiversitätskonzept aufzunehmen.

Mein Interesse für Wildtierkorridore war geweckt und so schaute ich mir die Biotopverbundsplanung des Landes Brandenburg an. Hier wurden insgesamt sieben zu entwickelnde Netzwerke aus Kernzonen und Verbindungsflächen wissenschaftlich erarbeitet. Dafür wurden Zielarten ausgesucht, die hohe Ansprüche an ihren Lebensraum haben. Zum Beispiel braucht der Luchs etwa 250 Quadratkilometer große Streifgebiete von Wäldern mit geringen Störungen durch den Menschen. Der Schutz von Flächen für diese Arten hat den Effekt, dass gleichzeitig viele andere Tiere mitgeschützt werden. Ein gutes Beispiel dafür sind die Tiger-Reservate in Indien.

Eine dieser sogenannten Schirmarten für den Biotopverbund „Waldarten mit großem Raumanspruch“ ist felis sylvestris, die Wildkatze. Für die Vernetzung ihrer Habitate setzt sich seit 2004 der Umweltschutzverein BUND e.V. ein. Auf einer Webseite können Interessierte sehen, wo sie bereits gesichtet wurde, wo geeignete Lebensräume sind und Waldverbindungen verlaufen. Zusammen mit der Wildkatzenkoordinatorin des Vereins Angelique Hardert, die in einer Naturschutz-Vorlesung über die Wildkatze sprach, plane ich in diesem Jahr das Monitoring in Brandenburg. Dafür werden Holzpfähle in geeignete Wälder gestellt und mit Baldrian bestrichen. Die Wildkatze, wie auch viele andere Tiere, reiben sich sehr gerne an dem Lockstock und hinterlassen somit Haare, mit denen wir einen genetischen Beweis für ihre Verbreitung haben. Dafür braucht es viele freiwillige UnterstützerInnen. Außerdem trifft sich Angelique mit FörsterInnen, damit diese mehr Totholz und andere Versteckmöglichkeiten für die Jungenaufzucht liegen lassen und andere Gefahren minimiert werden, wie der unachtsame Abtransport von Holzpoltern, in denen sie auch ihre Jungen versteckt.

Schon bald etabliert sich hoffentlich ein guter Bestand an Wildkatzen, wie es auch in den anderen Bundesländern passiert ist. Dann können wir ihr helfen, die Waldkernflächen zu verbinden, indem wir Hecken und Bäume als Korridore an gezielten Orten pflanzen. Die Planung dieser Korridore wird voraussichtlich Bestandteil meiner Bachelor-Arbeit werden.

Auch in meiner anderen Arbeitsstelle beim Deutschen Verein für Landschaftspflege, der Naturschutz, Landwirtschaft und Politik vereint, möchte ich Wildtierkorridore in einem Projekt ab 2025 ausbauen und dafür ein soziales Netzwerk aus AkteurInnen mit einem ökologischen Netzwerk der Landschaft verbinden.

Der Autor Jakob Drews studiert Geoökologie an der Universität Potsdam.

Weitere Informationen zum Lebensraum der Wildkatze: www.wildkatzenwegeplan.de
Zum BUND-Projekt: www.bund-brandenburg.de/wildkatzenwaelder

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Eins 2024 „Welt retten“ (PDF).