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Ein nachhaltiger Campus ist attraktiv – Kanzler Hendrik Woithe erklärt, wie die Universität Potsdam nachhaltig werden will

Der Kanzler der Universität Potsdam, Hendrik Woithe
Foto : Kevin Ryl
Der Kanzler der Universität Potsdam, Hendrik Woithe

Wie macht man eigentlich eine Hochschule nachhaltig? Schritt für Schritt und gemeinsam, sagt der Kanzler der Universität Potsdam Hendrik Woithe. Im Interview mit Matthias Zimmermann spricht er über die Anfänge, Erreichtes und die Frage, wie man alle „mitnimmt“.

Was bedeutet Nachhaltigkeit an Hochschulen bzw. in der Wissenschaft?

Ihre ersten Schritte haben die meisten Hochschulen beim Klimaschutz gemacht: Das ist bei uns nicht anders und auch heute noch haben wir dort einen Schwerpunkt. Gleichzeitig orientieren wir uns – wie viele – mittlerweile breiter: an den Sustainable Development Goals (SDGs), den 17 Zielen einer nachhaltigen Entwicklung, auf die sich die Vereinten Nationen 2015 geeinigt haben. Dabei sind manche für die UP naheliegender als andere: „Quality Education“ (4), „Responsible Consumption and Production“ (12) und „Climate Action“ (13) etwa stehen schon länger auf unserer Agenda. Aber sie hängen mit den anderen SDGs zusammen, schaffen für diese Grundlagen oder bauen auf ihnen auf. Deshalb wollen wir beispielsweise Klimaschutz künftig größer denken und neben konkreten Maßnahmen wie bisher, zukünftig auch Strukturen und Systeme schaffen, die das ermöglichen. Ein Beispiel ist unser Green Office, mit dem wir Nachhaltigkeit organisatorisch verankern und promoten wollen. Und das nicht nur, weil wir es müssen, sondern weil wir unserer gesellschaftlichen Verpflichtung als Wissenschaftseinrichtung gerecht werden wollen. Wer sollte vorangehen, wenn nicht wir?

Woran orientiert sich die UP in Sachen Nachhaltigkeit?

Ganz grundlegend, wie gesagt, an den SDGs. Seit 2018 gibt es außerdem den Hochschulspezifischen Nachhaltigkeitskodex HS-DNK, der von Hochschulen mitentwickelt wurde. Mit seinen 20 Kriterien bietet er einen komprimierten Leitfaden dafür, wie Hochschulen nachhaltiger werden können – von der Idee bis zur Umsetzung. Der Kodex gliedert die Aufgabe in mehrere Felder: Strategie und Governance, Betrieb und Gesellschaft. Daran sieht man sehr gut, wie wichtig es ist, Nachhaltigkeit auf mehreren Ebenen gleichzeitig zu denken: Natürlich müssen wir im Universitätsbetrieb Ressourcen sparen, Emissionen reduzieren und Liegenschaften klimaschonend entwickeln. Aber auch unsere Leitung und Governance müssen nachhaltig werden und wir sollten mit dieser Mission in die Gesellschaft hineinwirken: als Vorbild wie als Wissenschafts- und Bildungseinrichtung, die Nachhaltigkeit erforscht und lehrt. Tatsächlich zahlt unser recht ausgefeiltes Klimaschutzkonzept, das 2018 bis 20 erarbeitet wurde, darauf schon recht gut ein. Und die im Oktober 2020 vom Senat verabschiedeten „Nachhaltigkeitsleitlinien“ zielen eben genau darauf, neben dem Unibetrieb, auch Forschung, Lehre und Transfer einzubeziehen.

Wie sollen die „Nachhaltigkeitsleitlinien“ ganz konkret umgesetzt werden? Dort heißt es etwa – recht umfassend –, die Universität habe „Verantwortung als Lehr-, Forschungs- und Transfereinrichtung und zur Förderung ihrer eigenen umweltgerechten und klimaschonenden Entwicklung“ …

Tatsächlich ist das die Vision und Mission: Wir bilden nicht nur die nächste Generation aus, der wir das nötige, zum Teil auch hier gewonnene Wissen mitgeben sollten, um die Zukunft zum Besseren zu beeinflussen. Außerdem besitzen wir durch unsere verschiedensten Transferaktivitäten großen Einfluss auf die Gesellschaft: von Citizen-Science-Projekten über Kooperationen mit Industriepartnern bis hin zur Wissensvermittlung in unterschiedlichsten Formaten. Ganz grundsätzlich haben wir als wissenschaftliche Einrichtung eine hohe Glaubwürdigkeit, die wir stärker nutzen sollte. Wenn wir neueste Erkenntnisse der Nachhaltigkeitsforschung präsentieren, ist das etwas, woran sich viele orientieren. Diese Wirkungsmacht können wir einsetzen und auch einfordern: Wir werden in Politik und Gesellschaft gehört.

Weiter heißt es, die Universität solle Impulse durch „Forschung im umweltwissenschaftlichen Bereich“ geben …

Wir haben sehr starke Forschung in einer Reihe naturwissenschaftlicher Disziplinen: Biologie, Geo- und Umweltwissenschaften, um nur einige zu nennen. Hier passiert schon sehr viel in Richtung Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Trotzdem wird sich dieses Ziel in der Ausgestaltung der universitären Forschungsschwerpunkte wohl künftig noch stärker niederschlagen. Wichtig ist zudem eine Querverbindung z.B. zu den Sozial- und Gesellschaftswissenschaften.

Das Papier legt fest, „akademische Lehre vermittelt das erforderliche Grundlagenwissen und eine ebenso fachlich-fundierte wie konstruktiv-kritische Sicht auf Themen des Natur-, Umwelt- und Klimaschutzes sowie der nachhaltigen Entwicklung“. Also: Hochschulbildung als Umweltbildung auf allen Ebenen?

Genau. Das Ziel beruht auf unserer umfassenden Mission und wir haben auch schon einzelne Erfahrungen, etwa mit dem Studium oecologicum, das im Übrigen gerade neu aufgelegt wird. Um wirklich breit in die Gesellschaft wirken zu können, muss Nachhaltigkeit aber natürlich in den Curricula grundlegend verankert sein. Da ist noch viel zu tun.

Auch im Wissens- und Technologietransfer der Universität soll Nachhaltigkeit eine zentrale Säule sein.

Das ergibt sich zum Teil – hoffentlich – fast „von selbst“ aus der Forschung zu Nachhaltigkeits-Themen. Durch unsere exzellente Betreuung im Gründungs- und Wirtschaftstransferbereich wollen wir guten Ideen den Weg in die Praxis ebnen. Aber auch der Wissenstransfer durch verschiedenste Formate der Öffentlichkeitsarbeit wird dazu beitragen.

Ausgangspunkt und Kern der aktuellen Bemühungen ist und bleibt aber, den Universitätsbetrieb nachhaltig zu gestalten. Wo will die UP denn genau nachhaltiger werden?

Mit dem Klimaschutzkonzept haben wir dafür die Basis gelegt und unsere wichtigsten Handlungsfelder benannt. „Green Office“ ist das Schlagwort. Darunter lässt sich alles fassen, was den Betrieb der Hochschule und die Arbeit der Beschäftigten betrifft – und was der Kanzler beeinflussen kann. Aber natürlich profitieren alle UP-Angehörigen davon. Ein nachhaltiger Campus ist attraktiv. Deshalb ist Nachhaltigkeit auch in den Hochschulvertrag eingeschrieben und Teil unserer Vereinbarungen mit dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur (MWFK). Vor allem aber wollten wir uns selbst ehrgeizige Ziele setzen und haben deshalb intern in vielen Workshops mit allen Interessierten die Eckpunkte des Konzepts erarbeitet. Mobilität spielt für eine Uni, die mehrere Standorte hat, eine wesentliche Rolle. Die Aus- und Umrüstung unserer Gebäude ist essenziell, wenn wir unser Ziel, bis 2045 klimaneutral zu sein, erreichen wollen. Nachhaltig neu bauen sowieso. Aber auch im Flächenmanagement steht einiges auf der Agenda: Mehr Grünflächen, die als „bunte Wiesen“ zugleich dem Erhalt der Biodiversität dienen, besseres Wasser- und Energiemanagement, wobei wir mit Photovoltaikanlagen nicht nur Energie sparen, sondern auch selbst umweltfreundlich erzeugen wollen. Außerdem gilt es auch anderswo Ressourcen zu sparen oder wiederzuverwerten: Für die Beschaffung gibt es schon gesetzliche Vorgaben, um sie nachhaltiger zu machen. Aber auch Konsum- und Nutzungsverhalten, Green IT sowie Abfallmanagement und Recycling können wir weiter verbessern. Viele dieser Aktivitäten können, wenn wir sie richtig angehen, ausstrahlen auf weitere Felder, da sie den UP-Angehörigen die Möglichkeit geben, selbst aktiv zu werden und an der Mission teilzuhaben.

Wer ist für die Mission Nachhaltigkeit verantwortlich?

Ein Wandel hin zu einer nachhaltigen Hochschule betrifft alle Facetten von Studium, Forschung und Betrieb. Insofern: alle. Aber so weit sind wir noch nicht. Zuerst gilt es, das Bewusstsein für diese Mammutaufgabe zu schaffen – und die nötigen Strukturen. Das ist natürlich Aufgabe der Leitung. Wir müssen die Mission formulieren – so sehen wir die UP, dafür stehen wir – und jeden Tag vor uns hertragen, in Entscheidungen einfließen lassen. Im Idealfall trifft das dann auf eine Graswurzelbewegung und Engagement von vielen. Aus dem Bewusstsein entsteht Handeln, das dann wieder weitere überzeugen kann. Natürlich gibt es auch Vorgaben, die wir umsetzen müssen, wie etwa zum Energiemanagement oder nachhaltiger Beschaffung. So ergibt sich ein Mix aus Ziehen und Schieben. Wir wollen die Menschen abholen und ihnen brauchbare Hilfsmittel an die Hand geben. Fakt ist: Klimaschutz kostet Geld und man muss ihn sich leisten können und wollen. Aber es lohnt sich, denn es ist unsere Aufgabe, einen Verhaltenswandel zu ermöglichen.

Wie misst die UP, ob sie nachhaltig ist bzw. nachhaltiger wird?

Die Verbräuche – Wasser, Energie, Abwasser – werden schon seit vielen Jahren gemessen, mit immer weiter steigender Detailtiefe pro Gebäude. In jüngerer Vergangenheit sind andere Bereiche dazugekommen, beispielsweise zum Papierverbrauch mit dem Papieratlas. Grundsätzlich lässt sich alles, was wir einkaufen, auch messen. Bei der Erstellung des Klimaschutzkonzepts haben wir uns die Mühe gemacht, weitere Zahlen zu erheben, etwa zum CO2-Fußabdruck von Reisen. Das ist sehr aufwendig, dafür nötige Monitoringsysteme müssen erst noch entwickelt werden. Aber es lohnt sich, denn so lässt sich Menschen vor Augen führen, was wie hilft. Deshalb wollen wir die Datenbasis kontinuierlich vergrößern, um ein aussagefähiges Set von Indikatoren zu erhalten, das unsere Arbeit unterstützt. Neben quantitativen Indikatoren, wollen wir aber auch die verbesserte Qualität unserer Arbeit erfassen. Besser ausgerichtete Strukturen kann man schlecht messen, bilden aber eine elementare Säule im Gesamtkontext.

Können Sie an einem der Felder mal etwas detaillierter schildern, was bislang erreicht wurde?

In Sachen Mobilität sind wir schon recht weit: Es gibt an allen Standorten Campusräder, die von Paten verwaltet und allen Beschäftigten ausgeliehen werden können. Für Gewerke, die viel zu transportieren haben, wie das ZIM oder das Facility Management, wurden Lastenfahrräder angeschafft, um Wege mit dem Auto zu sparen. Wo das doch notwendig ist, umfasst unser Fuhrpark zunehmend E-Autos, teils als Hybrid, teils komplett elektronisch betrieben. Außerdem haben wir Radreparaturstationen installiert und dank einer Kooperation können Studierende täglich drei Stunden lang kostenlos Next-Bike-Räder nutzen, die standortnah zu finden sind. Inzwischen gibt es, im Tarifvertrag fixiert, auch die Möglichkeit zum Bikeleasing, was aber noch auf Landesebene abgebildet werden muss. Und wir können allen Beschäftigten ein ermäßigtes Firmenticket anbieten. Um die im Laufe der Jahre doch deutlich besser gewordene Anbindung aller drei Standorte an den ÖPNV weiter zu verbessern, steht die Verkehrskommission der UP und das Standortmanagement Golm mit den Verkehrsunternehmen in Austausch, übermittelt durch Umfragen erhobene Bedarfe und kann Ausfälle oder Störungen im ÖPNV schnell in die Hochschule kommunizieren. Nicht zuletzt gibt es verschiedene Initiativen zur Verringerung der Emissionen, die durch Dienstreisen, vor allem bei Flügen, entstehen.

Aktuell wird am neuen Hochschulentwicklungsplan gefeilt. Nachhaltigkeit dürfte dabei eine wichtige Rolle spielen. Welche Schritte stehen als nächstes an?

Genau, es wird ein Kapitel im HEP dazu geben. Details sollen erstmals in einem Nachhaltigkeitsprogramm mit konkreten Fristen, Zuständigkeiten und Entwicklungszielen in den Handlungsfeldern zusammengefasst werden. Denn wir wollen von losen Initiativen und Projekten an vielen Stellen zu verbindlichen Zielen kommen, die dann auch alle Bemühungen und Akteure besser verbinden. Das müssen wir sogar, denn auch von außen wird der Druck größer – gesetzliche Vorgaben verpflichten uns zu mehr Aktivität. Dabei müssen wir zum Glück das Rad nicht neu erfinden, sondern gehen einfach den nächsten Schritt.

Die UP-Angehörigen sehen natürlich vor allem das, was um sie herum passiert – Photovoltaik, Medienverbrauch, Wasser. Sie wünschen sich einen grünen Campus. Da sind wir zu großen Teilen schon sehr aktiv, wollen aber Schritt für Schritt nachlegen. Manche Sachen, wie die Bestandteile des Mobilitätskonzepts oder eine effizientere Mülltrennung kommen dabei schneller und können als Quick Win verbucht werden, andere – wie die umfassende Implementierung von Nachhaltigkeitsbildung in die Curricula der Studiengänge – dürften etwas länger dauern. Aber wir gehen sie an.

Das Umweltportal der der Universität Potsdam: https://www.uni-potsdam.de/de/umweltportal/index
Der Hochschulspezifischen Nachhaltigkeitskodex HS-DNK: https://www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de/de/bericht/fuer-hochschulen/
Die Sustainable Development Goals: https://sdgs.un.org/goals

Veröffentlicht

Online-Redaktion

Sabine Schwarz