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VReiraum im Makerspace – Innovatives Lehrprojekt zum Einsatz von Virtual und Augmented Reality in der Hochschullehre

Besuch von Studierenden der Musikdidaktik im VR-/ARMakerspace der Informatik
Praktische Erprobung von VR-Exkursionen im Seminar der Geographiedidaktik
Von Studierenden der Mathematikdidaktik entwickelte virtuelle Lernumgebung
Foto : Florian Nowotny
Besuch von Studierenden der Musikdidaktik im VR-/ARMakerspace der Informatik
Foto : AG Geographische Bildung
Praktische Erprobung von VR-Exkursionen im Seminar der Geographiedidaktik
Bild : Lena Florian
Von Studierenden der Mathematikdidaktik entwickelte virtuelle Lernumgebung

Wie wollen wir leben in der Stadt der Zukunft? Lässt sie sich so gestalten, dass Klima und Umwelt geschützt, der soziale Zusammenhalt und kultureller Austausch gefördert werden? Nachhaltige Stadtentwicklung macht es möglich. Wie sie funktioniert, konnten Schülerinnen und Schüler der Potsdamer Voltaire-Schule und des Hannah-Arendt- Gymnasiums im Geographieunterricht schon einmal realitätsnah erproben. Lehramtsstudierende der Universität Potsdam hatten dafür eine virtuelle Lernumgebung geschaffen und in der praktischen Anwendung wichtige Erkenntnisse über den effektiven Einsatz solcher Medien gewinnen können. Initiiert und didaktisch begleitet wurde das Ganze von Prof. Dr. Nina Brendel.

Seit einigen Jahren schon erforscht die Geographiedidaktikerin die Einsatzmöglichkeiten von Virtual Reality im Geographieunterricht und steht dazu auch im engen Austausch mit anderen Fachdidaktiken. „Es gibt an der Universität inzwischen sehr viele Initiativen, die sich damit befassen. Da entsteht ein richtiger Schwerpunkt“, beobachtet Nina Brendel. „Es wurde Zeit, diese Ressourcen zu nutzen, Expertisen zu bündeln und einzelne Entwicklungsfelder zu beschreiben.“ Gesagt, getan. Angeregt von Uni-Vizepräsidentin Britta van Kempen entwarf Nina Brendel das Projekt „VReiraum“, mit dem sie im „Freiraum“- Wettbewerb der Stiftung Innovation in der Hochschullehre Erfolg hatte. Der Name war Programm: Ein Jahr Zeit und Mittel, um mit VR- und AR-Technik zu experimentieren, Neues auszuprobieren und zu schauen, wie sich diese Medien didaktisch klug in die Hochschullehre einbauen lassen. Nicht nur in Geographie und Informatik, sondern auch in Mathematik und Musik, Geschichte und Chemie. Von Anfang an wurden die Studierenden einbezogen. „Schließlich war es ja nicht nur ein Forschungs-, sondern vor allem ein Lehrprojekt“, erklärt Koordinatorin Lisann Prote. Fünf Säulen trugen das Dach, unter dem sich die verschiedenen Fachkulturen zusammenfinden, austauschen und interdisziplinär vernetzen konnten. Makerspace nannten die Initiatoren diesen gemeinsamen Raum, dessen erste Säule zwei ganz real existierende VR-Labore bildeten. In den beiden Werkstätten fanden die Studierenden alles vor, was sie zum „Bau“ virtueller Lernumgebungen benötigten: VR-Brillen, 360-Grad-Kameras, Teleskopstangen sowie einen VR-fähigen Laptop. Was ihnen an technischem Equipment fehlte, konnten sie in den einzelnen Fächern ausleihen. Ein Vorteil der interdisziplinären Zusammenarbeit.

Die Technik gehört schon jetzt zur Lebenswelt

Die zweite Säule, die Nina Brendel für das Gelingen unverzichtbar hält, ist eine gut durchdachte Supportstruktur. Sie garantierte, dass die Studierenden auf die Forschungsexpertise und Beratung aller Dozierenden zugreifen und so auch fachfremde Perspektiven auf VR und AR kennenlernen konnten. Die virtuellen und augmentierten Lernwelten, die sie unter professioneller Anleitung entwickelten, wurden anschließend in der Schulpraxis getestet. „Wir hatten zuvor mit den Lehrkräften besprochen, was im Unterricht gerade behandelt wird, und unser Angebot darauf abgestimmt“, berichtet Nina Brendel. Was bringen die Schülerinnen und Schüler an Wissen und Erfahrungen mit? Woran lässt sich anknüpfen? Welche Inhalte sollen vermittelt, welche Lernziele erreicht werden? All das sei vorab zu klären, wie bei jeder anderen Unterrichtsplanung auch, betont die Didaktikerin. „Die Klassen, in denen wir das ausprobierten, waren neugierig und interessiert“, berichtet Nina Brendel. Diese Technik gehöre schon jetzt zur Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen. Die Kultur der Digitalität werde die Art des Lernens und Gestaltens verändern, ist sie sich sicher. „Darauf müssen wir uns vorbereiten.“ Umso wichtiger sei es gewesen, dass die Lehramtsstudierenden im Projekt sofort rückgemeldet bekamen, ob und wie ihre VR-Umgebung „funktionierte“ und zum Lernerfolg führte.

Der gesamte Prozess wurde wissenschaftlich begleitet, um perspektivisch einen ersten Entwurf für ein Kompetenz-Modell zu VR und AR für die Lehramtsausbildung an der Uni entwickeln zu können. So entstanden im Projekt „VReiraum“ auch fachübergreifende Materialien für die Lehre, die jetzt als Open Educational Resources (OER) allen Dozierenden zur freien Verfügung stehen. Deren Vernetzung beschreibt Koordinatorin Lisann Prote als dritte Säule. „Wir stellten im Verlauf des Projekts fest, dass die Verantwortung zur Vernetzung zunächst verstärkt bei den Dozierenden liegen sollte. Sie initiierten gegenseitige Besuche in den Seminaren oder organisierten kurze Input-Beiträge von fachfremden Dozierenden für die Studierenden. So erklärte eine Chemiedidaktikerin beispielsweise im Geschichtsseminar ein Tool namens BlippAR, das in der Chemiedidaktik Anwendung findet.“ Nur ein Beispiel gelebter Interdisziplinarität, die im „VReiraum“ kultiviert wurde. Tutorials, Anleitungen und Podcasts, die in den einzelnen Fächern entstanden, komplementieren inzwischen den Makerspace.

Chancen und Risiken diskutieren

Eine vierte Säule bildete der Input externer Fachleute. So sprach Prof. Pablo Dornhege von der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft über das Problem, dass sich in der Regel nur eine Person in einer virtuellen Realität befindet und die anderen dabei zuschauen, ohne miteinander zu interagieren. Als Lösung präsentierte er Formen gemeinsamen Lernens in hybridrealen Räumen, die an seiner Hochschule erprobt wurden. Im Vortrag von Jonas Hansen, Professor für Design und Medientechnologie an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule in Halle, ging es um die Gestaltung immersiver Erfahrungsräume. Dass Virtual Reality im Schulunterricht neben großen Chancen auch Risiken birgt, thematisierte Prof. Raphael Zender, Informatikdidaktiker an der Humboldt- Universität zu Berlin. Dank solcher Gastbeiträge bot „VReiraum“ tatsächlich auch den Freiraum für wissenschaftliche Diskussionen und einen überfachlichen Gedankenaustausch.

Um alle Erkenntnisse und Ergebnisse zu sammeln und für die Zukunft zu sichern, wurde schließlich eine Vernetzungs- und Dokumentationsplattform geschaffen – die fünfte Säule des Projekts. Zu ihr gehörte auch eine Ideen-Werkstatt, in der virtuelle Lernumgebungen vorgestellt und getestet werden konnten. Zum Beispiel das VR-Klassenzimmer, in dem Lehramtsstudierende in konkreten Unterrichtssituationen agieren lernen. Die Geographiedidaktik lud zu einer 360-Grad-Exkursion in die deutsch-polnische Grenzregion nach Frankfurt/Oder ein. Die Musikdidaktik zeigte, wie ihre Studierenden ein virtuelles Orchester dirigieren, und die Mathematikdidaktik ließ mit Cubeling- VR Würfelfiguren virtuell nachbauen …

Denkfabrik geplant

Und wie geht es nun weiter? Wird der „VReiraum“ nach einem Jahr Projektförderung wieder geschlossen? Keineswegs, sagt Nina Brendel. „Innerhalb der Uni haben wir eine hohe Sichtbarkeit erreicht. Mit dem Zentrum für Informationstechnologie und Medienmanagement stehen wir im Kontakt, um die Infrastruktur weiter auszubauen. Auch mit dem Chief Information Officer und der Vizepräsidentin für Lehre und Studium sind wir uns einig, die Erfahrungen zu nutzen, um eine größere Art des Makerspaces für die gesamte Universität zu schaffen“, berichtet die Initiatorin. Und natürlich werde der Austausch zwischen den Fächern fortgesetzt. „Wir haben so viel voneinander gelernt“, sagt die Geographiedidaktikerin. Über die Experteninputs bahnen sich zudem neue Kooperationen an, etwa mit der Humboldt- Universität oder der Babelsberger Filmuniversität. Nicht zuletzt will das Zentrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung eine über Stipendien finanzierte VR-Denkfabrik einrichten. ANTJE HORN-CONRAD

Projektleitung und -koordination

Prof. Dr. Nina Brendel kam 2017 als Juniorprofessorin an die Universität Potsdam und ist seit 2021 Professorin für Geographische Bildung.

Lisa Prote ist seit 2022 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Geographiedidaktik am Institut für Geographie der Universität Potsdam und koordinierte das Projekt „VReiraum“.

Das Projekt

VReiraum – Entwicklung eines interdisziplinären VR-/ AR-Makerspace für Lehramtsstudierende an der Universität Potsdam
Förderung: Stiftung Innovation in der Hochschule
Laufzeit 8/2022–11/2023

https://www.uni-potsdam.de/de/vreiraum

Freiräume für innovative Lehrprojekte

Die Stiftung Innovation in der Hochschullehre förderte im Rahmen ihres Förderprogramms „Freiraum 2022“ an brandenburgischen Hochschulen insgesamt acht innovative Lehrprojekte mit rund 1,46 Millionen Euro. „Wir brauchen langfristige Strategien für zukunftsweisende Lehre und experimentelle Spielräume für die Entwicklung frischer Ideen“, sagte Wissenschaftsministerin Dr. Manja Schüle. „Die acht Brandenburger Projekte unterstützen die Transformation hin zu neuen, inklusiven, noch partizipativeren Formen des Lehrens, Lernens und Wissenstransfers. Fortschrittliche Lehre ‚Made in Brandenburg‘ sichert Hochschul-Qualität und Zukunft des Landes.“

Webseite der Stiftung: https://stiftung-hochschullehre.de

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal Wissen - Eins 2024 „Bildung:digital“ (PDF).