2019 kam die gebürtige Dresdnerin fürs Jurastudium nach Potsdam. Da hatte sie bereits einen Bachelor of Arts in Soziologie in der Tasche. An der Universität Potsdam engagierte sie sich weit übers Studium hinaus, war Mitglied im Studierendenparlament, Referentin für Gender- und Queerpolitik beim Allgemeinen Studierendenausschuss und Hilfskraft bei Marcus Schladebach, Professor für Öffentliches Recht, Medienrecht und Luft- und Weltraumrecht. Inzwischen hat die 27-Jährige einen Bachelor in Rechtswissenschaften erworben und ihren Schwerpunkt im Internationalen Recht abgeschlossen. Bei aller Hoffnung auf Brüssel lebt Triems gerne in Potsdam und schätzt das Land Brandenburg. „Ich bin Ossi!“, sagt die junge Frau mit Piercings und schwarzer Lederjacke, und fügt hinzu: „Man kann auch eine progressive Ostdeutsche wählen.“
Für Europa wünscht sich die Studentin Vielfalt, soziale Gerechtigkeit und starke Menschenrechte. Doch auch der Umweltschutz ist ihr wichtig. Als Jugendliche beschäftigte sie sich mit dem Klimawandel und fing an „auf Fleisch zu verzichten, weniger Plastik zu verbrauchen und fair einzukaufen“. Als sie zum Studium nach Potsdam kam, wollte sie noch mehr tun und entschloss sich, bei Bündnis 90/Die Grünen einzutreten. Seither hat Viviane Triems den Umweltschutz aber den Parteikolleginnen und -kollegen überlassen und setzt sich vor allem mit Queerpolitik auseinander. 2021 war sie Frauen-, inter-, trans- und genderpolitische Sprecherin der Grünen Jugend Brandenburg. Heute vertritt sie die Bundesarbeitsgemeinschaft Lesbenpolitik und ist Vielfaltspolitische Sprecherin im Landesvorstand Brandenburg. „Das macht mir einfach Spaß. Meine Aufgabe ist darauf zu achten, dass Vielfalt bei jedem Schritt mitgedacht wird und als Querschnittsaufgabe überall vertreten ist.“
Triems verfolgt einen intersektionalen Ansatz, der Menschen stärken soll, die auf mehreren Ebenen diskriminiert werden: zum Beispiel, weil sie Schwarz sind, queer und/oder eine Behinderung haben. „Wenn wir queere Rechte als Menschenrechte auf europäischer Ebene festsetzen, kann an ihnen nicht mehr gerüttelt werden, selbst wenn ein nationales Parlament nach rechts kippt.“ Triems ist auch selbst queer. Aber die Studentin betont, dass sie Politik nicht zum Selbstzweck macht. „Es ist mir wichtig, dass alle Menschen ein selbstbestimmtes Leben führen können.“
Auf ihrer Agenda steht auch ein Grundrecht auf Wohnen, das es bislang nicht gibt. „Nicht nur in Deutschland, in ganz Europa ist Wohnraum extrem prekär.“ Triems möchte erwirken, dass Privatpersonen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ihr Grundrecht auf Wohnen einklagen können. Dies würde, so ihre Hoffnung, den Druck auf die nationalen Parlamente zu erhöhen und die Politik zum Handeln zwingen.
Junge Frauen werden bei den Grünen dringend gesucht, erzählt die Studentin. Denn in der Partei herrscht Parität, die Hälfte der Plätze auf den Wahllisten geht an Politikerinnen. „Ich habe also sehr schnell sehr viel Verantwortung übernommen, das war eine Herausforderung.“ Ihr politisches Engagement ist ehrenamtlich – neben dem Studium hat sie derzeit außerdem einen Job als Wissenschaftliche Hilfskraft im Bundestag. Die politische Arbeit kam jedoch ihrem Studium zugute: Sie lernte viel über Staatsrecht. Umgekehrt konnte sie den Studien-Schwerpunkt zum Internationalen Recht gleich anwenden: „Ich weiß jetzt schon aus der Praxis, wie die europäische Politik funktioniert.“
Als Viviane Triems erfuhr, dass die Brandenburgerin Ska Keller, die aktuell in der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament sitzt, nicht kandidieren wird, entschloss sie sich, in deren Fußstapfen zu treten. „Wir brauchen eine nächste Brandenburgerin“, dachte sie sich. „Und da ich mir gut vorstellen kann, Vollzeit-Politikerin zu sein, wollte ich es probieren.“ Auf dem Bundesparteitag im November 2023 brachte sie sich für den Platz 20 auf der Europaliste ein – und wurde gewählt.
„Aussichtsreich sind vielleicht die ersten 15 bis 18 Plätze“, sagt Triems. Noch ist also alles offen für die Potsdamer Studentin. „Ich habe aber schon sehr viel Bock darauf, dass es klappt.“ Wird sie gewählt, reist sie direkt nach Brüssel zur ersten Fraktionssitzung. Dort wird über die Parlamentspräsidentin abgestimmt und es finden die konstituierenden Sitzungen statt. „Ich finde den europäischen Gedanken schön: Obwohl sie so unterschiedlich sind, kommen all diese Staaten zusammen, um gemeinsam zu arbeiten.“
Viviane Triems will die Menschen dazu bewegen, zu wählen – und zwar eine demokratische Partei. Im Wahlkampf konzentriert sie sich auf Social Media. „In den letzten Monaten habe ich festgestellt, dass die AfD auf TikTok viele junge Leute mobilisiert.“ Sie möchte dem etwas entgegensetzen, dreht Aufklärvideos über die europäische Gesetzgebung, aber genauso Tanzvideos mit politischen Claims. Viviane Triems kann aber auch konservativ: Dann macht sie Haustürwahlkampf oder steht an Infoständen. Der Social-Media-Wahlkampf liegt ihr zwar mehr, denn es sei nicht immer leicht, auf Menschen zuzugehen. „Viele wollen in ihrer Blase bleiben und das verstehe ich auch. Aber mir ist es wichtig, persönlich mit den Leuten ins Gespräch zu kommen.“
Sollte es in diesem Sommer nicht klappen mit Brüssel, dann hat Triems schon einen Plan B: Sie möchte einen Master im Internationalen Recht anschließen. Der Politik will sie in jedem Fall erhalten bleiben. Und auch der Traum, Europa-Abgeordnete zu sein, wäre damit noch nicht vom Tisch – schließlich ist nach den Wahlen vor den Wahlen: „Es zieht mich einfach nach Brüssel.“