Vieles hat sich seither getan: Dank der Förderung vom Bildungs- und vom Wissenschaftsministerium konnte das Angebot über die Jahre ausgebaut und immer wieder neu aufgelegt werden. Nun auch für Geflüchtete aus der Ukraine. Inzwischen kümmert sich ein eigenes Team um das Programm, das nach Miriam Vocks Ansicht verstetigt werden sollte, da angesichts zunehmender Migration der Bedarf an qualifizierten Lehrkräften mit unterschiedlichem kulturellen und sprachlichen Hintergrund noch ansteigen werde. Problematisch sei nach wie vor, dass Lehrkräften aus dem Ausland das in Deutschland geforderte zweite Fach fehle, um vollwertig anerkannt und fest eingestellt zu werden. Auch dafür hat das Refugee Teachers Progam mittlerweile fachspezifische Studien eingerichtet. Miriam Vock, die jetzt viel intensiver danach schaut, wie in anderen Ländern Lehrkräfte ausgebildet werden, wünscht sich ein Umdenken. Fast nirgends in der Welt sei es üblich, auf einem zweiten Fach zu bestehen. Angesichts des Lehrkräftemangels in Deutschland könne man sich das eigentlich auch gar nicht leisten.
Über ihre Erfahrungen hat die Wissenschaftlerin viel geschrieben und referiert. Andere Universitäten griffen die Potsdamer Initiative auf und setzten ähnliche Programme auf, etwa in Köln, Bochum und Bielefeld. Auch wenn die Professorin auf diesem Gebiet nicht explizit forscht, so hat das Refugee Teachers Program doch ihre Perspektive geweitet und ihr gezeigt, was in kürzester Zeit zu schaffen ist, wenn alle an einem Strang ziehen. Wie die damals entstandene Arbeitsgruppe quer durch alle Uni-Strukturen zügig und pragmatisch nach Lösungen suchte, war von echtem Gemeinschaftssinn und großer Willkommenskultur geprägt, erinnert sich die Wissenschaftlerin. Eine Erfahrung, die sie genauso berührte wie die persönlichen Begegnungen mit den Geflüchteten, von denen viele schwer traumatisiert waren, getrennt von Familienangehörigen, deren Schicksal ungewiss blieb. Lange Anfahrtswege, überfüllte Unterkünfte, kein Geld, um sich etwas zu essen zu kaufen – all das hatte sie nicht davon abgehalten, die intensiven Sprach- und Pädagogikkurse zu absolvieren. Miriam Vock, die sich sonst eher als Beobachterin sieht, Prozesse analysiert und beschreibt, geriet hier in die Rolle der Akteurin und nahm die Verantwortung an. Dafür ließ sie manch andere Dinge liegen. Und hat dabei doch so viel hinzugewonnen.
Die Forscherin
Prof. Dr. Miriam Vock ist seit 2011 Professorin für Empirische Unterrichts- und Interventionsforschung an der Universität Potsdam.
E-Mail: miriam.vockuuni-potsdampde
Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal Wissen - Eins 2024 „Bildung:digital“ (PDF).