Ursprünglich wollte sie sich beruflich für Menschenrechte einsetzen. Doch Marcus Schladebach, Professor für Öffentliches Recht, Medienrecht und Luft- und Weltraumrecht an der Universität Potsdam, regte sie dazu an, zum Umweltrecht zu forschen. „Seine Argumentation hat mich überzeugt: Umwelt- und Menschenrechte hängen eng zusammen.“ Schließlich sei das Meer eine Lebensgrundlage für Menschen, reguliere das Klima und sorge für Regen. Ein Jahr lang schliffen von Rebay und Schladebach an dem Thema. Von dem Einsatz ihres Doktorvaters, mit ihr ein passendes Thema zu suchen, profitiert die Juristin noch heute – denn damit legte sie auch den Grundstein für ihre eigene Kanzlei, die sich auf den Seeumweltschutz spezialisiert hat.
In ihrer Dissertation befasste sich Anna von Rebay letztendlich mit der rechtlichen Pflicht zur Ausweisung von Meeresschutzgebieten. „Das sind Gebiete, in denen menschliche Handlungen nur eingeschränkt zugelassen oder verboten sind, also etwa nicht gefischt werden darf“, erklärt sie. Ihr damaliger Ausgangspunkt: Auf der UN-Biodiversitätskonferenz 2010 in Japan erklärten 193 Staaten, zehn Prozent der Ozeane bis 2020 unter Schutz stellen zu wollen – ein Ziel, dass mit rund sieben Prozent deutlich verfehlt worden war. Auch drei Jahre später sind lediglich acht Prozent der Ozeane und zwei Prozent der hohen See geschützt. Von Rebay ging in ihrer Arbeit der Frage nach, ob die Staaten verpflichtet werden können, Meeresschutzgebiete auszuweisen. Sie kam zu dem Ergebnis: Ja. Das Internationale Seerecht verpflichtet die Staaten, die Meeresumwelt zu schützen und zu bewahren. Die Grundschleppnetzfischerei auf hoher See zum Beispiel ist jedoch umweltschädlich. „Diese Methode schädigt die Natur in etwa so, als würde man einen Wald roden, um Wildschweine zu jagen.“ Der Meeresboden wird zerstört, etliche Fisch- und Vogelarten, auf die es die Fischer gar nicht abgesehen haben, landen in den Netzen.
Doch wie kann die Meeresumwelt zu ihrem Recht kommen? „Zuständig für die Durchsetzung internationalen Rechts sind der Internationale Seegerichtshof und der Internationale Gerichtshof. Hier sind allerdings nur die Staaten klagebefugt“, erklärt Anna von Rebay. Es gebe zwei Wege, um einen Gerichtshof anzurufen: Entweder verklage ein Staat einen anderen – das werde jedoch kaum passieren, denn dann wären alle politischen Beziehungen erst einmal stillgelegt. Aber es sei möglich, ein Rechtsgutachten zu beantragen. Dieses sei zwar nicht bindend. „Trotzdem hat es eine große Autorität und bringt den Staaten Klarheit.“ Wenn das Gutachten die Verpflichtung zum Seeumweltschutz bekräftigt, werde es wiederum wahrscheinlicher, dass ein Staat doch einen anderen verklage. Zudem könnten Staaten solche Gutachten zum Anlass nehmen, Verträge zum Schutz der Ozeane zu schließen und dabei etwa die Grundschleppnetzfischerei ganz verbieten. Außerdem könne sich daraus Gewohnheitsrecht entwickeln. „Es handelt sich also um einen eleganten Weg, um Staaten zur Verantwortung zu ziehen.“
In ihrer Kanzlei führt Anna von Rebay heute nicht nur Prozesse zu umweltschädlichen Fischereimethoden, sondern auch zum Tiefseebergbau. Bei dieser neuartigen Gewinnung von Rohstoffen in 4.000 bis 7.000 Metern Tiefe pumpen Roboter über Schläuche unter anderem Edel- und Spurenmetalle an Bord von Schiffen. Das Abfallwasser mit den für den Abbau benötigten Chemikalien wird direkt ins Meer geleitet.
„Alle Gefahren für das Meer gehen vom Menschen aus, der sich verhält, als wäre die Natur nicht mehr als eine Ressource“, sagt Anna von Rebay. Sie arbeitet in ihrer Kanzlei nicht mit Unternehmen zusammen, sondern ausschließlich mit Stiftungen und Organisation, in Deutschland etwa mit der Deutschen Umwelthilfe, dem BUND oder dem Netzwerk „Rechte der Natur“. Rebay und ihre drei Angestellten führen einerseits Prozesse, andererseits arbeiten sie gemeinsam mit den Umweltschutzorganisationen an der Entwicklung von Rechten der Natur. Dabei gehe es darum, die Natur nicht mehr nur als Ressource zu betrachten, sondern sie um ihrer selbst willen zu schützen. „Wenn wir Tieren, Landschaften und anderen Naturbestandteilen Rechte verleihen, können natürliche oder juristische Person diese vor Gericht durchsetzen.“ Und das geschieht zunehmend auch: Weltweit gab es schon 200 Prozesse dieser Art. In Deutschland sind Tiere bislang Sachen gleichgestellt. Anna von Rebay und ihr Team sehen hier dringenden Änderungsbedarf: Sie arbeiten derzeit daran, dem Schweinswal in der Ostsee eigene Rechte zu verleihen.
Damit bis 2030 knapp ein Drittel der Ozeane als Meeresschutzgebiete ausgewiesen sind – ein Ziel, das sich die Mitglieder der International Union for Conservation of Nature (IUCN) gesetzt haben –, ist es noch ein weiter Weg. Deswegen ist Anna von Rebay überzeugt: „Wir brauchen eine universelle Erklärung für Meeresrechte, um den Ozeanen international Rechte zu verleihen.“
Mehr darüber im Podcast Listen. UP – Folge #46 „The wave of ocean litigation (Die Welle der Rechtsstreitigkeiten im Meer)“
Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal Transfer - 2024 (PDF) und Portal - Eins 2024 „Welt retten“ (PDF).