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Games hoch drei – Intermedial, interdisziplinär und interinstitutionell

Prof. Dr. Jan Distelmeyer (l.) und Prof. Dr. Sebastian Möring (r.) stehen in einem Raum voller Spiele.
Der Handygame-Klassiker Angry Birds auf dem Smartphone.
Foto : Thomas Roese
Prof. Dr. Jan Distelmeyer (l.) und Prof. Dr. Sebastian Möring (r.) forschen am Zentrum für Computerspielforschung
Foto : Thomas Roese
Beim Handygame-Klassiker Angry Birds müssen Vögel in Bauten geschleudert werden, um Schweinen den Garaus zu machen. Weil dabei besonders erfolgreich ist, wer die vorgesehenen Abläufe und (Software-)Architekturen erkennt, können Spielende etwas über Computerspiele lernen.

Aus Einsen und Nullen entstehen einzigartige Welten. So manche*r taucht fast täglich in die Pixellandschaften ein – zum Häuserausstatten, Autorennenfahren oder Schätzegewinnen. Auch hinter den Mauern der Uni Potsdam schlummern Kostbarkeiten – nämlich ein wahrer Gaming-Schatz. Für dessen Aufbewahrung und Erforschung ist das Digital Games Research Center, kurz DIGAREC, zuständig. Prof. Dr. Sebastian Möring als ehemaliger und Prof. Dr. Jan Distelmeyer als amtierender Leiter teilen diesmal in der Reihe „Popkultur hoch drei“ ihr Wissen zu Computerspielen, damit Sie als Lesende unabhängig von Ihrem Wissenslevel für das nächste Gespräch zum Thema gewappnet sind.

Computerspiele für …

… Level 1: für Anfänger*innen aka Noobs

Von Candy Crush oder Minecraft hat bestimmt jede*r schon gehört. Aber was ist eigentlich ein Game? Einfache Antwort: „Es sind Spiele auf der Basis von Computertechnik“, sagt Jan Distelmeyer. Ausführlicher gesprochen sind sie Zeichensysteme wie Bücher oder Filme. Aber eine Eigenschaft unterscheidet sie von den restlichen Medien: „Computerspiele sind Texte, die man durchschreiten kann, wenn man Arbeit investiert“, sagt Sebastian Möring. „Der eigene Aufwand wird bewertet.“ Dabei ist es unerheblich, ob die Spieler*innen auf dem PC oder dem Handy agieren. Die Mindestanforderung ist lediglich, dass sie mit Controller oder Tastatur umgehen können, um in das Medium einzutauchen.

Wer keine Ahnung vom digitalen Spielen hat, wird im Gaming-Jargon als „Noob“ bezeichnet, was die Kurzform von „newbie“, zu Deutsch „Neuling“, ist. Auch wenn der Begriff unter Spieler*innen negativ behaftet ist, sind sich die beiden Medienwissenschaftler einig: „Wir sind Fans von Noobs. Mit unseren Seminaren wollen wir gerade Studierende mit wenig Berührungspunkten für die Game Studies begeistern“, so Sebastian Möring.

Spieltipp: Beim Handygame-Klassiker Angry Birds müssen Vögel in Bauten geschleudert werden, um Schweinen den Garaus zu machen. Weil dabei besonders erfolgreich ist, wer die vorgesehenen Abläufe und (Software-)Architekturen erkennt, können Spielende etwas über Computerspiele lernen.

… Level 2: für Fortgeschrittene

Computerspiele haben mehr Jahre auf dem Buckel, als man zunächst vermuten mag. Bereits Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts tauchte die erste Vorform auf, weiß Sebastian Möring, und das sogar in unserer Region: Preußische Generäle sollten spielerisch in Kriegsführung ausgebildet werden. Dafür bekamen Truppen, Einheiten und Terrains Werte zugeteilt. Neben den zwei imaginären Kriegsparteien gab es eine Person, die verschiedene Aktionen und Spielzüge verrechnete. Der sogenannte „Vertraute“ war damit ein analoger „Personal Computer“.

In den letzten 40 Jahren unterlagen die Spiele – in Thematik und vor allem Hardware – einem historischen Wandel: Was früher noch analog auf CD-Roms oder anderen Datenträgern gespeichert wurde, ist in Zeiten der digitalen Vertriebsplattformen wie Steam, auf dem die Spiele einfach downgeloadet werden können, längst überholt. Jan Distelmeyer fasst die Schnelllebigkeit des Mediums so zusammen: „Die 15-Jährigen heutzutage fragen sich, wenn sie eine CD-ROM sehen: Was ist das?“

Spieltipp: In Portal 2 lösen die Spielenden Rätsel in den Räumen einer Forschungseinrichtung. Per „Portal Gun“ entstehen Tore, durch die Gamer*innen die Spielfigur oder Gegenstände befördern können, um das Level zu knacken. Bei seinem Erscheinen 2011 stellte das Spiel bisherige Steuerungsmustern auf den Kopf: Die Gamer*innen konnten ihre Figur in einer völlig neuen Form durch den Raum navigieren.

… Level 3: für Kenner*innen

Was beschreibt das Wort „Gameplay“ genau – ein Gefühl oder eine Spielstruktur? Wie abschätzig ist der Begriff „Walking Simulator“? „Sich den Begriffen der Game Studies zu nähern, ist oft so schwer, wie den Medienbegriff einzugrenzen“, sagt Jan Distelmeyer und gesteht der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Games eine große Schnittmenge mit den Medienwissenschaften zu. Die Begrifflichkeiten befinden sich – wie das Medium selbst – im stetigen Fluss: Schlagworte wie „Interaktivität“ oder „Endgegner“, die in den 1990er-Jahren geprägt wurden, seien heute nicht mehr prägend. Also Achtung, wenn Sie in der nächsten Gesprächsrunde nicht als Noob auffallen wollen.

Eines ist klar: „Die einzig logische Form, Computerspiele zu untersuchen, ist interdisziplinär“, sagt Sebastian Möring. So erklärt sich auch, dass das DIGAREC als hochschulübergreifende Forschungseinrichtung gegründet wurde, die zwischen der Universität Potsdam, der Fachhochschule Potsdam und Forschenden weiterer Institutionen im Raum Brandenburg und Berlin besteht. Das Zentrum richtet Konferenzen zur Computerspielforschung aus, gibt eine eigene Publikationsreihe heraus und kümmert sich darum, Spiele zu archivieren, die Studierende und Forschende zu Untersuchungszwecken spielen können. Das DIGAREC -Team geht aber auch bewusst über konventionelle Forschungsformen hinaus: Sebastian Möring hat beispielsweise eine interaktive Ausstellung zur Ingame Photography gestaltet. Dort sind Bildschirmfotos von Spielen zu sehen, die er zusammen mit Studierenden von 2016 bis 2020 aufgenommen hat. Bis heute führt er auf Anfrage hindurch und zeigt so, dass Computerspiele ästhetisch erfahrbar sind.

Spieltipp: In dem Shooter-Game Deathloop übernehmen die Spielenden die Rolle einer*s Revolverhelden*in, die nur von einer mysteriösen Insel entkommen kann, wenn sie innerhalb eines Tages alle acht Endgegner*innen erledigt. Stirbt die Spielfigur zwischendurch, beginnt der Tag von neuem. Das Spiel ist optisch im Science-Fiction Stil aus den 1970er-Jahren gehalten. Sonst eher untypisch für Games stimmen Gameplay- und die Erzählebene überein und macht so beispielsweise Sterblichkeit erzählbar.

 

Wer selbst einmal durch die Ausstellung laufen möchte, kann sie sich hier anschauen: https://hubs.mozilla.com/dS3rgkz/digarec-gallery

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Eins 2024 „Welt retten“ (PDF).