An welchem Projekt werden Sie hier an der Universität Potsdam arbeiten?
Die Projektidee ist, den Wasserhaushalt in Europa unter den derzeitigen und zukünftigen klimatischen Bedingungen zu quantifizieren. Der Wasserhaushalt beschreibt, wie sich der Niederschlag im Einzugsgebiet eines Flusses in Abfluss und Verdunstung aufteilt. Dabei arbeite ich mit umfangreichen Datensätzen, die Informationen zu Niederschlag, Verdunstung, Abfluss und Temperatur umfassen und versuche die hydrologischen Modelle an diese anzupassen. Die Herausforderung ist, dass es in den Datensätzen große Unsicherheiten gibt, speziell für die Verdunstung. Indem ich verschiedene Datensätze der letzten Jahrzehnte kombiniere und die Modelle damit kalibriere, möchte ich herausfinden, wie zuverlässig sie sind. In einem zweiten Schritt werden die kalibrierten Parameter benutzt, um die Modelle mit zukünftigen Daten zu durchlaufen und so die Entwicklung des Wasserhaushalts bis zum Ende des Jahrhunderts abzuschätzen.
Welche Datensätze und Software benutzen Sie?
Ein Beispiel sind die täglichen meteorologischen Beobachtungen E-OBS des Copernicus-Programms der Europäischen Union, die unter anderem Niederschlag, Temperatur, Luftdruck und Feuchtigkeit in Europa von 1950 bis jetzt umfassen. Ein weiteres ist das Global Runoff Data Centre, ein weltweites Archiv für Flussdaten und zugehörige Metadaten, das von der Bundesanstalt für Gewässerkunde zur Verfügung gestellt wird. Meine Methode wird als „Large-Sample Hydrology” bezeichnet und umfasst die statistische Analyse von Daten aus einer großen Anzahl von Fluss-Einzugsgebieten in Europa mit der Programmiersprache Python.
Was wollen Sie innerhalb der nächsten zwei Jahre erreichen?
Ich verfolge drei Ziele: Zunächst möchte ich den Wasserhaushalt für die Europäischen Einzugsgebiete aus datenwissenschaftlicher Sicht und mithilfe unterschiedlicher hydro-klimatischer Datensätze quantifizieren und analysieren. Als zweites möchte ich die Kombination von Abfluss und Verdunstung in meine Modellkalibrierung integrieren. Dazu nutze ich das hydrologische Modell „Variable Infiltration Capacity” (VIC) und berechne meine Ergebnisse auf dem High Performance Computing Cluster hier an der Universität Potsdam. Indem ich das Modell kalibriere, kann ich testen, ob es den Daten entsprechend gut funktioniert oder nicht und einen Workflow in VIC entwickeln. Das habe ich bereits während meiner Zeit als Doktorand an der Universität Granada für Spanien getan und möchte es nun auf ganz Europa anwenden. Als drittes soll die neue Generation dekadischer Vorhersagen im Hinblick auf die Modell-Leistungsfähigkeit für Abfluss und Verdunstung bewertet werden. Neben der Forschung würde ich gern Masterstudierende im Studiengang „Climate, Earth, Water, Sustainability“ betreuen.
Warum ist es wichtig, Daten zur Verdunstung in die hydrologischen Modelle einzubeziehen?
Die Verdunstung steigt weltweit aufgrund des Klimawandels an und wird als Variable zur Kalibrierung und Evaluierung zunehmend beachtet, um die hydrologischen Modelle der physikalischen Wirklichkeit näher zu bringen. Bei Modellanalysen wurde jedoch traditionell nur mit Abflussdaten gearbeitet und die Verdunstung ignoriert. Durch meine eigenen Analysen, die ich bereits veröffentlicht habe, stellte ich fest, wie wichtig der Effekt der Verdunstung ist. Ich habe die Leistungsfähigkeit des Modells für zwei verschiedene Kalibrierungen miteinander verglichen: die eine berücksichtigt nur den Abfluss in den Flussläufen und die andere berücksichtigt sowohl den Abfluss als auch die Verdunstung. Dabei habe ich herausgefunden, dass es sinnvoll ist, beide Kalibrierungen miteinander zu kombinieren.
Sie sind in der Arbeitsgruppe „Hydrologie und Klimatologie“ von Prof. Axel Bronstert zu Gast. Wie kam der Kontakt zustande?
Ich habe mir einige wissenschaftliche Fachartikel von Personen aus seiner Gruppe durchgelesen und bemerkt, dass sie einen ähnlichen Ansatz verfolgen, wie ich ihn in Spanien während meiner Doktorandenzeit benutzt habe. Weil mir mein PhD-Stipendium ermöglichte, für einige Monate ins Ausland zu gehen, kontaktierte ich Axel Bronstert und konnte daraufhin 2022 für zwei Monate seine Arbeitsgruppe besuchen. Die Idee dahinter war, meine Arbeiten zu zeigen und ein passendes Postdoc-Stipendium zu finden. Zum Glück erfüllte ich alle Voraussetzungen für eine Bewerbung bei der Humboldt-Stiftung und Prof. Bronstert bot mir an, mein Gastgeber zu sein, also bewarb ich mich erfolgreich um die Postdoc-Förderung.
Haben Sie bereits Deutsch gelernt?
Ja, ich habe von September bis Dezember 2023 in Berlin einen viermonatigen Sprachkurs der Humboldt-Stiftung belegt. Es war ein Intensivkurs in einer kleinen Gruppe, fünf Stunden am Tag über fünf Tage die Woche. Alle zwei Wochen wechselt man das Level, sodass man immer wieder neue Leute kennenlernt und über unterschiedliche Themen spricht. Ich mag die deutsche Sprache und habe gute Fortschritte gemacht.
Haben Sie einen Lieblingsplatz in Potsdam oder Berlin?
Ich genieße es, samstags über den traditionellen Bauernmarkt auf dem Weberplatz in Potsdam Babelsberg zu schlendern. Sie bieten dort regionales Obst und Gemüse, Brot, Marmelade, Fleisch und Fisch und noch vieles mehr an. Meine Familie kommt vom Land, daher weiß ich frische, hofeigene Produkte sehr zu schätzen und versuche den Markt jede Woche zu besuchen.