Seit vielen hundert Millionen Jahren hat die mittlere Temperatur auf der Oberfläche der Erde eine Schwankungsbreite von weniger als 25 Grad Celsius. Diese stabile Temperaturlage machte die kontinuierliche Entwicklung von Leben auf unserem Planeten erst möglich. Um dies zu gewährleisten, muss es eine Art „Thermostat“ geben, der über geologische Zeiträume hinweg die für die globale Temperatur entscheidende Menge an Kohlendioxid in der Atmosphäre reguliert. Eine wichtige Rolle für dieses Erd-Thermostat spielen die Erosion und Verwitterung von Gestein.
Sobald Gesteinsschichten durch Erosion freigelegt und Wind und Wetter ausgesetzt werden, setzt Verwitterung ein. „Dieser chemische Umwandlungsprozess läuft je nach Mineral ganz unterschiedlich und unterschiedlich schnell ab“, erläutert Niels Hovius, am Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ Leiter der Sektion Geomorphologie und Professor an der Universität Potsdam. Wenn beispielsweise Silikate verwittern, wird der Atmosphäre Kohlenstoff entzogen und später als Kalk ausgefällt. Andere Verbindungen dagegen, etwa Karbonate und Sulfide oder im Stein enthaltener organischer Kohlenstoff, setzen bei der Verwitterung CO2 frei. Diese Reaktionen laufen jedoch viel schneller ab als die Silikatverwitterung.
„Bei der Frage, was der Effekt von Erosion und Gebirgsbildung auf die Kohlenstoffbilanz ist, gibt es daher einige Komplikationen“, sagt Aaron Bufe, Professor für Sedimentologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Neue Einblicke in die konkurrierenden Verwitterungsprozesse
Grundsätzlich gilt: Die Geschwindigkeit der chemischen Auflösungsprozesse wird in erster Linie durch Erosion und damit durch die Zufuhr frischer Mineralien in die Verwitterungszone gesteuert, sowie durch die Verfügbarkeit reaktiver Fluide und den jeweiligen chemischen Reaktionsablauf der Mineralauflösung.
„Zu verstehen, wie die Verwitterungsraten durch tektonische und klimatische Randbedingungen beeinflusst werden, ist von entscheidender Bedeutung für die Modellierung der Erdentwicklung über geologische Zeiträume und für die Bewertung der Reaktion des Systems Erde auf natürliche und anthropogene Störungen“, sagt Niels Hovius.
Um ein klareres Bild über die hinsichtlich der CO2-Bilanz konkurrierenden Prozesse zu gewinnen, analysierten Aaron Bufe und Niels Hovius gemeinsam mit Jeremy Rugenstein von der Colorado State University, USA, Daten zum Ausmaß der Sulfid-, Karbonat- und Silikatverwitterung in unterschiedlichen Untersuchungsgebieten mit einem breiten Spektrum an bekannten Erosionsraten. Sie nutzten hierfür vier Datensätze, die Konzentrationen von gelösten Stoffen in Gebirgsbächen mit relativ einheitlichem silikatischen Metasedimentgestein enthielten. Drei Datensätze stammen aus dem südlichen Taiwan, aus dem östlichen tibetischen Plateau in Sichuan und aus den Südalpen Neuseelands. Der vierte ist eine globale Zusammenstellung von Gebirgsbächen aus Felsgestein als Referenz.
Verwitterungsmodell zeigt gemeinsame Mechanismen in verschiedenen Regionen
Für jeden Datensatz schätzten die Forschenden die Silikat-, Karbonat- und Sulfidverwitterungsflüsse anhand der Konzentrationen gelöster Stoffe und des Abflusses.
Auf dieser Basis ermittelten sie mithilfe von mathematischen Verwitterungsmodellen, wie die Verwitterung des jeweiligen Gesteins auf Änderungen der Erosionsrate reagiert. Hierfür passten sie ein weit verbreitetes Modell an, das chemische Verwitterungsflüsse aus erodierenden Landschaften als Funktion des Erosionsflusses und klimatischer Parameter wie Abfluss und Temperatur beschreibt.
„Bei unseren Untersuchungen haben wir für alle Standorte ähnliches Verhalten beobachtet, was auf gemeinsame Mechanismen hinweist“, sagt Aaron Bufe.
CO2-Speicherung erreicht Maximum bei mittlerer Erosionsrate
Weitere Modellrechnungen zeigten, dass der Zusammenhang zwischen Erosion und CO2-Bilanz nicht linear ist: Mehr Erosion führt also nicht automatisch zu immer mehr CO2-Speicherung. Stattdessen erreicht die CO2-Speicherung bei einer Erosionsrate von ungefähr 0,1 Millimeter pro Jahr ein Optimum. Sowohl bei niedrigeren als auch bei höheren Raten wird durch Verwitterung weniger CO2 gespeichert beziehungsweise sogar zunehmend CO2 freigesetzt.
„Hohe Erosionsraten wie in Taiwan oder dem Himalaya treiben das System in Richtung einer CO2-Quelle, weil die schnelle, CO2-freisetzende Verwitterung von Karbonaten und Sulfiden immer weiter zunimmt, während die vergleichsweise langsame, CO2-bindende Silikatverwitterung bei steigenden Erosionsraten irgendwann nicht mehr zunehmen kann, weil das Material schneller durch Erosion abgetragen wird als es verwittern kann“, erklärt Bufe.
„In Landschaften mit moderaten Erosionsraten um 0,1 Millimeter pro Jahr dagegen werden die schnell verwitternden Karbonate und Sulfide, die CO2 freisetzen, schnell verbraucht, während die langsamere Silikatverwitterung immer weiterlaufen und CO2 binden kann. Der Nettoeffekt ist dann ein CO2-Abbau mit maximalen Raten.“
In Landschaften mit wenig Topographie und Hebung, in denen noch weniger Material abgetragen wird, gibt es schließlich nur noch wenig zu verwittern.
Größte CO2-Senken im Mittelgebirge
Die größten CO2-Senken sind daher Mittelgebirge wie der Schwarzwald oder der Bayerische Wald, deren Erosionsraten sich nahe dem Optimum bewegen. „Dieses Konzept eines ‚Erosionsoptimums‘ für den CO2-Abbau bringt die widersprüchlichen Ansichten über die Auswirkungen der Gebirgsbildung auf den Kohlenstoffkreislauf in Einklang und ermöglicht Schätzungen der geologischen CO2-Flüsse in Abhängigkeit von tektonischen Veränderungen“, resümiert Niels Hovius.
Aaron Bufe ergänzt: „Die Temperatur, auf die der „Erd-Thermostat“ eingestellt ist, ist über geologische Zeiträume also vor allem von der globalen Verteilung der Erosionsraten abhängig.“ Um die Auswirkungen von Erosion auf das Klimasystem der Erde noch genauer zu verstehen, müssten seiner Ansicht nach in zukünftigen Studien noch die organischen Kohlenstoffsenken und die Verwitterung in Überschwemmungsgebieten berücksichtigt werden.
Originalveröffentlichung: Aaron Bufe, Jeremy K.C. Rugenstein, and Niels Hovius: CO2 drawdown from weathering maximized at moderate erosion rates. Science 2024. DOI 10.1126/science.adk0957