Das Projekt geht von zwei Beobachtungen aus: Zum einen ist die Demokratie in vielen Ländern der Welt auf dem Rückzug – das gilt auch für die EU und die USA. „Das ist ein ernsthaftes Problem“, so Lewandowsky. „Zum anderen belegt ein Blick darauf, welche Rolle die sozialen Medien oder Online-Technologien bei diesen problematischen Trends spielen, dass diese – im Moment – nicht demokratiefördernd sind. Das ist beunruhigend.“ So werden viele Menschen in sogenannten westlichen Ländern durch die Plattformen aktuell eher polarisiert und das Vertrauen in die demokratischen Institutionen sinkt. Diese Entwicklung hängt zum Teil davon ab, welche Informationen den Menschen über Social Media zugänglich gemacht werden und welche nicht. Die Kontrolle darüber wurde teilweise an einige wenige Tech-Milliardäre im Silicon Valley abgegeben. „Genau da setzt unser Projekt an:
Wir werden versuchen, Wege zu finden, wie wir uns verbessern können, Beurteilungen empfehlen können. Mit anderen Worten: Wie können wir Algorithmen entwerfen, die Menschen Informationen in einem Newsfeed präsentieren? Und zwar ohne dass die Qualität der Informationen darunter leidet“, so Lewandowsky.
Bislang ist das nicht so. Aktuelle Informationssysteme haben eher die Aufgabe, die Nutzenden so lange wie möglich auf den Plattformen zu halten: „Momentan ist das Online- Ökosystem etwas, das wir als Aufmerksamkeitsökonomie bezeichnen. Das bedeutet, dass Ihre Aufmerksamkeit, wenn Sie beispielsweise auf Facebook sind, effektiv von Werbetreiben- den gekauft wird.“ Genau das wird letztlich auch zur Gefahr für die Demokratie, da der Algorithmus und seine Funktionsweisen nicht öffentlich sind und die Entscheidungen, die die Nutzenden treffen können, sich innerhalb des Kontextes bewegen, der von den Online-Plattformen vorgegeben wird. Der Ansatz der Forschungsgruppe: Sie wollen sogenannte exogene Variablen bestimmen, mit deren Hilfe sich die Qualität von Informationen möglichst unabhängig von Inhalt und Publikum bestimmen lässt. Dafür analysieren sie beispielsweise, wie Webseiten miteinander vernetzt sind, wobei grob gesagt gilt: Je größer ein Netzwerk, desto höher die Qualität der Informationen. Auch wenn Stephan Lewandowsky davon ausgeht, dass Soziale Medien der Demokratie ernsthaft schaden können, sieht er auch positive Trends: In sogenannten Entwicklungsländern kann mit ihrer Hilfe Wissen über Demokratie verbreitet werden, was diese stärkt.
Der Forscher
Prof. Stephan Lewandowsky, PhD ist Professor für Kognitive Psychologie an der Universität Bristol und Gastprofessor an der Universität Potsdam.
E-Mail: Stephan.Lewandowskyubristol.acpuk
Das Projekt
SoMe4Dem: Social media for democracy – understanding the causal mechanisms of digital citizenship.
Beteiligt: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. (Koordination), Universität Leipzig, Karlsruher Institut für Technologie, Universität Potsdam, Università Ca‘ Foscari Venezia (Italien), Universiteit van Amsterdam (Niederlande), Vrije Uni- versiteit Brussel (Belgien), Fondation Nationale Des Sciences Politiques (Frankreich); Partner: University of Bristol (Großbritannien)
Förderung: Europäische Union / Horizon
Laufzeit: 03/2023–02/2026
Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal Wissen - Eins 2024 „Bildung:digital“ (PDF).