Wir forschen deshalb an Materialien, die sehr dünne Solarzellen ermöglichen. Seit vielen Jahren faszinieren mich sogenannte organische Halbleiter. Das sind farbige Kohlenwasserstoffe, ähnlich wie Chlorophyll oder Carotin. Durch den Einsatz neuartiger Moleküle (mit unaussprechlichen Namen) gelang es in den vergangenen Jahren, den Wirkungsgrad organischer Solarzellen signifikant zu steigern. Gleichzeitig kann man diese Solarzellen viel einfacher und bei geringeren Temperaturen herstellen, was deren CO2-Fußabdruck deutlich verringert. Wir versuchen, die Prozesse zu identifizieren, die den Wirkungsgrad der Zellen limitieren, und Wege zur Verbesserung der photovoltaischen Eigenschaften zu entwickeln. Dafür setzen wir in unseren Laboren eine Reihe optischer und optoelektronischer Methoden ein. In einem Labor untersuchen wir, wie sich die Bauteile verhalten, wenn sie von einer künstlichen Sonne beleuchtet werden. Das ist eine Lichtquelle, die nahezu dieselbe Intensität und Leuchtstärke hat wie das Sonnenlicht an einem wolkenfreien Sommertag. Besonders faszinierend ist, wie kleine Variationen in der chemischen Struktur der Moleküle große Veränderung des Wirkungsgrades der Zellen bewirken. Um das im Detail zu verstehen, nutzen wir in einem anderen Labor einen großen Laser, der Lichtpulse erzeugt, die nur 100 Femtosekunden lang sind. Das ist ein Zehntausendstel einer Milliardstel Sekunde. Damit untersuchen wir, was in den Halbleitern unmittelbar nach der Absorption eines Photons – eines Lichtquants – geschieht: Erzeugt jedes absorbierte Photon freie Ladungen? Oder gibt es Verlustprozesse, die dazu führen, dass die Energie des Photons in Wärme übergeht oder gar zu ungewollten chemischen Reaktionen führt?
Viel Freude bereitet mir die Zusammenarbeit mit den Nachwuchsgruppen, die ich betreuen darf und durfte. So hat die Sofja Kovalevskaja-Nachwuchsgruppe von Safa Shoai Techniken aufgebaut, die uns präzise Einblicke in die lichtinduzierten Prozesse in organischen Solarzellen ermöglichte. Eine zweite Nachwuchsgruppe, geführt von Martin Stolterfoht, hat sich mit organisch-anorganischen Perowskiten beschäftigt, den neuen shooting stars der Dünnschicht-Photovoltaik. Eine besondere Eigenschaft dieser Perowskite ist es, dass strahlungsinduzierte Effekte in der Kristallstruktur von selbst ausheilen können. Seit einem Jahr hoste ich die Nachwuchsgruppe von Felix Lang. Seine Freigeist-Juniorgruppe hat sich zum Ziel gesetzt, neue und bessere Strahlungsdetektoren für die medizinische Röntgendiagnostik und flexible, ultraleichte Weltraumphotovoltaik auf Basis dieser Perowskite zu entwickeln.
Natürlich bestimmt die Photovoltaik-Forschung auch viele andere Aspekte meiner Arbeit. So bieten wir seit vielen Jahren die Vorlesung Physics of Solar Cells an. Es ist immer wieder schön, die Studierenden damit zu überraschen, dass Photovoltaik sehr viel mit Thermodynamik zu tun hat – aber Thermodynamik ist eben sehr viel mehr als Wärmelehre. Eine andere Aktivität ist die Organisation der Ringvorlesung zur Klimakrise, die wir vor einigen Jahren ins Leben gerufen haben. Hier ist die Photovoltaik die emissionsarme Energiegewinnung ein wichtiges Thema – aber natürlich nur eines von vielen.
Der Forscher
Prof. Dr. Dieter Neher ist seit 1998 Professor für Physik und Optoelektronik weicher Materie an der Universität Potsdam.
E-Mail: neheruuni-potsdampde
Dieser Text erscheint im Universitätsmagazin Portal Wissen - Eins 2024.