In seiner Doktorarbeit beschäftigt sich Daniel Pauli mit massereichen Sternen in der Kleinen Magellanschen Wolke, einer Begleitgalaxie unseres Milchstraßensystems. „Massereich bedeutet, dass die Sterne mehr als die achtfache Masse unserer Sonne besitzen, sie sind heiß und leuchten sehr hell“, erklärt er. Das Besondere an ihnen ist, dass sie durch Sternenwind, der sich mit hoher Geschwindigkeit vom Stern wegbewegt, viel Material abgeben. Um die Sterneneigenschaften und den Sternenwind zu untersuchen, wertet er Beobachtungsdaten des Hubble Space Telescope (NASA/ESA) und des Very Large Telescope (ESO) aus. Dabei ist es gar nicht so einfach, in den Datensätzen Einzelsterne von Doppelsternen zu unterscheiden. Dazu sind idealerweise drei Beobachtungen je Objekt nötig. „Bei der Auswertung der Daten stellten sich einige Sterne, die wir als Einzelobjekte angenommen hatten, schließlich als Paare heraus“, berichtet Daniel Pauli. „Das überrascht nicht, denn mehr als die Hälfte aller massereichen Sterne werden als Doppelsterne geboren.“
Im Laufe ihres Lebenszyklus’ fusionieren die Sterne zunächst in ihrem Kern Wasserstoff zu Helium. Sobald der Kernvorrat an Wasserstoff aufgebraucht ist, beginnen sie, Helium im Kern und Wasserstoff in der Hülle zu verbrennen, und dehnen sich dabei aus. In Doppelsternsystemen entwickelt sich der massereichere von beiden Sternen schneller und dehnt sich demzufolge eher aus. „Ab einem bestimmten Punkt ist es für die Materie energetisch günstiger, auf den masseärmeren Begleiter überzugehen, anstatt am Stern gebunden zu bleiben. In dieser Massentransferphase verliert der massereichere Stern das meiste von seinem Hüllenmaterial, sodass am Ende nur noch der Heliumkern übrigbleibt“, erklärt er. Wie jedoch der Massentransfer genau abläuft, ist noch nicht gut verstanden. In seiner ersten Veröffentlichung hat sich Daniel Pauli ein Sternensystem nach der Massentransferphase angeschaut. „Überraschenderweise befand sich der Stern, der Masse an seinen Begleiter verloren hatte, an einer Stelle im Hertzsprung-Russel-Diagramm, wo man ihn nicht vermutet hätte. Wir müssen also unsere Modelle hinsichtlich Massentransfer anpassen“, beschreibt er die Herausforderung.
Analysiert man die verschiedenen Wellenlängen des Sternenlichts – das charakteristische Spektrum eines Sterns –, so erhält man Informationen unter anderem zur Oberflächentemperatur und zur Art der Elemente, die den Stern umgeben. Der am Institut für Physik und Astronomie entwickelte Computercode PoWR (Potsdam Wolf-Rayet Models) berechnet synthetische Spektren für heiße, massereiche Sterne. Der leistungsfähige Code wird von Forschenden weltweit genutzt, um Sternatmosphären zu analysieren, beispielsweise von seinem Kollegen Matthew Rickard am University College London. Daniel Pauli hat mit ihm gemeinsam das Doppelsternsystem SSN7 innerhalb des jungen Sternhaufens NGC 346 in der Kleinen Magellanschen Wolke „unter die Lupe“ genommen. Es sind die massereichsten bisher bekannten Doppelsterne, der kleinere und heißere Stern mit 32 Sonnenmassen verliert aktuell Material an seinen 55 Sonnenmassen schweren Begleiter. „Wir haben festgestellt, dass dieses System sich gerade in einer Massentransferphase befindet“, sagt Pauli. Vergleicht man die Ergebnisse mit theoretischen Sternentwicklungsmodellen, wird klar: Der kleinere Stern wird zuerst zu einem Schwarzen Loch kollabieren und nach einiger Zeit beginnen, Material von seinem größeren Begleiter abzusaugen, der nur 200.000 Jahre später ebenfalls zu einem Schwarzen Loch wird. Den beiden jungen Forschern ist damit eine richtungsweisende Publikation gelungen, die von der Wissenschaftsgemeinschaft und der internationalen Presse mit großem Interesse aufgegriffen wurde. „Wenn man gerade einen guten Gedanken hat, setzt man sich auch nachts noch mal an den Rechner, um der Idee nachzugehen, aber das ist die Ausnahme“, sagt Pauli. Als Ausgleich zur Arbeit am Schreibtisch fährt er mit dem Fahrrad zur Uni und geht gern schwimmen. Im kommenden Jahr möchte er seine Dissertation abschließen. Wie es danach weitergeht, weiß er noch nicht: „Im Herbst beginnt die Zeit, wo man sich für Nachwuchsförderungen bewerben kann – das werde ich tun.“
Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Zwei 2023 „Mentale Gesundheit“ (PDF).