„Wir haben bewusst regionale Pflanzen gewählt, damit die Schülerinnen und Schüler einen größeren Bezug haben“, erzählt ihre Betreuerin, die Chemiedidaktikerin PD Dr. Jolanda Hermanns. „Und die Blaue Süßlupine ist eine brandenburgische Züchtung, die heute weltweit kultiviert wird.“ 1929 wurde am damaligen Kaiser-Wilhelm-Institut für Züchtungsforschung in Müncheberg die erste bitterstoffarme Süßlupine angebaut, die für Mensch und Tier leichter verdaulich ist. Während die Kichererbse ohne größeren Aufwand als Humus oder Falafel zubereitet werden können, ist die Verarbeitung von Lupinen aufwendiger. Oft wird daraus ein Protein-Isolat hergestellt, aus dem nicht nur Burger, Würstchen und Aufstrich, sondern auch Quark oder Eis gemacht werden. Geröstet sind sie sogar als Kaffee genießbar. Gleichzeitig hat die Lupine weit mehr Eiweiß als die Kichererbse. „Das Spannende an der Bachelorarbeit ist, dass Michelle Seifert Lupinen und Kichererbsen differenziert betrachtet – von ihren Einsatzmöglichkeiten bis zu den unterschiedlichen Proteingehalten“, sagt der Zweitbetreuer, Dr. Moritz Reckling vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF).
In den Unterrichtmaterialien frischen die Lernenden zunächst auf spielerische Weise Grundlagenwissen auf, das sie für die Experimente brauchen, erzählt die Studentin. Dann geht es ans Experimentieren: „Wichtig ist mir, dass sie selbst aktiv werden. Denn das kommt im Chemieunterricht oft zu kurz“, sagt Seifert. In einem Versuch erhitzen die Schülerinnen und Schüler im Reagenzglas ein Protein-Isolat aus brandenburgischen Lupinen. Gelingt das Experiment, verfärbt sich das hellgelbe Pulver zum Beispiel violett. Für Nährstoffe sind solche Farbreaktionen typisch. „Je mehr Eiweiß enthalten ist, desto farbintensiver ist die Lösung“, erklärt Jolanda Hermanns. Anschließend gibt es eine meinungsbildende Diskussion zur Ernährung mit Lupinen und Kichererbsen, für die Seifert eine Ausgangsfrage entwickelt hat. „Das Interesse an Nachhaltigkeit ist bei jungen Menschen sehr groß“, sagt Hermanns. „Im Chemieunterricht lernen sie etwas über Proteine und Aminosäuren, können das aber in der Regel nicht auf ihre Interessen anwenden. Wir schlagen hier eine Brücke.“ Die Unterrichtsreihe wollen die Didaktikerin und ihre Studentin in einer Fachzeitschrift veröffentlichen, damit Lehrerinnen und Lehrer sie auch tatsächlich in der Schule ausprobieren. „Außerdem plane ich eine Lehrkräftefortbildung, in der mehrere Unterrichtsreihen meiner Studierenden zum Thema ‚pflanzliche Proteine‘ vorgestellt werden“, so Hermanns.
Für die Arbeit hat Seifert, die später im zweiten Fach Biologie unterrichten wird, sehr viel recherchiert. Sie war nicht nur mit ihrer Erstbetreuerin am ZALF in Müncheberg und hat sich von Moritz Reckling den Anbau der Leguminosen zeigen lassen. Sie hat auch im Labor etliche Schulexperimente durchprobiert um herauszufinden, ob sie auch mit den pflanzlichen Eiweißen funktionieren. Zunächst hätten die Versuche gar nicht geklappt, teilweise seien die Proben verschimmelt. Doch sie blieb dran, und hatte letztlich Erfolg. Ihre Betreuerin, die selbst viele Jahre an der Potsdamer Voltaire-Schule unterrichtet hat, findet solche „Experimente mit offenem Ausgang“ in der Lehramtsausbildung wichtig. Denn diese wertvollen Forschungserfahrungen kann Seifert später in die Schule tragen: „Bislang hatten die Studierenden nicht viel Gelegenheit zum Forschen, sollen aber später forschendes Lernen vermitteln.“ Deswegen gebe es inzwischen ein verpflichtendes forschungsorientiertes Praktikum an der Uni Potsdam. Die von ihr entwickelten Versuche will Seifert später natürlich auch selbst als Lehrerin umsetzen, denn mit Experimenten kann man Jugendliche gut abholen – das weiß sie aus ihrem Praktikum an der Voltaire-Schule.
Zukunftsweisend ist Seiferts Unterrichtsreihe auch aus ernährungspädagogischer Sicht. Die sogenannten Körnerleguminosen haben nämlich viele gesundheitliche Vorteile. „Sie sind reich an Vitaminen, Ballaststoffen sowie ungesättigten Fettsäuren und fördern eine gesunde Verdauung“, erklärt die Studentin. „In den Ernährungspyramiden sollen Hülsenfrüchte künftig gesondert angeführt werden, um deutlich zu machen, dass sie wichtige Proteinquellen sind“, ergänzt Moritz Reckling. Um weniger auf importierte Eiweiße etwa in Form von Sojabohnen angewiesen zu sein, für die noch immer Regenwald gerodet wird, sei der heimische Anbau so wichtig. Tatsächlich satteln immer mehr Betriebe um. „In Deutschland werden inzwischen auf 32.000 Hektar Lupinen angebaut, ein Viertel davon in Brandenburg“, so der Pflanzenbauwissenschaftler. „Die Böden sind hier nicht sehr nährstoffreich und Lupinen sind eher anspruchslos.“ Bei den Kichererbsen, die an Hitze und Trockenheit angepasst sind, sei es ähnlich: „Nach den vergangenen Ausnahmesommern haben die Landwirtinnen und -wirte nach Lösungen gesucht, denn der Klimawandel war plötzlich einfach da.“ Davon könnten sie letztlich profitieren, denn die Nachfrage nach pflanzlichen Eiweißen wächst gerade in Berlin stetig. „Hier steckt ein ökonomisches Potenzial für die brandenburgischen Betriebe.“
Dieser Text erscheint im Universitätsmagazin Portal - Eins 2023 „Zukunft“ (PDF).