„Die Idee des Projekts SMART-DNA ist, DNA-Material zu benutzen, um Nanostrukturen herzustellen“, sagt Ilko Bald, Leiter der Arbeitsgruppe Hybride Nanostrukturen am Institut für Chemie. DNA ist ein stabiles Biomolekül, das sich künstlich herstellen und mit dem sich gut arbeiten lässt. Da es als Träger der Erbinformation zur Informationsweiterverarbeitung vorgesehen ist, kann man es als programmierbares Material nutzen. „Wir lassen DNA kommerziell von einer Firma künstlich herstellen. Die dreidimensionale Form der Nanostruktur wird dabei in das Material hineinprogrammiert“, fasst er zusammen. „Mit diesem Werkzeug können wir dann Messungen an Molekülen durchführen.“
Moleküle in den Fokus rücken
Um Informationen über chemische Reaktionen von Molekülen in einer Lösung zu erhalten, nutzen die Forschenden die Raman-Spektroskopie. Hierbei wird die zu untersuchende Substanz mit Laserlicht einer bestimmten Wellenlänge bestrahlt. Ein kleiner Teil des Lichts, das von der Substanz zurückgestreut wird, ändert durch die Interaktion mit der Probe seine Wellenlänge. Aus der Intensität des gestreuten Lichts ergibt sich für jeden chemischen Stoff ein individuelles Raman-Spektrum.
Diese Methode ist jedoch wenig sensitiv, weshalb für die Analysen eine sehr hohe Molekülkonzentration notwendig ist. Mithilfe von Nanopartikeln, meist aus Gold oder Silber, die an die DNA-Struktur angedockt werden, wird die Raman-Spektroskopie allerdings extrem empfindlich. „Die Nanopartikel verstärken die Lichtstreuung und wirken wie eine Antenne“, erklärt Ilko Bald. „Sie ermöglichen es, von den Molekülen, die zwischen zwei Partikeln sitzen, Spektren aufzunehmen.“ Sind mit dem herkömmlichen Verfahren noch Millionen von Molekülen nötig, können mit der oberflächenverstärkten Raman-Streuung sogar einzelne Moleküle aufgenommen werden. „Das ist mit keiner anderen Methode möglich“, betont er.
Origami mit DNA
Die Herausforderung dabei ist, passende Nanopartikel zu finden und die Moleküle genau an jener Stelle zu platzieren, wo die Signalverstärkung am größten ist. Ilko Bald zeigt ein DNA-Modell aus dem 3D-Drucker: „Diese Struktur haben wir eigens entworfen. Unter der DNA-Brücke kann man einzelne Moleküle genau zwischen den Nanopartikeln einfügen, denn dort wollen wir die Raman-Streuung messen.“ Mit einer Technik, die als DNA-Origami bezeichnet wird, lässt sich ein langer Strang aus einer DNA-Doppelhelix mehrfach falten, bis die gewünschte Nanostruktur erreicht ist. Da rund um die zu messenden Moleküle möglichst wenig störendes Material sein soll, gibt es dort ein materialfreies „Fenster“. Ein stabiles Gerüst trägt die Nanopartikel und ein Standfuß fixiert die Struktur auf der Oberfläche.
Für die ersten Raman-Studien hatten Ilko Bald und sein Team zuvor mit einer zweidimensionalen Dreiecksstruktur gearbeitet, die jedoch gewisse Nachteile aufweist. Daraus ergab sich die Notwendigkeit einer neuen Form. In das Design und die Optimierung dieser Struktur hat das Team rund drei Jahre Arbeit investiert. „Jetzt können wir damit tatsächlich messen und routinemäßig auch relativ komplexe Moleküle wie Proteine in diese Strukturen einbringen“, freut sich der Forscher.
Sensitive Nachweisverfahren für die medizinische Diagnostik
Das Messen einzelner Moleküle ist für diagnostische Verfahren im biomedizinischen Bereich hochinteressant. „Wir arbeiten gerade daran, wie man Rezeptoren an unsere Nanostrukturen anbringen könnte, um damit beispielsweise Biomarker nachzuweisen“, erläutert Ilko Bald eine mögliche Anwendung. Biomarker bilden sich in geringer Konzentration schon sehr früh im Körper, wenn sich beispielsweise ein Tumor entwickelt. Darüber hinaus lässt sich mit der Einzelmolekültechnik Schritt für Schritt nachvollziehen, wie biochemische Reaktionen ablaufen. In Zukunft möchte Ilko Bald die Nanostrukturen als Werkzeug für ein Grundlagenforschungslabor auch anderen Arbeitsgruppen zur Verfügung stellen, sodass die Zusammenarbeit zu angewandten Fragestellungen vereinfacht wird.
Der Forscher
Prof. Dr. Ilko Bald studierte Chemie an der FU Berlin. Ab 2013 war er als Juniorprofessor für Optische Spektroskopie und Chemical Imaging an der Universität Potsdam tätig und ist dort seit 2019 Professor für Hybride Nanostrukturen.
E-Mail: ilko.balduuni-potsdampde
Das Projekt
„SMART-DNA: Single-Molecule Analytical Raman Tools based on DNA nanostructures“ wird seit 2018 durch einen ERC-Consolidator Grant gefördert. Die Auszeichnung ist mit rund 2 Millionen Euro für den Aufbau einer eigenen Forschungsgruppe dotiert.
Beteiligt: Universität Potsdam
Förderung: Europäischer Forschungsrat (European Research Council – ERC)
Laufzeit: 04/2018–03/2023
Nanostrukturen beobachten
Da die Größe der untersuchten Nanostrukturen zwischen 10 Nanometer (1x10-8 Meter) und 100 Nanometer (1x10-7 Meter) liegt, kommt für ihre Beobachtung ein Rasterkraftmikroskop zum Einsatz. Dazu wird die Oberfläche mit einer Art winziger Schallplattennadel abgetastet, die an einer Blattfeder befestigt ist. Mithilfe eines Lasers kann die Biegung der Feder gemessen werden und es entsteht ein Oberflächenprofil als Abbildung.
Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal Wissen - Eins 2023 „Lernen“ (PDF).