Witassek trägt seit Kurzem den Deutschen Meistertitel der Studierenden im Schwergewicht. Im Herbst 2022 feierten die Deutschen Hochschulmeisterschaften nach zwei Jahren Corona-Pause in Potsdam ein fulminantes Comeback: Knapp 400 studentische Judoka von 91 Hochschulen beteiligten sich, Hunderte Menschen verfolgten die von der Universität Potsdam ausgerichtete Meisterschaft begeistert in der MBS-Arena am Luftschiffhafen. „Das hätte ich nicht gedacht“, sagt Yvo Witassek. „Normalerweise ist Judo medial wenig präsent“,. Er trat im Finale gegen David Haefner von der Technischen Universität Dresden an – und gewann.
Der 21-Jährige studiert seit dem Wintersemester 2021/22 an der Universität Potsdam im Bachelor Kognitionswissenschaft. Viel Zeit für Lehrveranstaltungen bleibt ihm allerdings nicht: Vor- und nachmittags ist er als Judoka am Luftschiffhafen, fünf bis sechs Stunden täglich trainiert Witassek beim Verein UJKC Potsdam. In der Saison fährt er außerdem mindestens jedes zweite Wochenende zu Wettkämpfen und besucht Trainingslager. „Ich muss schauen, ob mir der Trainer hin und wieder für ein Seminar oder eine Vorlesung freigibt“, erzählt Witassek mit leichter Wehmut. Dieses Semester ist er nur montags in der Uni und absolviert zwei Module.
Wie herausfordernd es ist, Studium und Leistungssport zu vereinbaren, weiß jedoch auch die Universitätsgesellschaft – und verlieh Witassek 2021 den Nachwuchspreis Duale Karriere. Mit der Auszeichnung hatte er gar nicht gerechnet: „Ich hatte mich ja gerade erst immatrikuliert. Aber es war ein kleiner Anreiz gleich zum Studienstart.“ Im Studium steht seine sportliche Karriere eher weniger im Vordergrund: Studierende, die wie er Leistungssport betreiben, sind ihm noch nicht begegnet. Manche Dozierenden nehmen aber Rücksicht auf seine besondere Situation und ermöglichen es ihm, Prüfungen nachzuholen. Hier kommt ihm hin und wieder auch der Nachteilsausgleich zugute. Obwohl sie ihm sportlich „einiges zerschossen“ hatte, für sein Studium brachte die Corona-Pandemie auch Vorteile. Denn Online-Vorlesungen konnte er jederzeit nacharbeiten, seit der Rückkehr in die Präsenzlehre erhält er höchstens noch die Folien aus Lehrveranstaltungen. „In der Regelstudienzeit werde ich es garantiert nicht schaffen“, sagt der Leistungssportler. Dadurch fehlt ihm auch der Kontakt zu Kommilitoninnen und Kommilitonen. Schließlich sind die Studierenden, mit denen er begonnen habe, ihm nun schon einiges voraus. „Das ist nicht so schön.“ Freundschaften entwickeln sich jedoch im Verein, erzählt der Spitzensportler. Schließlich verbringen die Judoka dort sehr viel Zeit miteinander.
Auf den Studiengang Kognitionswissenschaft hatte der Laufbahnberater seines Judo-Vereins ihn gebracht. Die Einschätzungstests, die er auf seine Empfehlung machte, zeigten, dass das Fach gut zu ihm passen könnte. Auch die Wahl des Studienorts fiel nicht schwer – denn im Nationalkader ist er verpflichtet, am Leistungsstützpunkt zu trainieren. Zwar hätte der Potsdamer auch nach Berlin pendeln können, doch wegen der kurzen Fahrtwege bleibt ihm nun mehr Zeit für Training und Uni. „Ich habe mir den Studiengang auch deswegen ausgesucht, weil für mich feststand, dass ich später nichts mehr mit Sport machen möchte“, erzählt der 21-Jährige. „Im Studium ist eine duale Karriere leichter zu verwirklichen als im Beruf. Dann hören viele Judoka auf.“ Doch bis dahin hat Witassek noch viel vor. Im Moment kämpft er in der U23, anschließend folgt der Männerbereich. „Da wird’s interessant. Mein Ziel ist es, bei großen internationalen Turnieren der Männer Medaillen zu machen.“
Schon im zarten Alter von fünf Jahren begann Witassek mit dem Sport – auf Rat seiner Eltern: „Ich war wohl ein sehr aktives Kind und da haben meine Eltern entschieden, dass ich Sport machen müsse.“ Die Mutter war gegen Boxen, da brachte der Vater Judo ins Spiel. Und Witassek blieb dabei. „Der Erfolg hat mich gefesselt“, sagt er. Schon mit sieben, acht Jahren nahm er an Kinderwettbewerben teil und siegte. „Das hat mich motiviert.“
Das Geheimnis seines Erfolgs? Witassek glaubt, es seien Talent – und sehr viel Fleiß. „Mein Trainingsplan ist sehr umfangreich.“ Und er hält sich an ihn, selbst wenn das Studium deswegen manchmal kürzer kommt, als ihm lieb ist. Außerdem achtet der Leistungssportler darauf, sich nicht zu verletzen. Unfälle vor großen Turnieren kommen schließlich allzu oft dem Traum von der Medaille in die Quere. Am stolzesten ist der Student auf seinen Titel bei den Judo-Juniorenweltmeisterschaften 2021. Anfang des Jahres hatte er sich noch verletzt und kurz vorher die Gewichtsklasse gewechselt. Und dann in Italien die Bronzemedaille geholt.