38 Allianzen und 275 Studierende aus 28 Ländern waren bei der Konferenz im Frühjahr 2022 dabei – und diskutierten gemeinsam die Zukunft Europas. Unter ihnen Hikmet Güler und zwei weitere Studierende der Uni Potsdam, die EDUC als
Student Representatives vertraten. Bei der European Student Assembly handelt es sich um eine Initiative der European Universities Community (EUC), die Studierenden in der Europäischen Union eine Stimme geben soll. In zehn Arbeitsgruppen ging es um die unterschiedlichen Herausforderungen, denen sich die EU künftig stellen muss. „In meiner Gruppe beschäftigten wir uns mit Migration und Asyl in Zeiten des Klimawandels“, erzählt Güler, der an der Uni Potsdam im Master Public Administration studiert. „Wir setzten uns zum Beispiel damit auseinander, welche Rechtsgrundlagen für Geflüchtete in der EU geschaffen werden sollten.“ Am Ende stand eine Liste von Vor-
schlägen für die Politik, die die Studierenden dem Europäischen Parlament in Straßburg übergaben.
Die europäische Hochschulallianz EDUC hat vor kurzem erst ihren dritten Geburtstag gefeiert und nun steht fest, dass sie für vier weitere Jahre von der Europäischen Kommission gefördert werden wird – bei positiver Evaluation kommen nochmals zwei Jahre hinzu. Unter Federführung der Universität Potsdam vernetzen sich die Universität Cagliari (Italien), die Masaryk-Universität (Tschechien), die Universität Pécs (Ungarn), die Universität Paris Nanterre, die Universität Rennes 1 (Frankreich), die Universität Jaume I (Spanien) und die Universität von Südostnorwegen. Zusammen hat die Allianz rund 200.000 Studierende sowie 31.000 Lehrende, Forschende und Mitarbeitende in Technik und Verwaltung. In den kommenden vier Jahren wollen sie ihren gemeinsamen virtuellen Campus weiterentwickeln. Schwerpunkt der transnationalen universitären Gemeinschaft ist die Förderung von Mehrsprachigkeit, Inklusion, Interdisziplinarität und digitalen Technologien. In der zweiten Phase soll außerdem eine offizielle Studierendenvertretung entstehen.
Voraussetzung dafür ist, einander besser kennenzulernen, wie etwa bei der „Sustainable Business Week“ im Mai in der sardischen Hauptstadt Cagliari, bei der eine Geschäftsidee für ein französisches Hotel im Nachhaltigkeitssektor entwickelt werden sollte. Auch hier war Hikmet Güler dabei. In interkultureller Teamarbeit entwickelten Studierende aus Deutschland, Frankreich, Ungarn, Italien und Tschechien ihre Konzepte, in die die verschiedenen, auch von der Herkunft geprägten Sichtweisen einflossen. Völlige Einigkeit herrschte hingegen bei den Yoga-Einheiten, die das Team zur Entspannung absolvierte.
„Die Studierenden sind sehr interessiert an solchen Begegnungen, aber auch an der flexiblen Struktur, die ihnen EDUC bietet“, glaubt Güler. Viele der Programme und Kurse sind interdisziplinär ausgerichtet und wenden sich an Linguisten ebenso wie an Physikerinnen oder Wirtschaftswissenschaftler. Der Studierendenaustausch ist bei EDUC offen und dynamisch, oft geht es um kurzzeitige Aufenthalte ohne langen Bewerbungsvorlauf. Studierende müssen sich, anders als etwa im Erasmus-Programm, nicht auf eine Uni festlegen, sondern können die Angebote jeder beteiligten Hochschule voll ausschöpfen. Inzwischen ist aber auch ein Gap Year in Frankreich möglich, bei dem sie ein bis zwei Semester lang an den Universitäten Rennes 1 oder Paris Nanterre die ganze Vielfalt an EDUC-Kursen besuchen können. Doch nicht nur Studierende, auch Forschende und Lehrende sind eingeladen, an transnationalen Forschungsseminaren teilzunehmen oder Lehrveranstaltungen an Partneruniversitäten zu konzipieren. Beschäftigte können ebenso von EDUC profitieren, etwa mit Sprachkursen.
„Bei EDUC geht es um die Vision eines vernetzten Europas“, sagt Güler. Wichtig ist dem angehenden Verwaltungswissenschaftler, dass dabei die Studierendenbelange im Zentrum stehen: „Hochschulallianzen sollten primär den Studierenden und dem akademischen Austausch dienen.“ Güler engagierte sich deshalb als International Student Buddy und im Beirat Internationalisierung. Und ganz „nebenbei“ arbeitet er auch noch als Wissenschaftliche Hilfskraft im Career Service und ist im Vorstand einer gemeinnützigen Beratungsfirma und eines Think-Tanks – beides sind von Studierenden geführte Organisationen.
„Ich möchte der Universität Potsdam etwas zurückgeben“, sagt der 26-Jährige. „Sie ist für mich eine Art Zuhause.“ Im Studium auch mal nach links und rechts schauen, das ist für viele nicht möglich, wenn sie die Regelstudienzeit einhalten wollen. Für Güler selbst hat das keine Priorität, er schätzt dagegen die Möglichkeit, sich an Diskussionen zu beteiligen. „Ich nehme mir die Zeit dafür, denn ich möchte die Universität mitgestalten.“
Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Zwei 2022 „Artensterben“ (PDF).