Neutronensterne, Reste von Supernova-Explosionen massereicher Sterne, gehören zu den kompaktesten Objekten in unserem Universum. Dietrichs Forschung konzentriert sich auf die Verschmelzung zweier Neutronensterne. Obwohl solche Ereignisse selten sind, erwarten die Forschenden, sie in naher Zukunft vermehrt beobachten zu können, wenn die Gravitationswellendetektoren Advanced LIGO, Advanced Virgo und KAGRA mit verbesserter Empfindlichkeit nach einem dreijährigen Upgrade wieder in Betrieb gehen.
Mithilfe der ERC-Förderung werden Dietrich und seine Arbeitsgruppe an zwei wichtigen Fragen der modernen Physik arbeiten: „Wie verhält sich Materie bei supranuklearen Dichten?“ und „Wie schnell dehnt sich unser Universum aus?“ Diese offenen Fragen der Kernphysik und der Kosmologie lassen sich durch Beobachtungen verschiedener kosmischer Signale, die bei der Verschmelzung von Neutronensternen entstehen, beantworten. Erst vor kurzem wurde das Fenster zur Untersuchung dieser faszinierenden Ereignisse geöffnet: mit dem Ausbau der Gravitationswellen-Observatorien Advanced LIGO und Advanced Virgo sowie durch die Kombination von Erkenntnissen aus Gravitationswellenmessungen mit dem elektromagnetischen Spektrum leistungsstarker Teleskope. Im Jahr 2017 fingen Gravitationswellendetektoren das erste Signal der Verschmelzung zweier Neutronensterne auf. Rund 70 astronomische Observatorien auf der Erde und im Weltraum waren an Folgebeobachtungen beteiligt und untersuchten elektromagnetische Signale dieses Ereignisses.
„Wir befinden uns derzeit an einem Scheideweg, an dem die Entwicklung präziser und robuster theoretischer Modelle von elementarer Bedeutung ist, um mit der experimentellen Entwicklung Schritt zu halten“, sagt Dietrich. „Ohne deutliche Verbesserungen unserer Modelle werden zukünftig Ungenauigkeiten in der Modellierung die Datenanalyse verzerren.“ Daher wird sich das ERC-Projekt auf die Entwicklung neuer, komplexerer Modelle zur Interpretation der Verschmelzung zweier Neutronensterne konzentrieren. Dietrich und seine Arbeitsgruppe wollen mit innovativen Techniken die Genauigkeit ihrer numerisch-relativistischen Simulationen verbessern. Aufgrund ihrer Komplexität laufen solche Simulationen in aller Regel auf großen Hochleistungsrechnern. Auf der Grundlage dieser verbesserten Simulationen werden Dietrich und seine Gruppe elektromagnetische Signale und Gravitationswellen verschmelzender Neutronensterne mit noch höherer Genauigkeit modellieren und somit die theoretischen Berechnungen besser mit Beobachtungsdaten verbinden können.
Link zur Pressemitteilung ERC: https://erc.europa.eu/news-events/news/starting-grants-2022-call-results
Link zur Pressemitteilung AEI: https://www.aei.mpg.de/979588/tim-dietrich-receives-erc-starting-grant-for-exploring-binary-neutron-stars
Abbildung 1: Simulation zweier verschmelzender Neutronensterne, beide mit ca. 1,35 Sonnenmassen. Von Rot nach Blau sind zunehmende Dichten veranschaulicht. Bildrechte: Tim Dietrich.
Abbildung 2: Prof. Dr. Tim Dietrich. Bildrechte: Thomas Roese.
Kontakt:
Prof. Dr. Tim Dietrich, Institut für Physik und Astronomie und Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik
Tel.: 0331 977-230160
E-Mail: tim.dietrichuuni-potsdampde
Medieninformation 22-11-2022 / Nr. 126