„Ein Delir verursacht oft eine starke und anhaltende Einschränkung in der Autonomie der Betroffenen“, sagt PD Dr. med. Christine Thomas von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie für Ältere am Krankenhaus Bad Cannstatt/Klinikum Stuttgart. Oft führten diese Delirs dann zu anhaltenden geistigen und psychischen Einschränkungen, sagt Thomas. Auch körperliche Komplikationen bis hin zu einer erhöhten Todesrate seien nicht selten. Zudem steige das Risiko, dass demenzielle Prozesse noch weiter beschleunigt werden und die Betroffenen in ihrer Selbstständigkeit weiter eingeschränkt werden. „Damit wird auch der Erfolg der Operation, für die der Patient oder die Patientin ins Krankenhaus gekommen ist, geschmälert“, so PD Dr. Thomas.
An der Studie nahmen 1470 Patientinnen und Patienten über 70 Jahren teil, die sich einer Operation auf dem Gebiet der Orthopädie, Chirurgie oder im Herz-Gefäß-Bereich unterzogen. Das Durchschnittsalter betrug 77,5 Jahre. Wichtigste Maßnahme vorab war die Schulung des Pflegepersonals sowie des ärztlichen Personals im Erkennen eines beginnenden Delirs. „Wir haben die teilnehmenden Mitarbeitenden in den Kliniken sensibilisiert“, berichtet Dr. Thomas. „Sie haben Veränderungen dokumentiert, diese wurden dann fachlich im Team besprochen“. Darüber hinaus passten die Forscher die Krankenhausumgebung speziell an die Bedürfnisse der hochbetagten Patientinnen und Patienten an und statteten sie mit Hilfsmitteln aus, die ihnen eine Orientierung erleichterten. So wurden in den Krankenzimmern Whiteboards aufgehängt, auf denen sie den Tagesablauf ablesen konnten. „Außerdem haben wir festgestellt, dass analoge Uhren in den Zimmern eine wichtige Hilfestellung waren“, so Dr. Thomas.
Kernstück der Studie waren sieben aktivierende Maßnahmen, die täglich durchgeführt wurden. So wurden die Patientinnen und Patienten nach der Operation durch Gespräche und Bewegung zeitnah mobilisiert. „Die Summe der Maßnahmen hat dazu geführt, dass wir das Auftreten eines Delirs in der beobachteten Studiengruppe, insbesondere bei Patienten, die eine orthopädische Operation oder einen chirurgischen Eingriff hatten, deutlich senken konnten“, so PD Dr. med. Christine Thomas.
„Das Ergebnis der Arbeit von Frau Dr. Thomas und ihrem Team ist auch für die Arbeit des Klinikums Nürnberg eine wichtige Grundlage “, betont Prof. Dr. med. Thomas Hillemacher, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie am Klinikum Nürnberg und Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Schöller-Stiftung.
In diesem Jahr wurden für den Schöller-Preis neun Arbeiten eingereicht, die sich mit der Versorgung von hochaltrigen Patientinnen und Patienten beschäftigten. „Alle eingereichten Arbeiten zeigten hohes Niveau“, betont Prof. Dr. med. Thomas Hillemacher, „wir haben uns für dieses Projekt entschieden, weil postoperative Delire ein sehr häufiges Problem sind und die Studie für den Klinikalltag vieler Krankenhäuser direkt umsetzbare Erkenntnisse liefert.“
Der Dr. Theo und Friedl Schöller-Preis wird seit 2013 jährlich vom Klinikum Nürnberg ausgeschrieben, um Forschungsprojekte zu fördern, die geeignet sind, die vielfältigen Herausforderungen der Versorgung älterer Menschen positiv zu gestalten. Der Preis ist mit 20.000 Euro die am höchsten dotierte Auszeichnung auf dem Gebiet der Altersmedizin in Deutschland. Im Wechsel werden Forschungsarbeiten aus Altersmedizin und Versorgung und Pflege gewürdigt.