Als sich der Regen verzogen hat, schiebt Laura Schleusener, die im Kulturzentrum die Projekte koordiniert, ihre Kapuze zurück und baut weiter auf. Veranstaltungsmanagerin Sara Krieg wischt die Tische ab und Technik-Spezialist Matthias Wernicke schaut noch mal schnell im Theatersaal vorbei. Dort bereiten sich das Potsdamer Duo „Pfadfinder“ und die isländische All-Female-Punk-Band GRÓA auf ihren corona-konformen Auftritt vor. Die Konzertbilder sollen auf eine Leinwand im Innenhof übertragen werden. Hier ist Platz für knapp 80 Leute. Ausgestattet mit Funk-Kopfhörern könnten sie wie in der Silent Disco in den vollen, doch lärmschutzgerechten Soundgenuss kommen.
Seit Mittag hat das Team vom KuZe Ton-, Video und Lichttechnik geschleppt, alles angeschlossen, verbunden, gecheckt. „So viel Arbeit“, sagt Matthias Wernicke. „Glaubt man gar nicht!“ Auch deshalb wäre die Absage des Konzerts keine Option gewesen. Besonders viele Gäste kommen dann nicht. Dafür wird später eine riesige Schale herangeholt, ein Feuer entzündet, es gibt Bier, Glühwein und Tee für die Draußenhocker. Durchhalten gehört zur DNA des KuZe. Immer schon.
Wer Kultur machen will, eine Idee hat und nur noch die Räume braucht (eventuell auch ein bisschen Unterstützung beim Beantragen von Finanzmitteln), ist im KuZe genau richtig. „Das ist ein klassisches soziokulturelles Ding, und so, wie es von Studierenden betrieben wird, bundesweit einmalig“, sagt Florian Rumprecht, der das Projekt im Auftrag des AStA-Kulturreferats leitet. Eigentümer ist das Potsdamer Studentenwerk. Es kaufte das Gelände 2012, als dessen Zukunft ungewiss war. „Wir sind dafür so dankbar!“, sagt Wernicke. Wie um das zu unterstreichen, platscht eine riesige Wasserlache vom Pavillondach direkt neben ihm auf den Boden. Rumprecht nickt. Die laufenden Kosten für den Betrieb des KuZe tragen die Studierenden mit einem Anteil an ihren Rückmeldegebühren selbst: vier Euro pro Semester pro Person.
Längst hat das KuZe Kultstatus erreicht. An die alte Brauerei erinnert ein riesiger Braukessel, in den der Tresen gebaut wurde. Drei Stockwerke hoch kann man sein Bier tragen. Ganz oben steht ein Tischkicker, an dem gleich drei Mannschaften trainieren und zwar auf Bezirks- und Landesliga- Niveau. Pokale protzen im Fenster von erfolgreichen Einsätzen. Während des letzten Lockdowns hat jemand begonnen, die Wände zu bemalen. „Ist noch nicht ganz fertig“, sagt Sara Krieg. Noch ist auch nicht ganz klar, wann das KuZe wieder normal öffnen kann – und wie viele Leute dann reindürfen. Die Stühle stehen in Stapeln. „Wir sind lieber vorsichtig“, betont Laura Schleusener. Alles mussten sie ausmessen auf den 800 Quadratmetern Grundfläche, um herauszufinden, wie viel noch geht in Zeiten der Pandemie.
Um den idyllischen Innenhof herum gruppieren sich die Räume des Offenen Kunstvereins mit seinen Werkstätten und Ateliers. Drei Ensembles treffen sich regelmäßig im Theaterraum. Die Büros liegen im Querriegel. Dort gibt es die gewerkschaftliche Sprechstunde „FAU“, auch die des AStA. „Als wir nach dem Lockdown wieder rausdurften, haben wir sogar eine Rechtsberatung angeboten“, erzählt Wernicke. „Da standen die Leute über den ganzen Hof!“ Vor allem Mieterfragen trieben die Studierenden um.
Das Gelände bietet vielen engagierte Gruppen Platz: Amnesty International Potsdam sitzt hier, „upLUG – DIE Potsdamer Linux-User-Group“ und der Verein „Freifunk Potsdam e.V.“, der sich bemüht, Internet für alle anzubieten. Der Verein „Pangea“ organisierte Nachhilfe für Kinder aus Migrantenfamilien. Doch seit der Pandemie liegt vieles im Dornröschenschlaf. Das macht den vier Hauptamtlichen Sorgen. „Wir leben mit unseren kostenfreien Angeboten ja vom ehrenamtlichen Engagement“, sagt Rumprecht. Doch die Studierenden haben jetzt ein viel strafferes Studium und deshalb weniger Zeit. Hinzu kommen finanzielle Nöte, Hausarbeitsdruck, Homeoffice. Und die Arbeit im KuZe ist auch nicht immer stressfrei: Erst im Sommer traf die Crew der Vorwurf einiger Studierender, sie seien nicht willkommen auf dem Gelände. „Jeder ist willkommen bei uns,“ empört sich Florian Rumprecht. „Solange sich Besucher nicht rassistisch oder sexistisch äußern.“ Tagelang feilte er an Stellungnahmen, suchte das Gespräch mit denen, die die Vorwürfe vorbrachten. Auch im soziokulturellen Paradies gibt’s manchmal Wolken. „Gehört dazu“, sagt Wernicke.
Die vier vom KuZe-Team wollen besonders den Neuankömmlingen an der Uni zeigen, was hier alles geht: kostenlose Konzerte, Lesungen, selbst organisierte Kinoabende, Festivals, Workshops, Tresendienst und bei alledem Spaß. Wenn die Kneipe etwas abwirft, stecken sie es gleich wieder in die Kultur. Jede Arbeitsstunde bringt auch den Hauptamtlichen nur 13,50 Euro. Gedankenfreiheit ist ohnehin unbezahlbar. „Die nächsten werden reinkommen, wie wir gekommen sind“, sagt Wernicke. „Als Gast. Und bis dahin sind wir ja auch noch da.“
Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal Transfer 2021/22 (PDF).