Wer später in der Grundschule unterrichten will, muss Bildungssituationen schaffen können, in denen sinnlicher Wahrnehmung mehr Raum gegeben wird. Deshalb durchlaufen alle Potsdamer Lehramtsstudierenden das Modul „Grundlagen Ästhetischer Bildung in der Kunstpädagogik“ bei den Dozierenden Maja Dierich-Hoche, Ivette Widmann und Christoph Balzar. Das gilt nicht nur für die angehenden Kunstlehrerinnen und -lehrer, sondern auch für diejenigen die Mathematik, Deutsch, Englisch, Sport oder andere Fächer lehren werden. Im Seminar von Ivette Widmann bauen die Studierenden. Sie probieren sich aus und erproben, welche Techniken für ihre zukünftige Schülerschaft geeignet sind. „Das Zusammenspiel zwischen Subjekt und Objekt zu erfahren, ist gut für den späteren Umgang mit den Kindern in der Schule“, sagt die Dozentin. „Was mache ich mit dem Objekt und was macht es mit mir?“
Gerade angesichts von Wohnungsnot, hohen Immobilienpreisen und dem Wunsch nach Nachhaltigkeit ist Bauen ein relevantes Thema. „Gebaute Umwelt umgibt uns stetig. Für einen bewussten Umgang mit der eigenen Lebenswelt wünschen wir uns einen Zugang zur Baukultur für alle und das geht mit Bildung einher“, sagt die Projektleitung des Bereichs Bildung der Bundesstiftung Baukultur in Potsdam, Katharina Stahlhoven. „Weil es um gesellschaftsrelevante Fragen und gemeinsame Antworten geht, möchten wir schon bei den Jüngsten Zugänge für Baukultur entwickeln und setzen uns für ein lebenslanges Lernen zur Baukultur ein. Deswegen sollte bereits in der Ausbildung der Pädagoginnen darauf eingegangen werden.“ Die Stiftung unterstützt das Seminar mit ihrem Baukulturmobil und Materialien für die Sitzung unter freiem Himmel. Dank der bunten Pappquader konnten die Studierenden flüchtige Baukunstwerke in größeren Dimensionen schaffen als bisher im Atelier.
Jede Seminarteilnehmerin durfte sich bis zu zehn der mitgebrachten Kartons aussuchen und in eine von drei Gruppen einbringen. Die Studentinnen lösten ihre Aufgabe dabei ganz unterschiedlich: Einige bauten strukturiert, andere weitläufig oder destruktiv. Nachdem die ersten Erfahrungen in kleineren Gruppen gesammelt wurden, kamen die Studentinnen zusammen, um alle 140 Sitzhocker miteinander zu kombinieren. Das Ergebnis war groß, begehbar – mit eigenem Papptürrahmen. Für das Abschlussgruppenfoto fanden alle Seminarteilnehmerinnen darin Platz.
So unterschiedlich die Kreationen ausfielen, so vielschichtig waren auch die Erkenntnisse der Studierenden nach der Übung: Eine Gruppe stellte fest, dass Bauen nicht immer teuer sein muss oder gar optisch perfekt. Sie hätten nach einem anfänglichen Misserfolg einfach weitergemacht. Katharina Stahlhoven bestätigte: „Das zu erkennen, ist wichtig für die pädagogische Arbeit mit den Kindern.“ Ein anderes Team, das seinen konkreten Bauplan nicht umsetzen konnte, hat deshalb „einfach mal drauf los gebaut“. Das Konzept ging auf. Viele Studierende überschätzten auch die Anzahl der Hocker: Was anfangs viel wirkte, wurde schnell verwertet und knapp. Sie lernten – zwangsläufig – mit den vorhandenen Ressourcen umzugehen.
„Beim Bauen mussten sie auch miteinander reden“, machte Ivette Widmann aufmerksam. Die Studierenden wurden so „ganz nebenbei“ zum Team. Und sie bekamen neue Impulse, um Aufgabenstellungen anders anzugehen. „Manchmal muss man einfach mutig sein“, bekräftigt die Dozentin, „und sich etwas zutrauen.“ Das gilt in der Kunst wie im Leben – und für angehende Lehrkräfte wie für Schülerinnen und Schüler.