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Klimaschutz von oben – Ein Potsdamer Joint Lab erforscht die Möglichkeiten, mit Drohnen das Stadtklima zu messen

Drohne fliegt knapp über dem Waldboden. Das Foto ist von Jonas Zeidler.
Drohne steht auf einem Baumstumpf. Das Foto ist von Jonas Zeidler.
Nahaufnahme einer Drohne. Das Foto ist von Jonas Zeidler.
Foto : Jonas Zeidler
Drohnen im Einsatz der Wissenschaft. Hier sollen mit ihnen Klimadaten erhoben werden.
Foto : Jonas Zeidler
In den Geo-, Umwelt- und Klimawissenschaften sehen Forschende ein großes Potenzial für den Einsatz von Drohnen.
Foto : Jonas Zeidler
Drohnen sind flexibel einsetzbar und lassen sich mit verschiedenen Sensoren ausstatten.

Jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit in Potsdam-Golm ist es deutlich zu merken: Hier ist es kälter als in Berlin, aber auch kälter als in der Potsdamer Innenstadt. Woran liegt das? Am Stadtklima. Dieser Begriff bezeichnet menschengemachte Veränderungen des Klimas und der Luftqualität in Städten. Je mehr Fläche versiegelt, das heißt bebaut, betoniert, asphaltiert, gepflastert oder anderweitig befestigt ist, und je weniger Grünflächen vorhanden sind, desto deutlicher werden die Effekte spürbar. Bis zu zehn Grad Celsius Temperaturunterschied sind zwischen Stadt und Land möglich. Der Klimawandel begünstigt den Stadtklimaeffekt – Hitzesommer und Starkregenereignisse nehmen in ihrer Häufigkeit und Intensität zu.

Umso wichtiger ist es, das Stadtklima zu verbessern. Doch dazu brauchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verlässliche Daten über das Ausmaß von Versiegelung und Grünvolumen. Bisherige Forschungen nehmen Satelliten und Luftbildaufnahmen zur Grundlage, um sogenannte Hitzeinseln in Städten zu detektieren. Satellitenbilder sind allerdings nur an unbewölkten Tagen nutzbar und Luftbilder werden wegen des Aufwandes nur alle paar Jahre aufgenommen. Auch liefern sie nur eine einzige Sichtweise auf eine Stadt.

Mithilfe von Drohnen lässt sich das Problem der Bewölkung umgehen. Sie erlauben zudem, ein Objekt aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Forschende der Universität Potsdam haben sich im Joint Lab „Drohnen & Sensorik“ mit der Firma Luftbild Umwelt Planung GmbH verbunden, um Satelliten-, Luftbild- und Drohnenaufnahmen zusammenzufügen. Das Joint Lab ist Teil des Transferprojekts „Innovative Hochschule Potsdam“. Es will die Forschung mit der Anwendung von Drohnen zur Beantwortung ziviler Fragen vernetzen.

„Drohnen sind flexibel im Einsatz und lassen sich mit verschiedenen Sensoren ausstatten. Sie fliegen tiefer und können deshalb auch bei Bewölkung eingesetzt werden“, erklärt Dr. Nastasja Scholz, die das Joint Lab koordiniert. Anders als bei satellitengemessenen Daten können dank unterschiedlicher Sichtweisen auf ein Objekt wichtige Messgrößen erfasst werden. Bei den Grünflächen kann zum Beispiel neben dem reinen Grünvolumen auch die Gesundheit der Pflanzen oder der Grad des Trockenstresses abgeleitet werden. Dies ist mithilfe von Infrarot-Kameras oder Temperatur- und LiDAR-Messungen möglich. So entsteht ein ganzheitliches Bild vom Zustand der Vegetation, denn: Ein gesunder Baum bringt mehr für ein gutes Stadtklima als ein kranker.

Mit ihren vielfältigen Einsatz- und Ausstattungsmöglichkeiten könnten Drohnen ein wichtiger Bestandteil klimarelevanter Untersuchungen werden. Das aktuelle Vorhaben im Joint Lab „Drohnen & Sensorik“ erforscht die verschiedenen Möglichkeiten, um eine Entscheidungsbasis für kommunale und sogar bundesweite Analysen zu liefern: Welche Technik eignet sich am besten für welche Fragestellung? Wie kann man Unterschiede zwischen Städten quantifizieren und in Modellen beschreiben? Wo lohnt sich die Kombination aus Satelliten- und Drohnendaten? Kann man die Effekte unterschiedlicher Maßnahmen zur Klimaanpassung in Städten mithilfe von Drohnen überprüfen?

„Bevor wir echte Städte messen, müssen wir zunächst die Sensorik testen und Messungen kalibrieren“, erklärt Nastasja Scholz. „Hierfür bauen wir ein Drohnentestfeld auf.“ Dort können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Methodik auf die je unterschiedliche Vegetation anwenden und die geeignete Sensorik auswählen. Auch neue Verfahren können ausprobiert werden, die heute noch nicht standardisiert sind. „Eine Idee ist zum Beispiel, dass wir Fluoreszenz als Indikator für den Zustand der Vegetation nutzen. Solche Verfahren müssen natürlich ausgiebig erprobt werden, bevor sie in der Forschung anwendbar sind. Das können wir unter ,Laborbedingungen‘ auf unserem Testfeld tun und dann quasi nebenan in Potsdam überprüfen“, erläutert Nastasja Scholz.

Die Hoffnung ist, mit dem Vorhaben exemplarisch für kommunale und bundesweite Klimaprojekte voranzugehen. Die Einsatzmöglichkeiten von Drohnen sind bei einem rasant wachsenden Markt noch lange nicht ausgeschöpft. Gerade in den Geo-, Umwelt- und Klimawissenschaften sehen die Forschenden großes Potenzial. In ihrem Joint Lab wollen sie deshalb noch viele weitere Projekte entwickeln und anstoßen.

Joint Labs

Joint Labs sind Teil des Projekts Technologiecampus der „Innovativen Hochschule Potsdam“. Sie bilden neue Kooperationsformen, die den Transfer in Wirtschaft und Gesellschaft stimulieren sollen. Die gemeinsam nutzbaren Experimentier- und Denkräume helfen dabei, wissenschaftlich-technologische Fragestellungen zu beantworten. Dabei profitieren alle Partner vom gegenseitigen Austausch ihrer Infrastruktur und Expertisen. Im Zentrum stehen Innovationsthemen, die am Potsdam Science Park, aber auch in der Region verankert sind. Durch einen erleichterten Zugriff auf eine exzellente Infrastruktur sollen Ideen in praktikable Lösungsansätze überführt werden.

www.uni-potsdam.de/en/innovative-hochschule/technologiecampus/joint-labs

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal Transfer 2021/22 (PDF).