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Suche Wohnung, biete Gassi-Service – Das Studentenwerk Potsdam vermittelt Wohnpartnerschaften

Illustration einer Hausfassade. Sechs Mietparteien schauen aus dem Fenster. Die Grafik ist von AdobeStock/PCH.Vector.
Auf dem Foto ist Gabriele Gehauf mit ihrem Hund Willow zu sehen. Das Foto ist von Sandy Bossier-Steuerwald.
Foto : AdobeStock/PCH.Vector
„Wohnen für Hilfe“ vermittelt seit Januar 2020 private Unterkünfte als bezahlbare Alternative zu Studentenwohnheim und Co.
Foto : Sandy Bossier-Steuerwald
Gabriele hat ihre Wohnung mit einer Studentin geteilt – die dafür Gabrieles Hund Willow betreut hat.

An einem Abend im Herbst 2020 sitzen die 57-jährige Gabriele und die 18-jährige Miriam bei Kerzenschein in einer gemütlichen Wohnküche in Stahnsdorf. Sie haben nachmittags eingekauft und anschließend Fisch mit gebackenen Kartoffeln, Zucchini, Paprika und Auberginen gekocht. Auf dem Holztisch steht eine Flasche Rotwein neben einer kleinen Käseauswahl. Unter dem Tisch schläft zufrieden seufzend Gabrieles Hund Willow.

Gabriele und Miriam kennen sich zu diesem Zeitpunkt erst seit wenigen Wochen. Eine Wohnpartnerschaft, die das Studentenwerk Potsdam mit dem Projekt „Wohnen für Hilfe“ ins Leben gerufen hat, brachte beide Frauen und Generationen zusammen. Da knapp werdender Wohnraum auch für Studierende, die nach Potsdam kommen, ein zunehmendes Problem darstellt, vermittelt das Projekt seit Januar 2020 private Unterkünfte als bezahlbare Alternative zu Studentenwohnheim und Co. Die Studierenden erhalten ein eigenes Zimmer in einer privaten Wohnung oder in einem Haus. Die Logis ist frei, lediglich Betriebskosten müssen anteilig gezahlt werden. Als Gegenleistung helfen die Studierenden den Wohngebern – sie können sich beispielsweise im Haushalt einbringen, Einkäufe erledigen, Kinder betreuen oder ein Haustier – wie Hund Willow. Die Leistungen werden individuell nach vorheriger Absprache festgelegt und bringen im Idealfall für beide Seiten einen Nutzen.

Gabriele wohnt seit rund zwölf Jahren in dem gepflegten Mehrfamilienhaus in Stahnsdorf. „Eigentlich ist die Wohnung viel zu groß für eine Person,“ sagt sie und erwähnt, dass zu den 75 Quadratmetern Wohnfläche sogar noch ein eigener Garten im Innenhof gehört. Nachdem ihre Töchter ausgezogen waren, begann sie, sich intensiv mit der Anschaffung eines eigenen Hundes zu befassen. Somit war Familienzuwachs Willow für die Alleinstehende eine gut überlegte Entscheidung. Nur Gabrieles Arbeitgeber entpuppte sich in punkto Hund als weniger kulant als ursprünglich besprochen. „Als mir der Flyer ‚Wohnen für Hilfe‘ in die Hände fiel, arbeitete ich in Vollzeit und dachte sofort: Das mache ich!“ erinnert sich Gabriele. „Dabei ging es mir nicht nur um den reinen Gassi-Service, sondern auch um die Gesellschaft für Willow, da ich seinerzeit ganztags außer Haus war.“

Mit dem Studentenwerk Potsdam gab es ein Kennenlerntreffen bei Gabriele, um sich ein Bild von der Wohnsituation zu machen und Erwartungen abzustecken. „Ich hätte mir auch einen Studenten vorstellen können, aber da wir uns ein Bad teilen, schien es mit einer Frau erstmal praktisch.“ Gabriele lacht. Viele ihrer Freunde konnten nicht verstehen, dass sie ihre privaten Räume jemand Fremdem öffnen wollte, doch die 57-Jährige ist tolerant und offen für Neues. „Das Projekt fand ich auch für mich schön, denn junge Menschen geben einem selbst neuen Input.“

Coronabedingt gab es im vergangenen Jahr weniger Bewerbungen für die verfügbaren Unterkünfte, als die Projektleitung „Wohnen für Hilfe“ angenommen hatte. Zwei Bewerberinnen hatten Interesse an Gabriele und Willow gezeigt, letztlich kam eine zum Gespräch: Miriam. Die beiden trafen sich per Videochat, Gabriele zeigte der frischgebackenen Abiturientin Fotos, die sie von sich, dem Hund und der Wohnung gemacht hatte. Im Herbst 2020 zog Miriam nach Stahnsdorf. Als Miriams Mutter nach einigen Monaten zu Besuch kam, beherbergte Gabriele auch sie auf ihrer Couch. Und als Miriam eines Tages ihren Freund vorstellte, durfte er bei ihr im Zimmer übernachten. Gabriele lacht und zuckt mit den Schultern, als sei das selbstverständlich.

Einen ganz normalen Alltag an ihrer neuen Hochschule, den gab es dann jedoch für Miriam nicht. Ihre Kurse fanden ausschließlich online statt, Studierende kennenlernen, Freunde finden und ausgehen war aufgrund des Lockdowns schwer möglich. Zudem änderten sich im Januar 2021 Gabrieles Arbeitsverhältnisse, sie arbeitete nun überwiegend im Homeoffice.

„Plötzlich waren wir beide die komplette Zeit hier, zum Jahreswechsel 2020/21 durfte man ja gar nichts machen“, erinnert sich Gabriele. In den Weihnachtsferien fuhr Miriam zu ihrer Familie nach Bayern und blieb relativ lange dort, bis Ende Januar. Nach ihrer Rückkehr zog sie sich mehr und mehr in ihr Zimmer zurück, stellte sich einen eigenen Kühlschrank hinein. Gabriele bedauerte, dass sie sich nicht mehr im Wohnzimmer aufhielt oder Willow mit zu sich ins Zimmer nahm, und so suchte sie das Gespräch mit Miriam. Die Studentin war dankbar, hatte sich wohl selbst nicht getraut auszusprechen, dass sie sich nicht ganz wohl fühlte. Heute wohnt sie in einer Wohngemeinschaft in Potsdam, die beiden Frauen sind im Guten auseinandergegangen.

Wie in jeder Wohnkonstellation muss auch beim Projekt „Wohnen für Hilfe“ jede Seite realistisch bleiben: Mal passt es, mal eben nicht. Wenn es nicht läuft, gibt es für beide Seiten vom Studentenwerk Angebote der Mediation und natürlich auch kurzfristige beidseitige Kündigungsmöglichkeiten. Momentan macht Gabriele im Freundeskreis Werbung für das Projekt, denn sie kennt viele Familien, in denen potenzieller Wohnraum für Studierende freisteht. „Ich hoffe sehr, dass das Projekt weiterbesteht. Vielleicht kann ich in ein paar Jahren nicht mehr so gut laufen – man weiß es nie – und dann freue ich mich über jemanden, der für mich einkaufen geht.“  

Informationen für Wohnungsgebende und -suchende gibt es unter:
www.studentenwerk-potsdam.de/wohnen/wohnen-fuer-hilfe

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Zwei 2021 „Familie und Beruf“ (PDF).