Gerade unter älteren Menschen erlebt rund jeder Fünfte sogenannte Delirzustände nach chirurgischen Eingriffen. Deren Folgen sind oft langwierig, mitunter sogar dramatisch: Während manche länger im Krankenhaus bleiben müssen, um sich zu erholen, bauen andere kognitiv langfristig ab und auch die Mortalität steigt infolge von Delirien. In der groß angelegten PAWEL-Studie haben Forschende von mehreren Universitätskliniken sowie der Universität Potsdam gemeinsam mit weiteren Kliniken die Delirhäufigkeit und das Auftreten kognitiver Probleme nach chirurgischen Eingriffen untersucht – und anschließend versucht, durch eine gezielte multiprofessionelle Prävention die Delirhäufigkeit zu senken. Rund 1470 Patientinnen und Patienten in fünf Krankenhäusern wurden dafür vor und nach Operationen befragt und mit einem eigens entwickelten Präventionsprogramm begleitet. Mit Erfolg. „Die PAWEL-Studie konnte zeigten, dass unsere strukturierte, nicht-pharamakologische Intervention eine sichere und effektive Präventionsmaßnahme ist, um das Auftreten von postoperativen Delirien bei Älteren zu reduzieren“, sagt Prof. Michael Rapp.
Für die neue Intervention mit dem Titel „AKTIVER: Alltags- und Kognitionstraining & Interdisziplinarität verbessert das Ergebnis und mindert das Risiko“ wurden alle an der Patientenbehandlung beteiligten Berufsgruppen geschult. Zudem wurden psychogeriatrische Fachkräfte eingesetzt, welche die Interventionen anleiteten und überwachten. Auch die Krankenhausumgebung wurde den besonderen Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten angepasst, z.B. in Form von Uhren, Boxen mit Seh- und Hörhilfen oder Sturzprophylaxe. Zusätzlich unterstützten Delir-Helfer mit begleiteten Mahlzeiten, Orientierungstraining und gezielter Aktivierung.
Die Studie, deren Ergebnisse im JAMA Surgery veröffentlicht wurden, zeigt, dass sich mithilfe der Intervention das Delirrisiko deutlich mindern lässt. Ausnahme sind Patientinnen und Patienten, die sich einem herzchirurgischen Eingriff unterziehen mussten. Auch die Anzahl an Tagen mit Delir konnte durch die Intervention signifikant gesenkt werden. „Dass wir die Wirksamkeit der Intervention nachweisen konnten, ist ein großer Erfolg“, sagt Rapp. Schon jetzt werde das AKTIVER-Programm in einigen Fachkliniken in Deutschland angewendet, z.B. in Bielefeld und in Stuttgart. „Wünschenswert wäre es, die Durchführbarkeit und Wirksamkeit der Intervention nun auch in kleineren, nicht-akademischen Krankenhäusern etwa in ländlichen Regionen zu erforschen.“
Zur Veröffentlichung: doi:10.1001/jamasurg.2021.6370
Kontakt: Prof. Dr. Michael Rapp, Sozial- und Präventivmedizin
Telefon: 0331 977-4095
E-Mail: michael.rappuuni-potsdampde
Medieninformation 23-12-2021 / Nr. 112