Wir verlassen Cachi und werfen nochmals einen Blick auf die Sierra de Cachi, deren Gipfel in Regionen von über 5.000 Metern Höhe in der Vergangenheit mehrfach vergletschert waren. Heute sind diese Gebiete zum größten Teil arid, aber saisonal von Permafrost beeinflusst. Wir wundern uns zunächst ein wenig, denn die Gipfelregion „trägt“ an diesem Morgen eine wunderschöne Schneebedeckung. Was ist passiert? Eigentlich ist es zu erwarten, denn der Südamerikanische Monsun hat bereits angefangen und in der Nacht Schnee gebracht, der somit auch die Wasserversorgung der tiefergelegenen Oasen in nächster Zeit sicherstellt. Schneefall ist extrem wichtig für die Landwirtschaft dieser subtropischen Hochregion, wo außer dem Anbau von Zwiebeln, Paprika und Kartoffeln auch die höchsten Weinberge der Welt auf etwas über 3.000 Metern Höhe vorkommen. Für eine Weinprobe des vorzüglichen Malbecs ist es allerdings zu früh und wir wollen unser weiteres Programm mit der Analyse von tiefgreifenden gravitativen Hangbewegungen fortführen.
Zuerst fahren wir aber an einem Bergrücken vorbei, der zahlreiche Hinweise auf mehrfache tektonische Reaktivierung zeigt und in seinem Kernbereich aus stark zerbrochenen Gesteinen des Grundgebirges besteht. Dieser Berg wird allerdings auch vollkommen umrandet von jüngeren Gesteinen, die bei der Heraushebung verfaltet wurden und einen gelb-roten Ring bilden. Die gelben Einheiten sind die uns bereits bekannten Yacoraite-Sedimentgesteine. Aus der Luft sieht dieser Bergrücken wie ein Schildkrötenpanzer aus, weil die deformierten Einheiten in alle Richtungen geneigt sind.
Dann geht es durch die Wüste des Kakteen-Nationalparks über einen 3.300 Meter hohen Pass in das Escoipe-Tal in Richtung Salta, das schon mehrfach durch Hangbewegungen und Muren in Mitleidenschaft gezogen wurde. Die Auslöser dieser Prozesse sind Regenfälle oder Erdbeben, aber eine der wichtigen Grundvoraussetzungen für solche Massenbewegungen sind die zerbrochenen Gesteine des Grundgebirges, wie wir sie schon im Inneren unserer Schildkröte kennengelernt haben. Im Jahr 1976 ereignete sich am östlichen Hang der Sierra Malcante (5.100 Meter) nach starken Regenfällen ein folgenreicher Murenabgang, der das Dorf San Fernando de Escoipe fast vollständig zerstörte und unter einer mächtigen Schlamm- und Gerölllage begrub. In der Folgezeit gab es immer wieder solche Murenabgänge, die allerdings keinen derartigen Schaden anrichteten. Weiterhin wurde infolge mehrfacher Befliegungen der Region festgestellt, dass sich Risse im oberen Bereich der Berghänge bilden. Tatsächlich sind alle westlichen Hänge des Escoipe-Tals von Abrisskanten bereits erfolgter oder möglicher zukünftiger Hangbewegungen durchzogen. Unsere Hanganalysen mithilfe des Sentinel-1-Satelliten und Radarinterferometrie zeigen Bewegungsraten von mehreren Zentimetern pro Jahr an. Diese breite Zone tiefgreifender Massenbewegungen gehört zu den großen Gefährdungsgebieten in der Ostkordillere von Nordwest-Argentinien.
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