Herr Müller, Sie beschäftigen sich in Ihrem „Jugend forscht“-Projekt mit einem sehr praktischen Problem: der Vermeidung von antibiotikaresistenten Keimen in der Landwirtschaft. Wie kamen Sie auf dieses Gebiet?
Müller: Angefangen hat alles in der 7. Klasse. Damals gab es ein in meiner Schule ein Freies Projekt, bei dem jeder sich selbst eine eigene Aufgabe suchen und bearbeiten konnte. Unsere Biologielehrerin meinte, etwas Experimentelles wäre für mich passend. So habe ich damit begonnen, im Labor Bakterien zu züchten und zu schauen, unter welchen Bedingungen sie wachsen …
Aber warum ausgerechnet hier an der Universität?
Müller: Professor Arndt ist meine Mutter. Ich war schon vorher häufiger mit hier, interessiere mich sehr für ihre Arbeit. Und als sich die Gelegenheit bot, selbst ein Forschungsprojekt zu durchzuführen, musste ich nicht lange überlegen.
Arndt: Dirk Wagner, Forscher vom GFZ und Professor für Geomikrobiologie und Geobiologie an der Uni Potsdam, war damals Mentor bei seinem freien Projekt. Später wurde er von verschiedenen Mitarbeitern meiner AG bei seinen Forschungen begleitet.
Müller: Ein Jahr nach dem freien Projekt habe ich zum ersten Mal bei Jugend forscht mitgemacht, in diesem Jahr war es meine fünfte Teilnahme.
Prof. Arndt, ist dieses Forschungsgebiet für Sie selbst Neuland?
Arndt: Wir sind vor allem in der Grundlagenforschung für die Tumortherapie aktiv. Aber mich interessiert alles, was medizinisch relevant ist. Und methodisch ist es durchaus ähnlich, denn es geht um Protein Engineering, also Enzyme so zu verändern, dass sie die gewünschten Eigenschaften zeigen.
Müller: Mein Projekt hat sich über eine längere Zeit entwickelt: Anfangs ging es um die Frage, wie Bakterien Antibiotika-Resistenzen entwickeln. In der 9. Klasse habe ich Bakterien kultiviert und geschaut, wie schnell sich Resistenzen entwickeln. Dadurch bin ich auf die Antibiotika gekommen – und habe mich schließlich gefragt, was mit dem Antibiotikaabfall im Labor passiert.
Arndt: Dabei stellte sich heraus, dass manche Antibiotika sehr stabil sind und sogar die im Labor übliche Inaktivierung durch Hitze, das sogenannte Autoklavieren, überstehen …
Müller: Da dachte ich, es wäre doch toll, etwas zu finden, womit sich diese Antibiotika sicher und kostengünstig inaktivieren ließen.
Arndt: Über eine Literaturrecherche stieß er auf eine koreanische Arbeitsgruppe, die ein Enzym beschrieben hatte, das dazu in der Lage ist. Wir haben dann die Arbeitsgruppe angeschrieben und das Gen für das Enzym erhalten, mit dem Marik weiterarbeiten konnte. Da es noch nicht sehr effizient arbeitete, ging es anschließend darum, das Enzym gezielt zu verbessern.
Her Müller, in Ihrem Forschungsprojekt geht es darum, wie man das Antibiotikum Florfenicol, dass in der Landwirtschaft häufig eingesetzt wird, zum Beispiel bei Rindern und in der Fischzucht, spalten und damit unschädlich machen kann, noch bevor es in den Böden und Gewässern landet. Wie macht man das?
Müller: Durch das Einfügen von zufälligen Mutationen und anschließender Selektion erhielt ich Enzymvarianten mit verbesserter Florfenicol-Spaltung. Durch das Anfügen einer Kopplungsstelle an das Enzym kann ich es an unterschiedliche Materialien binden und so in möglichst vielen Medien verwenden.
Arndt: Auf diese Weise lässt sich das Enzym recyceln und mehrfach verwenden. Das macht seinen Einsatz erst nachhaltig und kostengünstig.
Prof. Arndt: Wie schafft man es, Schülerinnen und Schüler mit Forschungsgeist an die wissenschaftliche Praxis heranzuführen, die auch neue Erkenntnisse bringen kann?
Arndt: Das geht nur, wenn sie selbst wirklich motiviert sind. Aber ausschlaggebend war letztlich auch Mariks Biologielehrerin. Sie hat erkannt, dass er Spaß an sowas hat, und gleichzeitig einen Blick dafür, was für Projekte sich in welchen Altersstufen eignen – und wie das bei Jugend forscht reinpasst.
Marik: Ja, sie macht das schon lange an der Schule, hat viele Tipps, wie man da teilnehmen kann. Und die Arbeit daran in der Schule war auch eine spaßige Sache: Wir haben uns regelmäßig nachmittags getroffen, bei Tee und Keksen die Projekte besprochen und gegenseitig vorgestellt. Anschließend sind wir gemeinsam zu den Wettbewerben gefahren und konnten dort andere Projekte kennenlernen.
Arndt: Es zeigt sich, dass die Aktiven sich gegenseitig pushen. Auch das Umfeld der Wettbewerbe und das Feedback, das die jungen Forschenden dort bekommen, motiviert. Leider hat das coronabedingt in diesem Jahr etwas gelitten.
Wie lief der Wettbewerb unter Corona-Bedingungen?
Müller: Meine Forschung war davon kaum beeinträchtigt. Da ich meist nachmittags und am Wochenende an meinem Projekt gearbeitet habe, war ich oft fast allein im Labor. Die Wettbewerbe – sowohl bundes- als auch europaweit – fanden online statt. Es wurden virtuelle Räume eingerichtet, in denen jeder einen Platz hatte, an dem er mit seinem Plakat stand. Irgendwann kam dann die Jury für ein Gespräch vorbei, ansonsten konnte man auch herumgehen und sich die anderen Projekte ansehen. Eine praktikable Lösung, aber kein Vergleich zum Bundeswettbewerb 2019, als ich den 4. Platz gewonnen hatte und in einer großen Halle auf die Bühne gerufen wurde … Ansonsten muss ich sagen, dass der „Jugend forscht“-Bundeswettbewerb deutlich besser organisiert war. Auf europäischer Ebene ging es etwas chaotischer zu.
Herr Müller, wie ist es für Sie, in Uni-Laborräumen arbeiten zu können?
Müller: Im Vergleich zur Schule gibt es hier natürlich eine ganz andere Ausstattung, die ein fantastisches Arbeiten ermöglicht. Aber die Schule hat ja auch einen ganz anderen Fokus, soll einen Überblick bieten.
Arndt: Projekte wie das von Marik für Jugend forscht sind an Schulen in der Regel nicht durchführbar. Das sieht man aber auch bei den meisten anderen Beiträgen des Wettbewerbs in diesem Bereich.
Müller: Als außergewöhnlich angenehm empfand ich aber auch die Arbeitsatmosphäre. Alle waren sehr hilfsbereit und interessiert. Nicht zu vergessen die gemeinsamen Mittagessen in der Mensa ...
Prof. Arndt, wie funktioniert die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern? Gibt es große Unterschiede zu Studierenden?
Arndt: Bei solchen Kooperationen haben wir natürlich nur die Schüler, die auch wirklich Interesse haben, während unter den Studierenden auch solche sind, die unsere Veranstaltungen absolvieren, weil sie eben zu ihrem Studium dazugehören, ohne dass ihr Herz daran hängt. Insofern fallen die Schülerinnen und Schüler durch ihre Begeisterung und ihr Engagement auf.
Wie geht es nach diesem Erfolg weiter?
Müller: Ich möchte meine Ergebnisse noch weiter verfeinern und dann auch publizieren. Anschließend ist das Projekt erst einmal abgeschlossen. Aber ich habe schon viele neue Ideen.
Prof. Arndt, wird es weitere solche Kooperationen mit Schülerinnen und Schülern geben?
Arndt: Gut möglich. Der Kontakt mit der Lehrerin ist super. Ich habe ihr angeboten, dass wir so etwas wieder machen können, wenn sie jemanden oder ein Projekt hat, was sich anbietet. Außerdem haben wir die Idee auch schon ein bisschen weitergegeben: Für sein Projekt hatte Marik in der Arbeitsgruppe von Heiko Möller, Professor für Analytische Chemie in Potsdam, die Möglichkeit bekommen, einige Messungen durchzuführen. Und soweit ich weiß, war er in diesem Jahr auch bei einem weiteren „Jugend-forscht“-Projekt involviert.
Herr Müller, Sie haben 2021 Abitur gemacht. Bleiben Sie der Wissenschaft erhalten?
Auf jeden Fall! Ich möchte in Richtung molekulare Biotechnologie gehen, allerdings nicht in Potsdam – ich möchte auch ein anderes Umfeld kennenlernen!
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